Kullmann jagt einen Polizistenmörder. Elke Schwab

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Название Kullmann jagt einen Polizistenmörder
Автор произведения Elke Schwab
Жанр Языкознание
Серия Kullmann-Reihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750237216



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dass nur er die Beförderung verdient hatte. Jetzt hatte er die große Chance. Mit dem Ergebnis der Fingerabdrücke wollte er allein die Ernte einfahren. Mit dieser Trumpfkarte musste Kullmann ihm die Türen für seine Beförderung öffnen. Dann wäre er nicht mehr fünftes Rad am Wagen, niemand würde ihn mehr unterschätzen. Und der aufkommende Neid seiner abgehängten Konkurrenten wäre ihm Beweis für seine Tüchtigkeit und seinen Triumph.

      Nach den letzten Häusern mündete der Rotenbühler Weg in eine asphaltierte Straße, die durch ein Waldstück führte, das er wie seine Westentasche kannte. Diese Strecke war für den Durchgangsverkehr nicht erlaubt. Aber Nimmsgern kannte den Förster des Stadtwaldes am Schwarzenberg und hatte sich mit ihm geeinigt, weil er auf die Abkürzung zu seinem Wohnhaus in Dudweiler nicht gerne verzichten wollte. Als er dort einbog, begann sein Auto plötzlich zu stottern. Tuckernd fuhr er noch einige Meter, bis der Motor völlig erstarb und das Auto liegen blieb. Verärgert versuchte er, neu zu starten, aber der Motor wollte nicht mehr anspringen. Nimmsgern schaute sich um und musste widerstrebend feststellen, dass alles stockdunkel um ihn herum war. Er befand sich ganz tief im Wald – weit und breit keine Zivilisation.

      Nach einigem Zögern steckte er seine SigSauer 9mm in die Jackentasche, man konnte ja nie wissen. Den Bericht der Spurensicherung steckte er in die andere Tasche. Er stieg aus und schob seinen Wagen an den Seitenrand.

      Es war so dunkel, dass er die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Langsam setzte er sich in Bewegung, wobei er auf seine Schritte achten musste, denn der Straßenrand war schadhaft und unbefestigt. Manchmal geriet er mit seiner Leibesfülle ins Stolpern, konnte sich aber fangen.

      Vielleicht gehörte diese letzte Anstrengung mit zu diesem Tag, als Spiegel seiner vergangenen Mühen, die er ganz alleine und gegen die schwierigsten Hindernisse bewältigt hatte. Er glaubte das Knistern des Papiers zu hören, das unter seiner Jacke gut verwahrt war. Das ermunterte ihn, gegen seine Müdigkeit anzugehen, diese dümmliche Panne zu meistern. Das Papier war das Sprungbrett für seinen bevorstehenden Erfolg.

      Plötzlich hörte er ein Knacken hinter sich. Erschrocken drehte sich Nimmsgern um, konnte aber nichts erkennen.

      »Ist da jemand?«, rief er.

      Statt einer Antwort hörte er wieder das Knacken von Ästen. Rehe konnten das keine sein. Das Knacken war so laut, dass es ein schwerer Körper sein musste, der auf die Äste trat. Es blieb ihm keine Zeit, darüber nachzudenken. Wenn er hier mitten im Dunklen verharrte, gäbe er ein leichtes Opfer ab. Durch diese Erkenntnis angespornt, beeilte Nimmsgern sich, dort wegzukommen. Zum ersten Mal in seinem Leben spürte er, dass ihm sein Übergewicht zum Nachteil werden konnte. Es ging verdammt schnell, schon bekam er keine Luft mehr. Aber er wollte sein Tempo nicht verringern. Seine Beine packten ihn nicht mehr und er begann ständig zu stolpern. Sein Kopf dröhnte, trotzdem hörte er in aller Deutlichkeit, dass das Knacken der Äste ihm im gleichen Abstand folgte. Sein Verfolger hatte mit ihm ein leichtes Spiel.

      Endlich gelangte er an eine Lichtung. Der Mond kam hinter den Wolken hervor. Nimmsgern konnte etwas sehen. Er zog seine SigSauer aus der Jackentasche, hielt sie mit beiden Händen fest, nach Vorschrift ganz dicht am Körper, jederzeit zum Einsatz bereit. Hastig drehte er sich um und zielte. Aber das Einzige, was er sah, war ein Schatten, der in einem Dickicht verschwand.

      »Polizei! Bleiben Sie stehen, oder ich schieße.«

      Hinter dem Dickicht bewegte sich nichts mehr. So verzweifelt Nimmsgern auch versuchte, dort etwas zu erkennen, fand er nichts. Angestrengt starrte er weiter in die Richtung, wo er den Schatten gesehen hatte. Vergebens. Nichts zu hören, nichts zu erkennen. Sein Kopf bewegte sich ruckartig hin und her, um das Blickfeld zu weiten. Seine Augen blieben endlich an einem dicken Baumstamm hängen. Bewegte der sich nicht, wölbte der sich nicht zur Seite, mal links, mal rechts? Der Stamm schien sich schattenhaft zu verformen.

