DAS BUCH ANDRAS II. Eberhard Weidner

Читать онлайн.
Название DAS BUCH ANDRAS II
Автор произведения Eberhard Weidner
Жанр Языкознание
Серия DAS BUCH ANDRAS
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738007473



Скачать книгу

nach unten riss, flehte ich alle himmlischen Schutzheiligen an, gefälligst dafür Sorge zu tragen, dass die Tür unverschlossen war.

      »Danke!«, hauchte ich kaum hörbar, als die Tür dem Druck nachgab, und schlüpfte rasch in das Zimmer, sobald der Spalt groß genug dafür war. Dann schloss ich die Tür behutsam und bedächtig so weit, bis nur noch ein schmaler Spalt blieb, durch den ich nach draußen auf den Gang sehen konnte.

      Der Blickwinkel war so günstig, dass ich von meinem gegenwärtigen Standpunkt sogar die Tür zum Schwesternzimmer sehen konnte. Noch immer schwer atmend wegen des kurzen Spurts hierher, spähte ich durch den Türspalt und sah in diesem Moment auch schon, wie Klapp mit schussbereiter Waffe auf den Flur stürmte und sich in meine Richtung wandte. Er war sich wohl relativ sicher gewesen, dass ich noch immer völlig kopflos wie ein aufgescheuchtes Huhn den Gang hinunterrannte und er mir nur noch in den Rücken schießen musste, denn er hob sofort den Arm und zielte in die Richtung, in die ich noch immer laufen würde, hätte ich nicht in diesem Zimmer Schutz gesucht. Doch bevor er in die leere Luft feuerte, registrierte er, dass dort, wo er mich vermutet hatte, niemand war, verhielt in seinem Lauf und ließ den Arm unentschlossen sinken. Ratlos stand er im Flur, ließ den Blick hin und her schweifen und fragte sich vermutlich, wohin ich verschwunden sein könnte. Die naheliegendste Lösung, dass ich hinter einer der Türen Zuflucht gesucht hatte, schien ihm zunächst aber nicht einzufallen. Vielleicht dachte er in seinem Wahn auch, ich hätte magische Kräfte und mich in Luft aufgelöst.

      Dann trat, wesentlich langsamer als zuvor, sein Kollege Gehrmann aus dem Schwesternzimmer in den Flur. Ich konnte mir leicht ausrechnen, dass er sich erst um die Nachtschwester gekümmert hatte. Allerdings hoffte ich, dass er sie nicht umgebracht, sondern nur gefesselt oder schlimmstenfalls bewusstlos geschlagen hatte. Immerhin hatte ich keinen weiteren Schuss gehört, was meine diesbezügliche Hoffnung in meinen Augen berechtigter erscheinen ließ.

      Gehrmann war allem Anschein nach nicht umsonst der Anführer dieses ungleichen Duos, denn er schien wesentlich erfahrener und klüger als sein junger Begleiter zu sein. Bereits nach einem einzigen raschen Blick in die Runde musste ihm bewusst geworden sein, was es mit meinem spurlosen Verschwinden auf sich hatte. Ich hatte zwar im Stillen gehofft, die beiden würden die Aktion abblasen, nachdem ich nun gewarnt war und sie mich nicht so leicht erwischen würden, wie sie sich das unter Umständen insgeheim ausgerechnet hatten, doch erneut wurde ich enttäuscht.

      »Sie muss in einem der Zimmer sein!«, sagte Gehrmann und wies zur Verdeutlichung seiner Worte mit der Pistole auf diverse Zimmertüren. »Du bewachst den Flur, während ich die Zimmer durchsuche. Hinter einer dieser Türen muss sie stecken. Und dort sitzt sie jetzt in der Falle und kann uns nicht mehr entkommen.«

      Kapitel 2

      Mein Herz klopfte rasend schnell und überlaut in meiner Brust. Seine Schläge dröhnten in meinen eigenen Ohren wie die einer riesigen Kirchturmglocke. Das war aber vermutlich nicht mehr die Folge des vorherigen Adrenalinschubs, denn das Stresshormon wurde sehr rasch wieder abgebaut, sondern hatte seinen Ursprung eher in meiner Angst aufgrund Gehrmanns Ankündigung, alle Zimmer zu durchsuchen, während Klapp im Flur ausharren sollte. Als ich Gehrmanns eiskalten, aber entschlossenen Gesichtsausdruck gesehen hatte, war mir sofort klargeworden, dass er nicht einfach aufgeben, sondern sämtliche Zimmer nach mir absuchen würde. Allerdings hatte ich gehofft, die beiden Männer würden sich diese Aufgabe teilen, damit sie schneller fertig wurden. Das hätte mir dann wiederum Gelegenheit gegeben, mein Versteck zu verlassen und den Gang hinunterzulaufen, bevor die Männer aus den Zimmern, die sie durchsuchten, wieder herauskamen. Doch wenn Klapp auf dem Gang stehen blieb, war mir diese Möglichkeit verwehrt. Ich musste in diesem Zimmer ausharren, ob ich wollte oder nicht. Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis Gehrmann mich aufstöbern würde.

