DIE ANKUNFT. Michael Wächter

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Название DIE ANKUNFT
Автор произведения Michael Wächter
Жанр Языкознание
Серия Die Raumsiedler von Puntirjan
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742734617



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von der Reichspost anerkannt und später unter Sammlern berühmt – bei einer Auktion in Zürich 2002 kamen sie auf über 5000 Schweizer Franken).

       Als der aufgezogene Sturm wieder abgezogen war blickte Ernst von der Vineta aus Richtung Küste. Irgendwie war ihm, als hätte er im Fernglas etwas Schwarzes herabschweben gesehen, viereckig und mit vier Beinen. Es konnte kein Vogel sein, es war wesentlich größer. Es schien an einem Tuch zu hängen, oder einem Fallschirm.

      „Ob ein Zeppelin einen Tauchkörper für Torpedo-Versuche abgeworfen hat?“, fragte er sich. Er blickte hoch. Er suchte den Himmel ab, sah aber nichts. Und es gab auch keinen Zeppelin. Zwischen den vier Beinen des seltsamen Teils erschien ein blaues Leuchten, flackernd wie eine Flamme. Ernst Köller kannte so etwas nicht. Er war unsicher und rieb sich die Augen. Dann reinigte er sein Fernglas und die seltsame Erscheinung war weg.

       Der Offizier, der ihm das Fernglas geliehen hatte, beobachtete ihn. Er sah ihn in den Himmel stieren.

      „Na, Hans-Guck-in-die-Luft? Was machst du da?“

       Ernst zuckte zusammen. Er gab er ihm schüchtern das Fernglas zurück, schwieg über den Vorfall und maß ihm auch keine weitere Bedeutung mehr bei. Die SMS Vineta beendete ihre Pause, das Manöver ging weiter.

       Zwei Kilometer weiter, im Schlick, stand das fremde Objekt, das der Schiffsjunge gesehen hatte. Das Landegerät des Altakol-Spähers 34 fuhr seine Antenne aus, um den Vollzug der Landung zu melden. Daraufhin empfing es Funksignale. Sie kamen vom Altakol-Späher im Orbit des Planeten. Aber sie wurden gestört. Auch am Landeplatz auf der Erde gab es Radiowellen – elektromagnetische Wellen im Radiofrequenzbereich. Und die künstliche Intelligenz des Altakol-Spähers erkannte, dass sie künstlichen Ursprungs waren. Die Sonde speicherte es ab und gab es mit den Radiosignalen weiter an die Raumsiedler ins All. Die Daten erreichten die Altakolia-Flotte und gingen weiter zurück an das Lichtjahre entfernte Heimatsystem. Die Sensation würde in ein paar Jahren die alte Debatte dort anheizen, wie die fremde, bewohnte Welt um Altakol besiedelt werden könnte – in partnerschaftlich-demokratischer Vereinigung mit den Einwohnern, wie es die I.P.O. propagierte, oder durch Akte imperialer Okkupation und Assimilation, wie es einst der Kaiser von Sarkar im Sinn hatte.

       So oder so, die erste außerirdische Raumsonden jedenfalls waren auf der Erde gelandet und hatte erstmals Funksignale ihrer Bewohner empfangen.

      Die beiden Kommandanten der Reise-Welten und ihre Raummechatroniker-Teams hatten viel zu tun. Die Vorbereitungen für die letzte Abbremsphase standen an, die Vorbereitungen zum sanften Zünden weiterer Ionentriebwerke zwecks Abbremsung. Die Schub- und Energieversorgung durch die Laser- und Mikrowellen-Übertragungsstationen von Puntirjan aus war versiegt. Die Lichtkollektoren und Laserstationen im Orbit des zweiten Planeten Altakols hatten eingesetzt, das aufgefangene Licht des Fixsternes zu bündeln und der Altakolia-Flotte entgegenzuschicken. Die ISR-II-Einheiten, die Roboterschiffen und KI-bestückten Mikro-Raumsondenschwärme, die der Altakolia-Flotte vorausgejagt waren, hatten sie zur Energieübertragung installiert, und der ständige Lichtdruck bewirkte ein stetiges Abbremsen der Flotte.

      Auch auf Tüngörs Empfangsstation war alles vorzubereiten, um die weiteren, lebenswichtigen Signale der Vorboten im Zielsystem erfassen zu können. Jenis besuchte Tüngör täglich. Er bekam mit, dass Tüngör und seine Leute bei aller Geschäftigkeit ungeduldig waren. Sie träumten von der Landung auf Sariah, vom Leben auf einem Planeten. Sie waren das Leben im Wohnzylinder leid. Sicher, die Cosmocity-Wohnzylinder waren ganze Reise-Welten, kilometergroß wie Städte mitsamt ihrer Vororte. Sie rotierten und hatten künstliche Schwerkraft. Sie hatten Luft, künstlichen Regen, ganze Raumsiedler-Ökosysteme voller Tiere, Pflanzen und Agrareinheiten. Aber sie waren isolierte, begrenzte Lebensräume, umgeben von der toten Leere des Alls. Das Team wollte endlich und möglichst bald neue Lebensräume besiedeln können. Lebensräume von planetarer Größe.

