Название | Kullmann jagt einen Polizistenmörder |
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Автор произведения | Elke Schwab |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kullmann-Reihe |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750237216 |
»Sie sind gut«, tadelte Anke gespielt und ließ sich umständlich auf den Stuhl gegenüber vom Schreibtisch sinken, »Sie verlassen uns in einem halben Jahr. Und was bin ich dann ohne Sie?«
»Ich gehe in Pension, das heißt aber nicht, dass ich nicht mehr da sein werde«, versicherte Kullmann.
»Ja, das weiß ich, trotzdem werden Sie mir sehr fehlen«, bekannte Anke.
»Zuerst müssen wir den Fall Luise Spengler zum Abschluss bringen. Vorher werde ich nicht zur Ruhe kommen.«
Nachdenklich verließ Anke das Zimmer und begab sich an ihren Platz. Sie konnte Kullmanns Sorgen gut verstehen, da sie selbst am besten wusste, wie schwer es war, im Fall Spengler weiterzukommen. Diese zähe Arbeit vermischte sich mit ihren Zweifeln, warum Kullmann so verbissen an seiner Überzeugung festhielt, dass Luise Spengler ermordet worden war. Diese Beharrlichkeit gab ihr das unbestimmte Gefühl, dass für ihren Chef mehr dahinter steckte als nur ein Fall, der bearbeitet werden musste. Aber mit dieser Vermutung hielt sie sich bedeckt, weil sie befürchtete, Kullmann damit zu verärgern.
Zunächst machte sie sich an die Arbeit, die auf ihrem Schreibtisch lag. Der Berg Akten wartete ohnehin schon lange darauf, von ihr bearbeitet zu werden. Wann war die Zeit günstiger als gerade jetzt. Ihre Verfassung fesselte sie regelrecht an den Stuhl, und deshalb wollte sie die Gelegenheit nutzen.
»Na, du flottes Reitermäuschen«, betrat Esche ihr Büro und schenkte sich ohne zu fragen Kaffee ein.
»Spar dir deine blöden Kommentare«, konterte Anke böse.
Heute trug Esche einen Anzug, dessen Marke Anke nicht kannte, weil sie sich bei den Edelklamotten nicht so gut auskannte. Tadellos erschien sein Aussehen. Er sparte nicht an protzigen Zutaten, trug auch heute wieder seine Goldkette, die Anke trotz ihres offensichtlichen Wertes nicht gefiel. Er sah aus wie ein Zuhälter. Und wenn sie gleichzeitig Esches Verhalten beobachtete, empfand sie diesen Vergleich gar nicht mal so unmöglich. Dieses modische Gehabe hatte er am Anfang seiner Dienstzeit noch nicht gezeigt, das wusste Anke genau. Erst in der letzten Zeit legte er immer mehr Wert auf seine äußere Erscheinung, wobei es schon verwunderlich war, wie er sich diesen Designerkram leisten konnte. Wenn er jedoch glaubte, damit seine Chancen bei ihr aufzubessern, dann täuschte er sich. Trotz seines guten Aussehens blieb sein Auftreten unverändert vulgär. Sie war seine geschmacklosen Annäherungsversuche leid, ja sie fürchtete sich davor. Wenn er nur im gleichen Raum war wie sie, spürte sie, wie sie sich verkrampfte und sich am liebsten unsichtbar machen würde, weil sie von ihm nicht gesehen werden wollte. Er hatte einen Blick, als könnte er durch ihre Kleider hindurch sehen – in seiner Gegenwart fühlte sie sich ständig nackt.
»Gibt es Neues in Sachen Luise Spengler?«, fragte Esche wie so oft, und Anke verneinte wie so oft.
Seit Nimmsgerns Tod arbeitete Esche auf eigenen Wunsch mit Hübner zusammen an dem Fall des ermordeten Kollegen. Sein Interesse an ihren Fortschritten im Fall Spengler erstaunte sie daher, weil er nicht zu seiner Arbeit gehörte. Sie hegte den Verdacht, er wollte kontrollieren, dass sie nicht mehr erreichte als er. Schließlich ging es um eine Beförderung, und da lagen alle auf der Lauer. Leider ließen ausgerechnet jetzt die Ergebnisse auf sich warten.
Bevor Esche das Büro verließ, meinte er noch: »Du wirkst angeschlagen. Bist du vom Pferd gefallen?«
Über diese Frage ärgerte Anke sich, weil die Ironie nicht zu überhören war. Warum bereitete es den Kollegen so große Freude, wenn sie Schmerzen hatte?
»Die einen fallen vielleicht vom Pferd, andere fallen nur blöd auf. Verschwinde jetzt! Ich muss meine Arbeit machen.«
Darüber konnte Esche nur lachen. Belustigt fügte er an: »Deine Entscheidung für den Reitsport war wirklich eine glänzende Idee. Seitdem musst du Probleme lösen, die du vorher nicht hattest.«
Wutschnaubend warf Anke eine Akte nach ihm, doch er hatte die Tür schnell genug zugeschlagen, so dass der Papierstapel dagegen prallte.
