Todesfalle Campus. Dagmar Isabell Schmidbauer

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Название Todesfalle Campus
Автор произведения Dagmar Isabell Schmidbauer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783745015096



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des Kühlschrankes. „Es gibt weder Wurst noch Bier. So wie es hier aussieht, hat sie sich von Joghurt ernährt.“

      Franziska nickte und ging vor ihm her ins Wohnzimmer. Es war nicht besonders groß und unspektakulär möbliert: ein Sofa, eine Anrichte, ein kleiner Esstisch mit vier Stühlen, Bücherregal, Fernseher. Vor dem Fenster hingen Raffrollos in leuchtenden Farben. Franziska zog sie hoch, was den Blick auf den nächtlichen Inn und das auf der anderen Seite liegende, hoch aufragende und sehr schön beleuchtete Kloster Maria Hilf freigab.

      „Wahnsinn, was für ein Ausblick“, bemerkte sie und wandte sich vom Fenster ab, um das Regal zu durchsuchen. Da gab es einige Lehrbücher, Ordner, eine Box mit Stiften, Bücher und CDs. Gleich daneben hingen einige Gruppenaufnahmen an einer Pinnwand, wie sie zum Ende der Schulzeit oder ähnlichen Anlässen gern gemacht wurden.

      „Kein Foto von einem Mann, aber die hier sind immerhin ein Anfang“, versuchte sich Franziska zu freuen.

      „Vielleicht war die Beziehung noch zu neu. Ich meine, wie lange hast du kein Foto von deinem Bühnenkünstler auf dem Schreibtisch stehen gehabt?“

      „Hab ich noch immer nicht. Wir teilen unser Büro einzig mit deiner Sabrina“, gab sie schnippischer als gewollt zurück und wandte sich, als sie es bemerkte, rasch dem Tisch zu, der offensichtlich gleichermaßen zum Essen und Lernen genutzt wurde. Neben einer gut gefüllten Obstschale stand dort ein Laptop, der, wie Hannes jetzt feststellen musste, mit einem Passwort geschützt war. Insgesamt fanden die Kommissare alles sehr ordentlich, bis sie ins Schlafzimmer kamen.

      „Ups!“ Überrascht hielt Franziska inne. Vor ihren Augen breitete sich das totale Chaos aus. Auf dem großen Bett und dem hellen Holzboden lagen mehrere Blusen, T-Shirts, Hosen, zwei Kleidchen und etliche winzige Dessous verstreut. „Ich würde sagen, hier hat sich jemand nicht entscheiden können.“ Vorsichtig lugte sie in die offenstehenden Türen des Kleiderschranks und zog dann eine enttäuschte Schnute. Denn außer weiteren Klamotten, verschiedenen Schuhen und zwei Handtaschen, die Franziska herausnahm und öffnete, fand sich auch hier kein Hinweis auf einen Mann. „Schade! Ich hab schon gehofft, hier ihr geheimes Lager zu entdecken, wo sie alles bunkert, was Besuchern verborgen bleiben soll“, erklärte sie ihre Enttäuschung.

      Hannes trat hinzu, hob einen der am Boden liegenden Büstenhalter auf, wog ihn in der Hand und meinte dann nachdenklich: „Eher Durchschnitt.“

      „Ja“, antwortete Franziska, beachtete das billige Spitzengewebe aber nicht weiter. „Wie sieht es im Bad aus?“

      „Nichts. Kein Rasierzeug, keine zweite Zahnbürste, kein Schlafanzug.“ Vorsichtig legte er den Büstenhalter aufs Bett zurück. „Vielleicht hat er ja ihre Sachen benutzt?“

      „Machst du das?“ Sie blickte Hannes abwartend an, und als er nicht antwortete, fügte sie hinzu: „Das heißt, sie lebte allein, und ob sie eine Beziehung führte, wissen wir nicht.“ Suchend blickte sie sich um und landete schließlich wieder im Wohnzimmer vor den Gruppenbildern, auf denen Vanessa immer in der ersten Reihe stand. „Mensch Mädchen! Wenn wir das Schwein finden sollen, musst du uns schon was über dein Liebesleben preisgeben.“ Sie nahm die Fotos von der Pinnwand und blickte sich suchend nach einem Umschlag zum Verstauen um.

      „Hey, hast du das schon gesehen, da hinten steht was drauf!“ Hannes nahm ihr eines der Fotos aus der Hand und drehte es so, dass er es lesen konnte. „Comenius-Gymnasium Deggendorf K12“.

      Während Hannes las, nahm sich Franziska das Regal vor. „Schade, sie stand anscheinend nur auf Fantasy-Bücher. Dabei hatte ich gehofft, sie wäre eine SM-Anhängerin gewesen und würde uns vielleicht damit einen Hinweis geben.“ Franziska zuckte enttäuscht mit den Schultern. „Aber zumindest wissen wir jetzt eines ganz sicher: Wenn es einen Mann in ihrem Leben gegeben hat, dann hat sie ihn ziemlich gut versteckt.“

      „Also eine typische Studentenwohnung, die nichts über die wahren Vorlieben ihrer Besitzerin aussagt“, kommentierte Hannes, doch das wollte seine Kollegin nicht gelten lassen.