      Ich beobachtete, wie Gehrmann aus meinem Blickfeld verschwand, und hörte unmittelbar darauf, dass eine der Türen zu den Patientenräumen leise geöffnet wurde. Gehrmann hatte also mit der Durchsuchung begonnen. Klapp bewachte währenddessen wie angewiesen den Flur. Er gähnte einmal unterdrückt und hielt dabei die Hand vor den Mund. Langsam drehte er sich, auf der Stelle tretend, im Kreis. Wahrscheinlich wollte er seine Aufgabe besonders sorgfältig erledigen und den ganzen Flur im Auge behalten, übersah dabei aber, dass ich in dem Teil des Gangs, auf den er gerade seine ganze Aufmerksamkeit richtete, gar nicht sein konnte. Na ja, schließlich war niemand von uns perfekt, auch wenn bei Klapp noch viel mehr im Argen zu liegen schien.

      Obwohl mir Klapp in diesem Moment den Rücken zukehrte, ahnte ich, dass mir nicht genügend Zeit bleiben würde, auf den Gang hinauszuhuschen und ein anderes Versteck zu suchen, bevor er sich wieder in meine Richtung gedreht hatte. Ich nutzte die günstige Gelegenheit allerdings dazu, die Tür möglichst geräuschlos ganz zu schließen, da sonst die Gefahr bestand, dass einer der Männer früher oder später auf den schmalen Spalt aufmerksam und misstrauisch wurde. In dem Fall hätte ich genauso gut ein Schild an der Tür befestigen können, auf dem in großen Buchstaben »Hier bin ich!« stand.

      Obwohl der schwache Lichtschein aus dem Flur, der durch den schmalen Spalt ins Zimmer gelangt war, nach dem Schließen der Tür fehlte, war es zum Glück dennoch nicht völlig dunkel. Die dicken Vorhänge waren zwar geschlossen, sodass kein Mondlicht durchs Fenster hereinfiel, aber ein mattes Leuchten, das von einem kleinen Nachtlicht auf der anderen Seite des Bettes direkt neben dem Notruf für die Schwestern stammte, ließ mich wenigstens vage Umrisse erkennen, als ich mich vorsichtig und langsam tiefer in das Zimmer hineinbewegte.

      Erst jetzt, als würde sich mein Verstand aufgrund des dämmrigen Lichts verstärkt auf das Gehör und nicht mehr so sehr auf die Augen konzentrieren, bemerkte ich das nicht sehr laute, aber regelmäßige Schnarchen. Das Bett, aus dem die auf Dauer wahrscheinlich nervtötenden Geräusche kamen, befand sich nur wenige Schritte vor mir. Ich konnte darauf eine dunkle, langgezogene Erhebung ausmachen, bei der es sich um den Bewohner des Zimmers handeln musste, der unter der Decke lag und allem Anschein nach noch immer tief und fest schlief.

      Als ich näher heranschlich, schälten sich weitere Umrisse aus dem Dunkel. Ich sah einen Nachttisch, einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen und einen Schrank auf der dem Bett gegenüberliegenden Seite des Raumes. Im Großen und Ganzen entsprach die Ausstattung somit der in meinem Zimmer. Was ich allerdings nicht entdecken konnte, war eine zweite Tür, die in eine kleine, angrenzende Toilette führte. Anscheinend waren nicht alle Zimmer mit einem eigenen WC ausgestattet, und manche Insassen mussten wohl auf die Gemeinschaftstoilette gehen, wenn sie ein dringendes Bedürfnis verspürten.

      Ich hätte am liebsten laut geschimpft, um meiner Enttäuschung Luft zu machen, als meine Pläne erneut von widrigen Umständen durchkreuzt wurden. Denn eigentlich hatte ich vorgehabt, mich auf der Toilette hinter der Tür zu verstecken und Gehrmann, sollte er auch nur den Kopf hineinstrecken, mit einem geeigneten Gegenstand eins überzubraten. Das konnte ich mir jetzt natürlich abschminken. Nun hieß es, ein anderes geeignetes Versteck zu finden. Die Auswahl war allerdings nicht besonders groß, und die Chance, dass Gehrmann mich dennoch nicht entdeckte, eher gering. Andererseits wollte ich mich den Männern, die mich umbringen wollten, auch nicht wie auf dem Präsentierteller darbieten. Vielleicht nahm sich Gehrmann gar nicht so viel Zeit bei seiner Suche und konnte, um nicht alle Insassen aufzuwecken, auch nicht in jedem Winkel nachsehen, sodass er mich unter Umständen übersah. Und genau darauf setzte ich alle Hoffnungen, die ich noch hatte, denn etwas anderes blieb mir im Augenblick nicht übrig.

      Da ich weder in den Schrank noch unter das Bett kriechen wollte und auch nicht das Bedürfnis hatte, mich neben den unbekannten Schläfer ins Bett zu legen, um meinen Verfolger auf diese Weise in die Irre zu führen, entschied ich mich für die einzige Möglichkeit, die übrigblieb. Ich beschloss, mich in den etwa zwanzig Zentimeter breiten Spalt zu zwängen, der sich zwischen der von der Tür abgewandten Seite des Schranks und der dahinterliegenden Wand befand, und zu hoffen, dass Gehrmann mich dort nicht entdeckte.

      Doch vorher nahm ich mir noch die Zeit, auf Zehenspitzen lautlos um das Bett herumzugehen und das Nachtlicht aus der Steckdose zu ziehen. Sofort wurde es stockfinster im Zimmer. Ich konnte nichts mehr sehen. Nur noch das regelmäßige Schnarchen war zu hören und half mir zumindest, mich akustisch zu orientieren.

      Ich wusste nicht, wer dieses Zimmer bewohnte und in dem