*
Nach Feierabend beschloss Anke kurzerhand, in den Stall zu fahren. Sie hoffte, Robert wieder zu sehen. Seit sie den gutaussehenden Mann kennengelernt hatte, wollte er nicht mehr aus ihrem Kopf. Schon lange hatte sie dieses Gefühl nicht mehr gekannt, das Kribbeln im Bauch, als seien dort tausend Schmetterlinge zum Leben erwacht.
Als sie auf den Stall zuging, hörte sie Stimmen. Mit jedem Schritt, den sie näher an das Gebäude herantrat, wurden die Stimmen lauter. Neugierig schlich Anke sich die letzten Meter heran, damit sie etwas verstehen konnte.
»Ich weiß zufällig, wie es in Altenheimen zugeht. Du brauchst nicht zu glauben, du könntest mich für dumm verkaufen. Die Alte hat dir das Erbe versprochen und ein paar Tage später ist sie tot. Das ist kein Zufall, und ich werde dir das beweisen«, schrie gerade Peter Biehler. Unüberhörbarer Hass schwang in seiner Stimme mit, der Anke frösteln ließ.
»Ich weiß nicht, was dich das angeht, aber wenn du dir die Finger verbrennen willst, bitte schön.« Anke erschrak, denn die andere Stimme gehörte eindeutig zu Robert.
»Wer sich hier die Finger verbrennt, werden wir ja noch sehen«, konterte Biehler.
»Weißt du, was mir an der Sache am meisten Spaß macht: Du kommst um vor Neid. Dir ist dein Geld schon lange hoch zu Kopfe gestiegen. Noch nie in deinem Leben hast du einen Gedanken daran verschwenden müssen, wie wichtig es ist, die eigene Existenz zu sichern, weil dir alles in den Schoß gefallen ist«, ließ Robert sich nicht aus dem Konzept bringen.
»Mein Geld steht mir zu, das geht dich nichts an«, stellte Biehler klar.
»Du bist vom Geld so verdorben, dass du unfähig bist, anderen etwas zu gönnen«, überging Robert einfach Biehlers Kommentar.
»Ich werde dafür sorgen, dass jeder erfährt, wie du zu deinem Geld gekommen bist – nämlich über den Tod deiner Tante«, wurde Biehler immer lauter.
»Wie denn? Du bist Verkehrspolizist und hast gar keine Befugnisse, außerhalb deiner verantwortlichen Zuständigkeit zu recherchieren, wo es nichts zu recherchieren gibt.«
Anke sah, wie die beiden mit verzerrten Gesichtern sich dicht gegenüberstanden. Bei dieser Szene fiel ihr wieder ein, wie gehässig und öffentlich Peter ihn am Vortag noch »Erbschleicher« genannt hatte. Nun begann sie zu verstehen, was er damit gemeint hatte. Aber warum wollte er das Erbe anfechten? War es nur Neid oder steckte mehr dahinter?
Nachdenklich verließ Anke diese Ecke der Stallgasse wieder, wo sie fast von Peters Frau Sybille, die einen großen Fuchswallach neben sich herführte, überrannt wurde.
»Kannst du dich nicht ankündigen, bevor du die Leute umrennst?«, schimpfte Anke, doch Sybille würdigte sie nicht eines Blickes.
Kopfschüttelnd ging Anke hinaus in den sonnigen Hof.
»Anke, wie schön, dich heute hier zu sehen«, kam Robert auf sie zu. Mit seinen himmelblauen Augen strahlte er sie an, dass Anke sofort ihre Zweifel in weite Ferne schob. Welch eine Ausstrahlung er doch hatte, staunte sie. Er trug Reithosen, die seine sportliche Figur betonten, und ein blaues Hemd, das sein ebenmäßiges Gesicht noch freundlicher wirken ließ. Er weiß sich zu kleiden, dachte Anke und kam sich neben ihm so gewöhnlich vor. Wie immer trug sie eine verwaschene Jeans und ein weites T-Shirt. Vielleicht sollte sie an ihrer Garderobe etwas ändern.
Biehler kam mit seinem Fuchswallach aus dem Stall, von dem Anke vor wenigen Minuten fast umgerannt worden wäre. Er stieg auf das große Pferd auf und ritt auf den Außenplatz, der voller Hindernisse stand.
»Ich gestehe dir, dass ich eben etwas von eurem Gespräch mitbekommen habe«, meinte Anke, während sie nach draußen blickte.
»Das möchte ich dir erklären.«
Verwundert über die Ernsthaftigkeit, mit der Robert plötzlich sprach, schaute Anke ihn an.
»Es ist ganz einfach: ich habe viel Geld von meiner Tante Katharina geerbt. Sie war Patientin in dem Altenheim, in dem ich als Altenpfleger arbeite. Sie hat