      „Das stimmt doch gar nicht.“ Sie blickte auf ihr Handy, um zu sehen wie spät es war und entdeckte eine SMS von Walter, die sie sich aber nicht zu lesen traute. „Wir haben die Fotos und können uns den Laptop vornehmen. Und …“, sie grinste, während sie ein mit dem Uni-Logo versehenes Blatt aus einem Buch zog, „… wir haben das hier!“

      Hannes nahm es ihr aus der Hand und überflog den Inhalt. „Eine Ausschreibung für ein Seminar zum Thema „Betriebliches Rechnungswesen“. Wenn sie daran teilgenommen hat, wird vielleicht einer der Teilnehmer etwas mehr über sie wissen.“

      Franziska zuckte mit den Schultern. „Das wird sich zeigen, aber es ist zumindest ein Anfang. Und morgen kann sich ja die Spurensicherung noch einmal alles ansehen.“

      Obwohl sich Franziska Hannes gegenüber so zuversichtlich gab, hatte sie natürlich sehr wohl gehofft, in der Wohnung einen Hinweis auf eine offensichtliche Beziehung zwischen Vanessa Auerbach und einem Mann zu finden. Ein Foto, eine Anschrift, vielleicht den Freund persönlich, der sich unbeteiligt gab und den sie durch ein paar geschickte Fragen und seine am Tatort hinterlassenen Spuren sehr schnell überführen konnten. Stattdessen musste sie sich mit einem Klassenfoto und einem gesicherten Laptop zufrieden geben. Andererseits konnte sie so in aller Ruhe nach Hause fahren. Sie hatte nur noch rasch Hannes bei seinem Fahrrad an der Uni absetzen müssen. Von dort radelte dieser zu sich nach Hause in den Fuchsbauerweg, wo sein Schätzchen Sabrina, ebenfalls Polizistin, aber bei der Bereitschaftspolizei, auf ihn wartete.

      Während Franziska ihm hinterherblickte, fiel ihr die SMS von Walter wieder ein. Er wolle nach seinem Termin am Theater in seine Wohnung fahren und dort übernachten, damit sie sich ganz auf ihren Fall konzentrieren konnte, las sie und war enttäuscht. Eine leere Wohnung und ein leeres Bett – beides fand sie in diesem Moment nicht besonders anziehend. Darum ließ sie ihr Auto vor der Studentenkanzlei stehen und beschloss spontan, noch einen Abstecher zum Inn zu machen, um sich dort in der kühlen Nachtluft den Kopf freipusten zu lassen.

      Auf dem gesamten Uni-Gelände war es an diesem Abend beinahe gespenstisch ruhig. Ob es daran lag, dass selbst Studenten nach einer so ausgelassenen Feier wie am gestrigen Abend ein wenig mehr Schlaf benötigten, oder vielleicht doch eher an der Tatsache, dass sich die Nachricht vom Tod ihrer Kommilitonin bereits herumgesprochen hatte, konnte sie nur vermuten. Aus Erfahrung wusste Franziska, dass sich junge Menschen gern für unverwundbar hielten. Vielleicht hatten sich die Studenten ja auch, wenn schon nicht ins eigene Bett, so zumindest in ihre vier Wände oder in eine der Altstadtkneipen zurückgezogen, die als Treffpunkt dienten.

      Der Leichnam von Vanessa Auerbach dagegen war längst in der Frauenlobstraße in München angekommen, und mit ein bisschen Glück wurde er dort auch schon obduziert. Je schneller sie das Ergebnis bekämen, desto früher konnten sie die dabei gewonnenen Erkenntnisse verwerten.

      Vor dem Tatort hatte Kriminalhauptkommissar Schneidlinger eine Streife postiert, um ihn vor unbefugten Besuchern zu schützen. Die Spurensicherung sollte weitermachen, sobald es hell wurde. Ob sie unter all den Spuren und Fundstücken, die auf dem weitläufigen Gelände verstreut lagen, doch noch eine Tatwaffe finden könnten, oder etwas, was die Aufklärung der Tat beschleunigen würde, war nach einem derartigen Event, wie es zur Tatzeit abgehalten worden war, allerdings mehr als fraglich.

      Müde ließ sich Franziska auf einer der vielen Parkbänke nieder und versuchte, an etwas anderes als den brutalen Mord an der Studentin Vanessa Auerbach zu denken, was ihr nicht gelingen wollte. Stattdessen stellte sie weitere Vermutungen an: Welche Art Männer musste sie gekannt haben, damit diese imstande waren, ihr so etwas anzutun?

      Franziska blickte auf den nächtlichen Inn, als könne er ihr eine Antwort geben. Vor zwei Jahren hatte hier das Jahrtausend-Hochwasser alles unter sich und den mitgeführten Schlamm- und Sandmassen begraben. Danach waren unzählige ehrenamtliche Helfer ans Werk gegangen und hatten die Stadt in kürzester Zeit wieder aufgeräumt. Fremde, die einfach nur helfen wollten, weil es so unfassbar war, was Wassermassen anrichten konnten.

      Hatte