Mörderwelt. Wolfgang Quest

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Название Mörderwelt
Автор произведения Wolfgang Quest
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753193342



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ihr hautnah miterleben, wie man so was anpackt.“

      Er ging geschäftig los, als wollte er gleich mit der Jagd beginnen. An der Tür drehte er sich noch einmal um.

      „Von wegen Mythos und Realität!“

      Paulsen muss sich eingestehen: So viel Ironie hatte er Baranoff nicht zugetraut. Er nahm es als Warnung, ihn nicht zu unterschätzen.

      Kapitel 3

      Noch am gleichen Abend quartierte Paulsen sich ins Hotel ein. Portier Tilman Aschhoff hing wie am Morgen hinter der Rezeption und starrte auf den Bildschirm. Erst als Paulsen an das Empfangspult trat, bemerkte er ihn und nahm die Stöpsel aus den Ohren. Musik schepperte.

      Paulsen tippte auf Hot Chili Peppers. Aschhoff warf ihm einen anerkennenden Blick zu. Anders als am Morgen schien er ihn jetzt für einen vollwertigen Menschen zu halten.

      Paulsen ließ sich ein Zimmer geben, und sie plauderten eine Weile. Paulsen erfuhr, dass Aschhoff den Portiers-Job nur vorübergehend machte, da er Medizin studieren wollte und auf einer Warteliste stand.

      „Wartezeit mindestens fünf Jahre.“

      „Dann musst du ja noch jede Menge Nachtschichten runterreißen.“

      „Macht nichts.“ Aschhoff lachte und deutete auf den Bildschirm. „Wird jedenfalls nicht langweilig. Hab’ ja meine RPGs.“

      „RPGs?“

      „Role-Playing-Games.”

      Er nannte die Rollenspiele, für die er sich begeisterte – für Paulsen allesamt böhmische Dörfer. Nach ein paar Nachfragen lenkte er das Gespräch auf den Mordabend, dabei stellte sich heraus, dass Aschhoff an diesem Tag Dienst gehabt hatte.

      „An dem Tag ist aber niemand gekommen. Kein Gast, kein

      Besucher, kein nix. Habe ich auch der Polizei gesagt.“ „Kein Besucher? Haben die Gäste denn hier öfter Besucher?“

      „Kommt schon mal vor“, sagte Aschhoff zögernd, als sei er plötzlich vorsichtig geworden. Doch warum? Markierte er den loyalen Angestellten, der den Eindruck vermeiden wollte, die Prärieblume sei ein Stundenhotel? Paulsen nahm in stärker ins Visier.

      „Ist es auf irgendeine Weise möglich, ungesehen ins Hotel zu gelangen? Vielleicht über einen Notausgang?“

      „Es gibt nur einen zum Hof. Die Tür lässt sich aber nur von innen öffnen. Wenn jemand zur Tür gegangen wäre, hätte ich das sicher bemerkt.“

      „Mit Stöpseln im Ohr?“

      „Stöpsel machen nicht blind.“

      „Du warst also den ganzen Abend und die ganze Nacht hier an der Rezeption?“

      „Ja, klar, wo denn sonst?“

      „Ist das nicht langweilig so die ganze Nacht?“

      „Nicht unbedingt. Computerspiele, Musik hören … ab und zu einen durchziehen.“ Aschhoff grinste.

      „Und das fällt keinem auf?“

      „Wenn ich mir einen Joint drehe, mach ich das in der

      Abstellkammer. Falls doch mal jemand kommen sollte.“

      „Und Samstagnacht hast du auch einen durchgezogen?“

      „Sicher.“

      „Einen, zwei oder vielleicht drei?“

      „Kann sein, weiß nicht mehr so genau.“

      „Das heißt, du warst also mindestens ein oder zwei Mal in der Abstellkammer?“

      „Könnte hinhauen.“

      „In der Zeit hätte jemand reinkommen können.“

      „Theoretisch ja. Aber das habe ich den Bullen natürlich nicht auf die Nase gebunden. Wäre cool, wenn du’s auch nicht tun würdest.“

      „Versprochen. Was war mit Baranoff? Er behauptet, er sei krank gewesen.“

      „Baranoff krank?“ Aschhoff überlegte einen Moment, dann kehrte anscheinend seine Erinnerung zurück. „Besoffen war der. Ich hab’ ihn doch auf sein Zimmer geschleppt.“

      Besoffen oder krank, dachte Paulsen, kam fast auf das Gleiche hinaus.

