Название | Todesfalle Campus |
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Автор произведения | Dagmar Isabell Schmidbauer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745015096 |
Wie jedes Mal, wenn sie sich derart in seine Hände begab, war es eine Wahnsinnserfahrung aller Sinne. Nichts sehen zu können bedeutete, dass sie auf jeden noch so kleinen Reiz reagierte. Jedes Geräusch schwoll in ihren Ohren an, jede Berührung brachte ihre Haut zum Lodern, bis sie am ganzen Körper zitterte und bebte, doch am schlimmsten, am allerschlimmsten waren die Pausen. Dann, wenn er gar nichts tat, wenn sie nicht wusste, ob und wie er sie ansah und was er als nächstes tun würde.
Von diesen süßen Gedanken erfüllt, ließ sie es zu, dass er ihr erst den einen und dann den anderen Arm über den Kopf führte, sie küsste und streichelte … und erst als sie das kalte Metall an ihren Handgelenken spürte und gleich darauf das feine Klicken hörte, wusste sie Bescheid.
Dagegen musste sie natürlich protestieren, das ging nun doch zu weit. Aber weil er sie in diesem Moment so intensiv küsste und seine Hände dabei so zärtlich über ihre von schwarzer Spitze umrahmten Brüste streichelten, blieb es bei einem langen wohligen Stöhnen.
„Ganz ruhig, Frau Kommissarin, in den nächsten Stunden gehörst du ganz allein mir, und ich werde alles tun, damit du sie nie mehr vergisst“, flüsterte er und biss sie vorsichtig in ihr linkes Ohrläppchen.
„Wie soll ich ruhig sein“, stöhnte sie erneut, „wenn du mich derart … oh, ja! Mach weiter, nicht aufhören!“
Doch Walter tat nichts von dem, was sie sich so sehr wünschte, egal wie sie sich wand und seinen Händen entgegenreckte. Immer wenn sie ihn mit einem „Ja, oh ja!“, dazu bringen wollte, dass er weiter machen sollte, ließ er von ihr ab, um sie gleich darauf an einer anderen Stelle ihres sich immer weiter erhitzenden Körpers zu berühren. Alles, alles hätte er in diesem Moment von ihr haben können, wenn er sie nur endlich von ihren Qualen erlösen und ihren Körper zum Explodieren bringen würde. Wenn er nur endlich …
Und dann explodierte sie wirklich. Schnell, viel zu schnell. Wenn auch nicht vor Lust und Sinnlichkeit. Im ersten Moment hatte sie noch gedacht, er hätte vielleicht das Radio angeschaltet, damit die Nachbarn ihre Lustschreie nicht hören würden, doch das was sie hörte, war nicht das Radio, es war ihr Handy. Und die Stimme, die jetzt direkt in ihr Ohr sprach, gehörte niemand anderem als Hannes, ihrem Kollegen, der gerade fragte: „Franziska, hörst du mich?“
„Ja!“, antwortete sie gepresst und versuchte mühsam, ihren Atem und die ganze Situation unter Kontrolle zu bringen.
„Stör ich?“, fragte Hannes unnötigerweise, denn spätestens seit er sein Schätzchen Sabrina hatte, war es sinnlos ihm vorzumachen, dass sie vielleicht gerade beim Sport war.
„Nein.“ Franziska versuchte irgendwie eine vernünftigere Lage einzunehmen. Bestimmt würde sie dann seriöser klingen. Doch ihre vergeblichen Versuche lösten nur ein Klirren der Handschellen aus. Hannes würde dieses Geräusch todsicher erkennen und seine Schlüsse ziehen.
„Kein Problem, was gibt es denn?“ Wenn sie das Handy nur selbst in die Hand nehmen könnte … aber Walter reagierte ja nicht. Während sie auf Hannes’ Antwort wartete, zappelte sie mit den Füßen, in der Hoffnung, Walter würde ihr wenigstens die Augenbinde abnehmen.
„Auf dem Gelände der Universität wurde eine tote Frau gefunden. Kannst du dich losmachen und vorbeikommen? Obermüller sagt gerade dem Chef Bescheid.“
Für einen Moment setzte Franziskas Herz aus, dann bewegte sie den Kopf ruckartig in die Richtung, aus der Hannes’ Stimme kam, bis sie tatsächlich mit dem Ohr an ihr Handy stieß. „Ja, ich komme. Bis gleich.“ Mit einem einzigen Stöhnen sackten Lust, Sinnlichkeit, Verlangen und die Aussicht auf ein grandioses Ende in sich zusammen.