      »Legen Sie die Hände hinter den Kopf und kommen Sie langsam hinter dem Baum hervor.«

      Nichts bewirkte diese Aufforderung. Nimmsgern wollte soeben seinen Befehl wiederholen, da löste sich der Schatten von dem Baumstamm und verschwand in ein tiefschwarzes Dickicht. Nimmsgern konnte unmöglich von seiner Waffe Gebrauch machen. Niemand bedrängte ihn unmittelbar, dass er sich auf Notwehr berufen könnte. Er jagte möglicherweise einem Phantom hinterher.

      Als wenn sein unsichtbarer Gegner seine Gedanken lesen könnte, vernahm Nimmsgern von weitem ein leises Kichern.

      Gänsehaut kroch ihm über den Nacken. Mit wem hatte er es zu tun? Die Liste seiner Verwandten und Bekannten raste blitzschnell an ihm vorbei. Gab es einen Streit, der Rache forderte, ein Kriegsbeil, das ausgegraben werden musste? Niemand fiel ihm ein, der ihm Böses antun wollte. Und diejenigen, die nicht sehr glücklich über seine Ergebnisse sein würden, konnten unmöglich Wind von seinen Recherchen bekommen haben. Bald würde eine Bombe einschlagen. Dann würden die Karten neu gemischt. Er würde sich ein unvergessliches Denkmal setzen können. Also, wer blieb da noch?

      Sabotage, schoss es ihm durch den Kopf. Aber das war doch unmöglich. Wie hätte jemand sein Auto so manipulieren können, dass es ausgerechnet an dieser Stelle stehen blieb?

      Angestrengt versuchte Nimmsgern eine Bewegung hinter der Dornenhecke auszumachen, aber wieder nichts. Sein Verfolger trieb ein makaberes Spiel mit ihm und war ihm haushoch überlegen.

      Plötzlich erblickte er eine Gestalt, die sich blitzschnell in Bewegung setzte. Ein mühsam herausgepresstes »Halt! Stehen bleiben!«, konnte den anderen nicht aufhalten. Er holzte durch das Gestrüpp, wobei er gelegentlich tierische Schreie ausstieß. Nimmsgern wagte kaum, zu atmen. Staunend lauschte er dem Treiben hinterher, bis es abebbte. Die alte Stille umfing ihn wieder wie eine klamme Rüstung. Sollte das das Ende des Spuks sein? Erleichterung überkam ihn. Er sog tiefer die kalte Luft ein, wie um verlorene Kraft aufzutanken.

      Nach einer Weile setzte er seinen Weg fort. Erleichtert steckte er seine Waffe in seine Jackentasche zurück.

      Aber es dauerte nicht lange, da tauchte im Schein einer Straßenlaterne ein Mann vor ihm auf. Nimmsgern zuckte zusammen, weil er sich schon in Sicherheit geglaubt hatte. Als er das Lachen des Mannes hörte, erkannte er ihn. Wütend über die Frechheit dieses Kerls, ihn in der Stunde größter Lebensgefahr auch noch auszulachen, schimpfte er: »Was tust du hier? Willst du dich an meinen Angstzuständen weiden?«

      Sein Gegenüber lachte einfach weiter.

      »Um mir zu helfen, bist du doch bestimmt nicht hier.«

      Der andere lachte leise weiter, kaum hörbar, trat ohne Hast auf ihn zu und tat etwas völlig Unvorhergesehenes. Plötzlich, ohne dass Nimmsgern verstand, wie das überhaupt möglich war, schaute er in den Lauf seiner eigenen Waffe.

      Kapitel 1

      Wie oft hatte Anke schon die Akte studiert? Der zündende Gedanke wollte einfach nicht kommen, wie es bei Arthur Conan Doyles Hauptfigur Sherlock Holmes immer im entscheidenden Moment funktionierte. Seit neun Monaten wurde inzwischen der Todesfall Luise Spengler in ihrer Abteilung bearbeitet, und sie waren noch keinen Schritt weitergekommen. Im August des vergangenen Jahres war Luise aus dem Fenster ihres Schlafzimmers in den Tod gestürzt. Selbstmord kam nicht in Frage, weiter waren sie mit ihren Ermittlungen nicht gekommen. Aber wie sollten sie noch nach so langer Zeit zweifelsfrei feststellen können, dass Mord vorlag und kein tragischer Unfall? Ihr Vorgesetzter, Norbert Kullmann, war von dem Gedanken geradezu besessen, dass Luise Spengler aus dem Fenster gestoßen worden war. Und seine Hartnäckigkeit hatte sie kennengelernt. Dagegen war kein Kraut gewachsen. Also musste sie darauf hoffen, auf Indizien zu stoßen, da es nach so langer Zeit wohl kaum noch Beweise gab.

      Seufzend erhob sie sich, stellte sich ans Fenster, das zur Straße lag, und beobachtete die Menschen, die geschäftig dort vorbeieilten. Der Frühling zeigte sich von seiner schönsten Seite; die Sonne schien, die Temperaturen waren herrlich angenehm. Bei dem Anblick der Menschen, die ausgelassen und gut gelaunt durch die Straße gingen, bekam Anke das trügerische Gefühl, alles sei unbeschwert und heiter. Aber wenn sie sich umdrehte und in die Büroräume schaute, insbesondere auf die Arbeit, die auf ihrem Schreibtisch lag, beschlich sie das Gefühl, dass der Schein trog.

      Vor