DIE ANKUNFT. Michael Wächter

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Название DIE ANKUNFT
Автор произведения Michael Wächter
Жанр Языкознание
Серия Die Raumsiedler von Puntirjan
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742734617



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Urozeane verdampften. Der Planet wurde komplett von Lava bedeckt. Die Gashülle enthält in Folge dessen nun über 95% Kohlendioxid. Ein gewaltiger Überdruck! Ungeheure Temperaturen! Wolken aus konzentrierter Schwefelsäure hängen am Himmel. Die Oberfläche ist so heiß, dass dort Seen von flüssigem Blei vorhanden sein könnten – hätte das Blei mit den Schwefel- und Sauerstoffverbindungen nicht zu Bleisulfat reagiert.“

      „Da landen wir garantiert nicht!“, scherzte Bibos.

      „Und dort im Orbit sitzen unsere Lichtkollektoren und Laserübertragungsstationen?“, fragte Casnochmal.

      „Ja.“, bestätigte Oort. „Drei Übertragungsstationen stehen für die Energieversorgung ihrer Altakolia I zur Verfügung, fünf hat General Fazzuwär auf die Altakolia VII richten lassen, sieben auf die Roboterschiffe im Planetoidengürtel, ...“

      „Danke, Leutnant!“, unterbrach ihn Jenis. „Was ist nun mit Sariah und seinem Mond?“

      Jenis sah zu Tüngör herüber.

      Tüngör berichtete. „Auch der Mond Sariahs zeigt Spuren des großen Bombardements. Er ist über und über mit Kratern bedeckt – aber, was uns am meisten überraschte, er weist überhaupt keinen Kern auf. Er ist aus dem gleichen Material wie der Planet, den er umrundet. Das kann nur eines bedeuten: Sariah ist früher ebenfalls mit einem Protoplaneten kollidiert. Der Treffer hatte einen so flachen Winkel, dass er einen Großteil der Kruste Sariahs in eine Planetenumlaufbahn geschleudert hat. Hieraus hat sich der Mond gebildet. Gewissermaßen umkreist nun ein Teil der Sariah-Kruste seinen Mutter-Planeten. Sariah selbst hat durch einschlagende Kometen und Asteroiden sein Wasser erhalten. Und organisches Material. Weil er in der bewohnbaren Zone liegt, wurde er zur Brutstätte für pflanzliches Leben und hat durch Photosynthese eine Sauerstoffatmosphäre aufgebaut.“

      „Wir brennen darauf, erste sariahnische Boden- und Wasserproben von den Sonden zu erhalten“, rief Ma-Ting Coqey begeistert.

      „Nicht nur ihr“, schmunzelte Jenis über ihre Begeisterung, und er berichtete über Pläne seines Teams. Denn auch die Astronavigatoren und Raumstationsbau-Strategen waren begeistert: Die Sonden hatten den Bau und zum Teil schon die baldige Fertigstellung weiterer Raumkolonien gemeldet – auf der Rückseite des Mondes von Sariah, auf mehreren Planetoiden, dem roten Planeten und einigen Eismonden der Gasriesen.

      Daniel meldete sich.

      „Da ist auch der größte Mond im Altakolsystem - viel Wassereis und ein eigenes Magnetfeld, fast wie die Planeten! Wäre der nicht auch ein weiterer optimaler Zielort für ein planetares Habitat oder einen Militärstützpunkt?“

      Sofort wurden Baupläne diskutiert und Prioritäten gesetzt. Vier Eismondozeane standen zur Verfügung. Raumbasen ließen sich auf unzählige Planetoiden konstruieren, und dem roten Planeten. Sariah aber war und blieb der erhoffte Zwilling Puntirjans: Eine friedliche, zivilisierte Welt, umkreist von einem großen Mond. Ein neues Zuhause.

       Leonid Alexejewitsch Kulik war ein echter Russe. Er kannte die Kälte. Er hatte sie im russisch-japanischen Krieg kennengelernt – auch die volle Härte der Gewalt. Endlich war sein Dienst in der russischen Armee beendet. Er wollte Abstand gewinnen von all den Kriegserlebnissen, und er wollte den Abstand radikal. Er hatte sogar schon einmal daran gedacht, sich den Revolutionären anzuschließen, von deren Aktivitäten er über ehemalige Studienkollegen gehört hatte. Aber er scheute davor zurück. So wurde er Ausbilder für Mineralogie in Tomsk.

       Vladimir Komarow, sein Gönner und ehemals Generalinspekteur, war inzwischen frühpensioniert und nebenbei zum Fellhändler geworden. Er bereiste Sibirien mit der Transsibirischen Eisenbahn, kaufte als wohlhabender Pensionär Felle der Jäger und Nomaden auf und verkaufte sie in Moskau an die feinere Gesellschaft. Eigentlich wollte er in jenem Jahr 1908 sein Handelshaus in Moskau errichten, doch dann trat er doch noch seine Handelsreise an in die sibirische Taiga an, um sein Lager aufzufüllen.

