Название | Die deutschen Auswanderer |
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Автор произведения | Jakob |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754184851 |
Alle Ausländer, die in den Grenzstädten ankamen, hatten die Möglichkeit, kostenfrei an die Siedlungsorte weiterzureisen, wobei ihnen Geld für Nahrungsmittel, Fuhren und sonstige Fortbewegungsmittel zur Verfügung gestellt wurde. An den kompakten Siedlungsorten der Übersiedler wurden ihnen interne Selbstverwaltung und Rechtsprechung, die Veranstaltung eigener Gottesdienste und die Organisation von Märkten und Jahrmärkten gestattet, „ohne an Unsere Cassa die geringsten Abgaben oder Zoll zu erlegen“.
Eines der wichtigsten Stimuli für die Übersiedlung nach Russland stellte die dauerhafte Befreiung der Übersiedler vom Kriegsdienst und jeder sonstigen Form ziviler Dienste unter Ausnahme des Landdienstes dar, welcher nach Ablauf der privilegierten Jahre geleistet werden musste. Dieser Punkt des Manifests war von besonderer Bedeutung für die Mennoniten, deren Religion den Kriegsdienst und das Halten einer Waffe untersagte. Wer jedoch freiwillig Kriegsdienst leisten wollte, dem wurden 30 Rubel als zusätzliches Honorar ausbezahlt.
Ausländern, die Werke und Fabriken erbauten und Waren herstellen ließen, die in Russland zuvor nicht existierten, wurde das Recht eingeräumt, diese zehn Jahre lang ohne „Erlegung irgend einigen inländischen See- oder Gränze-Zolles frey zu verkaufen“.
Es wurde verkündet, dass nicht nur die angekommenen Ausländer selbst, sondern auch ihre bereits in Russland geborenen Kinder und Nachkommen die gewährten Privilegien und Vergünstigungen in Anspruch nehmen dürfen. Nach Ablauf der privilegierten Jahre, die vom Einreisezeitpunkt der Vorfahren an gezählt wurden, waren alle in Russland ansässigen Ausländer „gleich Unsern anderen Unterthanen“ zur Zahlung gewöhnlicher Abgaben und zur Leistung des Landdienstes verpflichtet.
Das Manifest garantierte allen Übersiedlern, die die russische Staatsangehörigkeit angenommen und von einem bis zu fünf Jahren im Land gelebt hatten, das Recht auf freie Ausreise unter der Bedingung, dass sie den fünften Teil ihres erwirtschafteten Vermögens an die Staatskasse zu entrichten hatten, während diejenigen, die von fünf bis zehn Jahren im Land gelebt hatten, den zehnten Teil ihres erwirtschafteten Vermögens entrichten mussten. Danach war es „jedem erlaubt ungehindert zu reisen, wohin es ihm gefällt“.
Ein Register mit der Beschreibung freier und für die Übersiedlung geeigneter Ländereien in den Gouvernements Tobolsk, Astrachan, Orenburg und Belgorod bildete den Abschluss des Manifests.
Das Manifest des Jahres 1763 wurde zu einem epochalen Ereignis und war in vielerlei Hinsicht für den Erfolg und Charakter der gesamten russischen Kolonisationspolitik maßgeblich, welche ein ganzes Jahrhundert lang dauerte. Dennoch wurden nicht alle Bedingungen des Manifests erfüllt. Es fing damit an, dass nahezu alle Kolonisten der Anfangszeit trotz der zugesicherten freien Fortbewegung und freien Wahl des Siedlungsortes gezwungen waren, sich ins Wolgagebiet aufzumachen und sich dort niederzulassen. Dort sahen sie sich mit der Aufgabe konfrontiert, neue Landstriche zu erschließen und auf unbewohntem Terrain landwirtschaftliche Kolonien aufzubauen. Wie bereits zuvor erwähnt, waren jedoch nicht alle Übersiedler Bauern, und sie hatten damit gerechnet, wie versprochen einen Beruf in ihrem Fachgebiet ausüben zu können.
Die Anzahl der Kolonien, das Verfahren bei der Ansiedlung der Kolonisten und die jeweilige Größe ihrer individuellen Grundstücke waren im Kolonialgesetz verankert, das am 19. März 1764 als Anlage zum Manifest herausgegeben wurde.5 Das Gesetz schrieb folgende Punkte vor: a) Zuteilung von Land für jeweils 1000 Familien, dessen Fläche einem Kreis mit einem Durchmesser von 60 bis 70 Werst entspricht* (ein Werst entspricht 1,067 Km); b) Gründung von jeweils 52 Kolonien am rechts- und linksseitigen Wolgaufer; c) Zuteilung von 30 Deßjatinen Land für jede Einzelfamilie. Dieses Land wurde ihr für immer als unantastbares und vererbbares Eigentum übergeben. Dabei blieb es jedoch Allgemeineigentum, das weder verkauft, geteilt noch verpachtet werden durfte. Von den jeder Familie zugeteilten 30 Deßjatinen entfielen 15 auf die Ackerfläche, fünf auf Wiesen- und Weideflächen, fünf auf den Hof und das angrenzende Grundstück und die restlichen fünf Deßjatinen waren Wälder.