      Jenis und Tüngör setzten ein Mannschaftstreffen an. Es wurde diskutiert.

      Gras wächst nicht schneller wenn man daran zieht, dachte Jenis. Er wies die Crew auf die Schönheit des Wohnens in den gigantischen Wohnzylindern hin. „Es geht nicht schneller. Außerdem hatten wir auf dem Flug schon über 12% der Lichtgeschwindigkeit erreicht – noch niemals hatten Puntirjaner das geschafft!“, warf er ein, als er ein Maulen hörte. Doch die Ungeduld blieb.

      „Wir wollen endlich ans Ziel“, drängte ein Mannschaftssprecher.

      Da flüsterte Jenis Tüngör etwas zu.

      Tüngör war begeistert. Er antwortete wie ein Raummechatroniker: „Stimmt: Nur wer selber brennt, kann andere anfeuern!“.

      „Ja, gehen wir es an!“, erwiderte Jenis und wandte sich an die Crew.

      „Also: Wir feiern unsere baldige Ankunft mit einem großen Fest! Wir sind zwar noch inmitten der kosmischen Leere, doch wir sind dem Ziel schon wesentlich näher – ein Grund zum Feriern!“

      Tüngör dachte an General Fazzuwär. Der trieb seine Crew an mit Drill und Druck. Mit Angst vor Strafe. Welch ein Dummkopf!

      „Also, ich finde, ihr habt ein Fest verdient!“, ereiferte sich Jenis.

      „Er hat recht“, dachte Tüngör. „Engagierte Mitarbeiter muss man nicht motivieren – man muss sich davor hüten, sie zu demotivieren. Und eine Mannschaft von Raumfahrern kann man auf Dauer nicht mit Angst motivieren, sondern mit Zielen und persönlicher Anerkennung.“.

      Tüngör ergriff das Wort und übersetzte seine Gedanken in die Sprache der Raummechatroniker:

      „Ja, Motivation ist der Zündschlüssel zum Erfolg, und Leidenschaft der beste Treibstoff!“, antwortete er.

      „Genau! Feiern wir, dass wir uns weiter treiben lassen können zum Ziel! Unser Ziel ist eine ganz neue Welt!“

      Der Bordrat stimmte zu. Schon bald war ein Buffet angerichtet. Flugechsen, Ravrokylen und Tringo-Früchte aus dem Versorgungsdepot, und dazu sogar eine Runde Krøg-Punsch an die Besatzung. Es wurde ein einen Unterhaltungsfilm über die große Holo-Videowand im Speise- und Versammlungsraum gezeigt, aber schon am Abend hatte sich die alte, wortkarge Stimmung wieder eingeschlichen. Tüngör hatte den Nachmittag am Tisch mit Jens und Ma-Ting Coqey verbracht, seiner Gefährtin. Sie machte sich als Schiffsversorgungsoffizier SVO Sorgen: Die Nahrungsmittelproduktion der Altakolia I lief zwar gut, aber der letzte Rest der vor dreißig Annus eingelagerten heimischen Lebensmittelkonserven und Getränke ging zur Neige. Es gab Begehrlichkeiten in Bezug auf diese speziellen Feinkost-Rationen in den Depots und Tiefkühlkammern, trotz des heutigen Festbüffets.

      Tüngör flog an diesem Abend mit Jenis und seiner Gefährtin nachdenklich heim. Tüngör fand seine Frau Scharla schon schlafend vor, und auch Tochter Jauke schlief in ihrer Kabine.

      Tüngör hockte sich neben Scharla und versuchte zu schlafen. Doch zuviel ging ihm durch den Kopf. Diese letzten Reste originalverpackter, puntirjanischer Gewürze. Sie konnten auf der Altakolia nicht produziert werden. All diese nicht nachwachsenden Spezialitäten waren nun fast aufgebraucht. Und Reserven davon im Depot aufzufüllen, das ging natürlich erst in ein paar Annus, bei der Ankunft an den vorab im Altakolsystem eingerichteten Orbital-Depots. Das musste zu einem Engpass an Bord führen – kein lebensbedrohlicher Zustand, aber ein zu knappes Angebot. Das hatte natürlich eine Steigerung der Nachfrage zur Folge, möglicherweise ins Unermessliche – nicht nur einen Boom, sondern eine Gier. Diese Begehrlichkeiten könnten sogar den sozialen Frieden an Bord stören, da hatte Jenis Recht. Und im Zentrum dieser Begehrlichkeiten stand Güngör, sein großer, alter Stiefbruder. Er war Versorgungsdepot-Offizier, der VDO. Und er war genussfreudig, korpulent und trank gerne einen über den Durst. Tüngör sorgte sich, dass Gugay zur Zielscheibe von Kritik und Misstrauen werden könnte. Er nahm sich vor, morgen mit ihm über seinen Job als Versorgungsdepotoffizier zu reden, noch bevor SVO Ma-Ting Coqey es aus dienstlichen Gründen tun musste.

      Dann döste er ein. Er träumte. Er schwebte durch die heimischen Regenwälder auf Puntirjan. Er sah Gugay, wie er unter einem Tringo-Baum saß und von einer der Früchte kostete. Einer magischen Frucht. Plötzlich verwandelte