      „Und was weißt du über die Tote?“

      „So gut wie nichts. Die hat man nie zu Gesicht bekommen.“

      „Unter welchem Namen hat sie sich denn eingetragen?“

      „Die hat sich nirgendwo eingetragen.“

      „Ist das nicht Vorschrift?“

      „Das wird hier nicht so eng gesehen.“

      „Wie viele Gäste gab es sonst noch in der Nacht?“

      „Nur einen. Den Schuhvertreter in der zwoten.“

      „Und wie viele Gäste habt ihr im Moment?“ „Einen. Den Schuhvertreter in der zwoten.“

      Paulsen bezog das Zimmer 20 auf der zweiten Etage, direkt unter Baranoffs sogenanntes Detektivbüro. Ein schlauchartiger Raum mit schmucklosem Kleiderschrank, kleinem Tisch, schmalem Bett und einer altertümlichen eisenbeschlagenen Truhe, auf dem ein mickriger Fernseher stand. Auch hier sah es so aus, als habe der Hotelbesitzer seinen Traum nur noch halb verwirklichen können. Der

      Western-Stil war auf ein Indianer-Poster geschrumpft.

      Es roch muffig. Paulsen öffnete das Fenster. Schwüle Luft strömte von draußen herein, und der Straßenlärm ließ das Zimmer noch ungastlicher erscheinen.

      Er packte ein paar Sachen, Hemden, Socken und Wäsche, in den Schrank, legte sich aufs Bett und drückte auf der Fernbedienung herum. Der Fernseher muckte sich nicht.

      Paulsen schleuderte die Tastatur weg und traf genau in den Papierkorb. Das erste Erfolgserlebnis des heutigen Tags.

      Er hatte Hunger, aber keine Lust, aufzustehen. Eine Weile lag er nur da, beobachtete die Licht- und Schattenreflexe, die über die Zimmerdecke wanderten, und ließ die Gedanken schweifen. Konnte man Baranoff wirklich einen Mord zutrauen? War er nur ein angeberisches Großmaul, ein harmloses Original? Oder ein gefährlicher Irrer? Vom Original zum Spinner war es manchmal nur ein kleiner Schritt, und von einem Spinner zum Irren ein noch kleinerer. Paulsen versuchte, die Ereignisse der letzten Tage zu ordnen, doch schon bald wirbelte alles durcheinander und versank im Nebel. Das Schnarren des Telefons weckte ihn. Er schaltete die Nachttischlampe an und nahm den Hörer ab. Baranoffs krächzende Stimme ertönte.

      „Besprechung bei mir im Büro. Wir warten.“

      Ehe Paulsen nachfragen konnte, wen er mit ‚wir‘ meinte, hatte Baranoff aufgelegt. Was wollte er mitten in der Nacht besprechen? Vielleicht war er wirklich ein Irrer.

      Vor Baranoffs Zimmer blieb Paulsen stehen und hielt das Ohr an die Tür. Gedämpfte Stimmen. Er öffnete leise. Baranoff saß am Schreibtisch, Schuhvertreter Meffert stand in der Mitte des Zimmers vor einem niedrigen Tisch mit einem Musterkoffer voller Schuhmodelle und hielt einen dick besohlten Schnürschuh in die Höhe.

      „Obermaterial aus zweifarbigem Nubukleder, Einlegesohle anatomisch geformt und Fußschweiß absorbierend, die

      Zehenschutzkappe aus Stahl mit rutschhemmender Keramiksohle

      …“

      Baranoff bemerkte Paulsen und winkte ihn herein. Paulsen setzte sich in den freien Sessel.

      „…öl-, benzin- und säurebeständig“, fuhr Meffert fort. „Besonders bei schwierigen Einsätzen von Vorteil. Eine andere Variante wäre –“

      „Schluss damit!“ Baranoff schnappte wie ein Reptil mit dem Kopf nach vorne.

      „Wo waren Sie Samstagnacht?“

      Meffert