Der Hof wurde dem jüngsten Sohn vererbt, falls dieser jedoch nicht geschäftsfähig war, fiel das Erbrecht an den zweitjüngsten Sohn oder einen anderen Verwandten. Das Familienoberhaupt war dazu verpflichtet, die übrigen Kinder, denen kein Hof vererbt wurde, in einem beliebigen Handwerk auszubilden. In den Kolonien wurde eine gemeinsame Selbstverwaltung eingerichtet, deren Gesetze und Anordnungen für jeden Kolonisten verpflichtend waren.
Die russische Regierung arbeitete aktiv daran, die Erlasse Katharinas II. umzusetzen, ihre Manifeste der Jahre 1762 und 1763 wurden in englischen, dänischen, schottischen und irischen Zeitungen und auch in Holland für französische und deutsche Zeitungen abgedruckt. Das erste Manifest wurde zudem auch in österreichischen und schwedischen Zeitungen gedruckt, und das zweite konnte sogar in Form einer separaten Beilage zu den deutschen Versandzeitungen in deutscher Sprache herausgegeben werden.6
Mit dem Anwerben deutscher Kolonisten wurde ein ganzer Apparat russischer Gesandter und Residenten betraut, die die Einladung der russischen Zarin an den zahlreichen großen und kleinen Höfen der deutschen Fürstentümer verteilten. In ganz Deutschland wurden spezielle Kommissare ernannt, deren Aufgabe im Anwerben deutscher Bürger und der Organisation ihres Transports an die Sammelpunkte lag. Für das Großprojekt, mit dem deutschen Kolonisten nach Russland gelockt werden sollten, standen umfangreiche finanzielle Fördergelder bereit. Dennoch entsprachen die Ergebnisse der Arbeit der russischen Regierungsvertreter gegen Ende des Jahres 1764 nicht den Erwartungen, die Zahl der angeworbenen Kolonisten lag weit unter den Planzahlen. Um die Sachlage erfreulicher zu gestalten, wurden weitere Maßnahmen ergriffen. Ab dem Jahr 1765 traf man den Entschluss, die Agitation und Überzeugungsarbeit der potenziellen Übersiedler nicht nur staatlichen Beamten zu überlassen, sondern auch Privatunternehmer damit zu betrauen. Die russische Regierung schloss Verträge mit den privaten Werbern, aus denen ein Interesse am Anwerben einer möglichst großen Anzahl von Kolonisten hervorging, da das Honorar und bestimmte Rechte auf die Zuteilung von Ländereien an ihrem Siedlungsort davon abhingen. Man ging davon aus, dass ausländische Werber großes Vertrauen bei potenziellen Auswanderern genießen, darum waren die Werber mehrheitlich Franzosen mit Namen wie Le Roh, Munni, Pictet, Baron Beauregard, Precour und De Boffe.
Der Vertrag zwischen der russischen Regierung und Baron Beauregard wird im bekannten Buch Pisarevskijs als Beispiel angeführt. Dies bietet uns heute die Möglichkeit, nicht nur das Honorar und die Vergünstigungen der privaten Werber detailliert unter die Lupe zu nehmen, sondern auch Einblick in wichtige Daten zu den durch das Anwerben und den darauffolgenden Transport eines Kolonisten anfallenden Ausgaben zu erhalten. Um seine Tätigkeit aufnehmen zu können, erhielt Baron Beauregard 15.000 Rubel, mit denen er 300 Kolonisten Familien anwerben sollte. Von den 50 Rubel, die auf eine Familie entfielen, waren 40 Rubel für Nahrungsmittel und sonstige Bedürfnisse während der Reise und zehn Rubel für die Transportkosten vom jeweiligen Wohnort nach Hamburg oder Lübeck geplant.
Überstiegen die tatsächlichen Ausgaben diese vertraglich vereinbarten Summen, so wurden die Zusatzausgaben von den Kolonisten selbst nach Abschluss der gesamten Übersiedlung erstattet. Die für den Seeweg der Kolonisten aus den Hafenstädten Hamburg oder Lübeck anfallenden Transportkosten wurden von Regierungskommissaren bezahlt, die sich in diesen Städten aufhielten, und von diesem Moment an übernahm die russische Regierung alle Ausgaben und die Verantwortung für den Transport der Kolonisten an die Siedlungsorte in Russland.
Um sein Unternehmen vor Ort ansiedeln zu können, erhielt der Baron vom Staat 4000 Rubel als zinsloses zehnjähriges Darlehen und jeweils 350 Rubel für 100 Übersiedlerfamilien, mit denen der Hausbau finanziert werden sollte. Dabei waren die Kosten für Baumaterialien nicht in dieser Summe inbegriffen – diese wurden komplett von der Regierung übernommen. Es bleibt anzumerken, dass dem Baron für dessen Tätigkeit keine festgelegte Summe direkt ausbezahlt wurde, und auch die Hoffnung, an den oben genannten Auszahlungen der Regierung für die Übersiedlung der Kolonisten etwas einzusparen, war eher gering. Laut Vertrag erhielt er lediglich nach Abschluss