       Vladimir machte sich also auf den Weg in die Taiga. Oleg Okalakulak, sein Handelspartner im Gouvernement Jenissejsk hatte ihm geschrieben, er habe einige Hundert Felle von den nomadischen Jägern der Ewenken erworben – eine Riesenchance!

       Es war der 30. Juni des Jahres 1908. Schleppend langsam näherte sich der Zug der Podkamennaja Tunguska im Siedlungsgebiet der Ewenken im Gouvernement Jenissejsk. Noch etwa fünfhundert Kilometer, und er würde die Station erreichen, die Handelssiedlung Wanawara, an der Oleg ihn in Empfang nehmen würde – wie immer mit frisch gebranntem Wodka.

       Vladimir hatte sich gerade vom Schlafwagen in den Speisewagen begeben. Müde sah er in den Morgenhimmel. Plötzlich blendete ihn ein heller Feuerschein über den Wipfeln der Bäume. Er erfasste den gesamten Himmel, hell wie ein Blitzlicht. Die Transsibirische Eisenbahn schien aus den Gleisen geschüttelt zu werden. Eine Druckwelle raste über die Baumwipfel. Vladimir hörte mehrere Male ein lautes Donnergrollen. Bäume knickten um. Der Zug vollführte eine Notbremsung.

      „Was war das?“, fragte Vladimir.

      „Ich weiß es nicht? Ein Donner? Eine Bombe?“ sagte ein älterer Mann gegenüber, als er sich vom Boden erhob.

       Neben ihm erhob sich ein altes Bäuerchen.

      „Gott zürnt unserem Volk!“, sagte er, „Wir sollten den Zaren als Herrscher von Gottes Gnaden akzeptieren!“

      „Schweig still, Pavel!“, herrschte ihn eine Frau neben ihm an – oder war es seine Tochter? „Siehst Du nicht? Der feine Herr hat den Eisenbahnschaffner eine Frage gestellt – nicht dir!“

       Der Schaffner der transsibirischen Eisenbahn stierte ratlos ins Leere. Es war unklar, ob er bei der Notbremsung auf den Kopf gefallen war oder ob es der Wodka war, den er vor der Notbremsung zu sich genommen hatte. Er starrte kreidebleich aus dem Fenster, in die Weiten der Taiga.

      „Heiliger Johannes Chrysostomos! So etwas habe ich noch nie gesehen!“, murmelte er plötzlich in seinen Bart. Dann rappelte er sich auf, verließ das Abteil und kämpfte sich zur Lokomotive durch. Er wollte den Lokomotivführer fragen, ob er die Notbremse lösen und den Zug wieder in Gang bringen könnte.

       Eine Viertelstunde später fuhren sie wieder, und als sie an Wanawara ankamen, staunten sie nicht schlecht. Dutzende Fenster und Türen waren eingedrückt, Bäume umgeknickt, und alle Reisenden der transsibirischen Eisenbahn hatten den Feuerschein bemerkt, das Donnergeräusch und die Druckwelle – egal aus welcher Himmelsrichtung sie herbeigereist waren, selbst in einer Entfernung von über 500 Kilometern. Überall in der Tunguska. Später hieß es, in einem Gebiet von über 2000 km² seien rund 60 Millionen Bäume umgeworfen worden. In dem ukrainischen Dorf Kargalyk in der Umgebung von Kiew, so hörte Vladimir später, sei zwar ein Meteoritenfall beobachtet worden – doch das in der Tunguska konnte kein Meteorit gewesen sein. Und auch ein Vulkankrater in der Tunguska wurde niemals entdeckt.

       Auch in den Anden ging an diesem Tag ein Meteorit nieder. Einige Eingeborene sahen ihn vom Himmel fallen. Es war ein Bruchstück, das sich vom Kometen abgetrennt hatte. Es war nicht in der Tunguska niedergegangen – es war Richtung Südamerika getorkelt. Es enthielt einen kleinen, außerirdischen Sender. Er überstand die harte Landung. Er aktivierte sich noch kurz, gab ein Funksignal ab und ging dann auf stand-by-Betrieb. Seine Zeit war noch nicht gekommen.

      Kapitel 5

      „Finden sie das komisch, Kapitän?“

      General Fazzuwärs Augen glühten. Er sah Kapitän Jenis scharf an. Der General plusterte sich auf und gab ein verwundertes Krächzen von sich. Jenis blieb kühl.

      „Ich wollte damit nur sagen, General, dass mich ihr Besuch auf der Altakolia I überrascht. Natürlich sind sie willkommen!“

      General Fazzuwär beruhigte sich. Er hatte der Altakolia I einen Freundschaftsbesuch abgestattet. Spontan, wie er sagte. Nun war er hier. Die Strecke von der Altakolia VII zum Flaggschiff von