„Mach mich los! Bitte. Ich muss weg“, erklärte sie resigniert. Sie ging davon aus, dass alles gesagt war und Walter das Gespräch beendet und ihr Handy zur Seite gelegt hatte.
„Franziska?“, hörte sie da erneut Hannes fragen. „Willst du gar nicht wissen, wo du hin musst?“
Ein Abend voller Hiobsbotschaften.
So oder so ähnlich würde Kriminalhauptkommissar Josef Schneidlinger im Nachhinein über diesen schwarzen Dienstag urteilen. Tatsächlich aber ahnte er in dem Moment, da die Nachrichten eine nach der anderen in sein Leben strömten, nicht, welche die schlimmste für ihn werden sollte und welche in letzter Konsequenz sein Leben am intensivsten auf den Kopf stellen und ihn zum Umdenken zwingen würde.
Alles begann, kaum dass er seinen Porsche Boxster in der großen Scheune des elterlichen Bauernhofes neben dem Traktor seines Bruders geparkt, das Verdeck geschlossen und den Motor abgestellt hatte, mit dem Läuten seines Handys. Als er die Nummer erkannte, griff er nach seinem Sakko auf dem Beifahrersitz und stieg aus.
„Hallo Schatz, ist was mit den Kindern?“, fragte er und malte sich in Gedanken das schlimmste Szenario aus. Unfalltod, Entführung, lebensbedrohliche Krankheit oder ein Hausbrand. Kaum rief ihn Gabi außer der Reihe an, begann sich schon das Horrorkarussell in seinem Kopf zu drehen.
„Musst du schon wieder so maßlos übertreiben?“, herrschte sie ihn in scharfem Ton an. Der sonst so energische Schneidlinger spürte, wie er innerlich zusammensackte.
„Also?“, fragte er geduldig zurück, ohne auf ihren Ton einzugehen.
„Die Kinder streiken. Sie wollen nicht mehr jedes Wochenende auf dem Bauernhof rumsitzen und hoffen, dass ihr Vater Zeit für sie hat.“
„Und du?“, fragte er seine Frau vorsichtig.
Die Wünsche der Kinder waren ihr noch nie so wichtig gewesen wie ihre eigenen Ziele. Und von jedem Wochenende konnte man ja sowieso nicht sprechen. Während er sich nach seinem beruflichen Umzug nach Passau wieder auf dem elterlichen Hof im Rottal eingelebt hatte, war der Rest der Familie in München geblieben und kam vielleicht alle zwei, eher alle drei, manchmal auch nur alle vier Wochen zu Besuch. Gabi besaß in München mehrere Geschäfte, in denen sie allerlei Kleinkram verkaufte, was unter dem Strich monatlich eine hübsche Summe zusammenbrachte. Kurz gesagt, sie verdiente das Geld, während er, um nicht vor Langeweile zu sterben, gewissermaßen hobbymäßig bei der Kripo seinen Dienst tat. So gesehen führten sie eine überaus moderne Ehe.
„Ich möchte auch nicht mehr auf den Bauernhof kommen“, sagte sie so leise, dass er im ersten Moment nicht glauben konnte, was er gehört hatte.
„Wie?“
„Ich denke, wir sollten uns eine Weile überhaupt nicht sehen. Abstand hat ja noch keiner Ehe geschadet“, erklärte sie wie auswendig gelernt und versuchte sich tatsächlich in einem aufmunternden Lachen.
„Sind die Kinder da?“, hatte er noch gefragt und als sie ihm sagte, dass sie im Schwimmbad seien, hatte er sich auch schon mit einem knappen „Tschüss“ verabschiedet. Er hatte nicht vor zu betteln, letztlich sollte es ja auch nur eine Trennung auf Zeit sein, nicht mehr und nicht weniger.
Als er die Scheune verlassen hatte und den Hof überquerte, war er froh darüber, in diesem Moment nicht seinem Bruder Franz in die Arme zu laufen. Der war das genaue Gegenteil von ihm. Am besten ließ sich das an ihren Lieblingsgefährten ablesen. Schneidlinger liebte den Boxster, sein Bruder seinen Traktor, wobei sie sich dabei preislich in nichts nachstanden.
Auch im Haus war alles still, nur der Fernsehapparat lief, doch den konnte er ignorieren. Die Tür zum Wohnzimmer war geschlossen. Trotzdem atmete er erleichtert auf, als er die Küche betrat, die seine Mutter nach dem Mittagessen wie immer tipptopp aufgeräumt hatte. Er musste Ruhe bewahren, es half überhaupt nichts, wenn er jetzt verrücktspielte. Mechanisch öffnete er den