Breathe. Elena MacKenzie

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Название Breathe
Автор произведения Elena MacKenzie
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754177631



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gefickt, meine Hände gefesselt, in meinen Unterarmen und Schenkeln blutige Schnitte, die er oder ich selbst mir zugefügt haben, bis mein Körper so voller Adrenalin war, dass ich das Gefühl hatte, zu zerbersten. Nur wenn ich diesen Punkt erreiche, füllt sich die dunkle Leere in mir. Nur dann fühle ich wirklich. Ich schließe die Augen und kämpfe gegen die Bilder in meinem Kopf an. Das will ich eigentlich nicht. Ich hasse mich für diese Gedanken und Gefühle. Und ich hasse mich, dass ich jetzt in diesem Augenblick darüber nachdenke, es zuzulassen, dass ein Fremder all das mit mir tut. Jemand, der mit einer Waffe auf mich zielt. Auf gar keinen Fall. Das ist die Finsternis in mir, die das hier will. Aber wenn ich es zulasse, dann lässt er mich vielleicht gehen.

      »Was zur Hölle machst du da?«, knurrt er und stößt mit der Waffe meine Hände von der Hose.

      »Ich will es dir nur leichter machen, damit wir es schneller beenden können«, stoße ich aus. Denn genau das ist mein Plan: Ihm geben, was er will, damit er mich hoffentlich schnell wieder gehen lässt. Wenn ich mich nicht wehre, vielleicht sind dann meine Überlebenschancen viel größer. Ich reibe mir mit den Händen über meine fröstelnden Oberarme. Es ist nicht kalt, die Luft ist noch immer dick und warm, aber der Schock jagt mir Eis durch die Adern. Je länger wir hier stehen, desto mehr beginnt mein Körper zu zittern. Desto mehr weicht die Wut der Panik. Und das will ich nicht, weil ich dann schwach wäre. Und er soll nicht glauben, dass ich schwach bin.

      »Ich werde dich nicht anfassen.«

      »Was willst du dann von mir?«, fahre ich ihn an.

      Ice zieht die Schultern bis zu seinen Ohren hoch und lässt sie wieder fallen. »Steig endlich in das verdammte Auto ein«, sagt er harsch, greift so schnell an mir vorbei, dass ich den Augenblick verpasse, in dem ich mit meinem Knie seine Hoden hätte erwischen können. Er reißt die Tür auf, packt mich brutal und zwingt mich in das Auto. Als ich auf dem Fahrersitz sitze, fällt mein Blick auf den Schlüssel, der noch immer im Zündschloss steckt und leicht hin und her schwingt. Ich zögere eine Sekunde zu lange, denn noch bevor ich meine Finger an den Schlüssel legen kann, hält Ice mir seine Waffe wieder an den Kopf. »Rüber«, befiehlt er mit hartem Tonfall.

      »Du bist ein Arschloch«, stoße ich aus, rutsche aber auf den Beifahrersitz. Doch bevor ich nach drüben rutsche, greife ich hinter den Sitz, bekomme die Smith & Wesson zu fassen und zerre sie nach vorn. So schnell ich kann, richte ich mich auf, wende mich auf dem Beifahrersitz Ice zu und richte die Waffe auf ihn. Mein Finger liegt auf dem Abzug. Ich spüre den Druck des Stahls. Ich müsste nur etwas mehr Kraft ausüben. Mich nur überwinden, es zu tun. In meiner Vorstellung sehe ich es ganz deutlich, seine schreckgeweiteten Augen, das klaffende Loch in seiner Stirn.

      Ich zögere nur einen Atemzug lang. Aber diese Zeit, in der mir durch den Kopf geht, wie es aussehen würde, wenn sein Gesicht vor meinen Augen explodieren würde, reicht ihm, um in das Auto zu steigen und sich auf mich zu werfen. Er bekommt den Lauf der Waffe zu fassen und richtet sie nach oben. Ein Schuss löst sich und hinterlässt ein walnussgroßes Loch in der Decke. Ich keuche auf, lasse zu, dass er mir die Waffe entreißt, und drücke meine Hände gegen meine Ohren, in denen der Knall klingelt.

      »Die gehört Rage«, stellt Ice mit einem Blick auf das in den Griff geritzte R fest und setzt sich hinter das Lenkrad. Er verzieht das Gesicht und wirft die Waffe aus dem Fahrzeug. »Fuck! Fuck! Ich kann nicht fassen, dass du mich töten wolltest.«

      Ich schnaube abfällig. »Du wolltest mich auch töten.«

      »Aber ich hab es nicht getan.« Ice beugt sich zu mir rüber, packt mein Gesicht und drückt mir Daumen und Zeigefinger in die Wangen, bis ich zischend einatme vor Schmerz. Seine Augen wirken deutlich dunkler. »Tu das nie wieder.«

      Erst als er den Motor startet und die Tür des Trucks zuzieht, spüre ich, wie sehr jeder Muskel in meinem Körper sich verkrampft hat und wie wenig handlungsfähig ich mich fühle. Aber ich kann ihn noch immer mit meinem Mundwerk provozieren. »Ich will wissen, was du mit mir vorhast.«

      Ice steuert den Pick-up auf die Straße zurück. Er schnaubt, legt seine Pistole griffbereit zwischen seine Schenkel und hält das Auto nach nur wenigen Metern wieder an, um sich unter dem matten Licht der Lampe an der Decke im Cockpit umzusehen. »Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, was ich mit dir tun werde, aber es wird hoffentlich weder dir noch deinem Vater gefallen«, sagt er, dann beugt er sich zum Ablagefach hin und zieht einen Spanngurt hervor. »Deine Hände!«

      »Vergiss es«, stoße ich entrüstet aus und rücke von ihm weg so weit ich kann. Er kennt Rage, meinen Onkel. Er kennt meinen Vater. Das alles hier ist kein Zufall. Als mir das bewusst wird, droht der Schock mich zu verschlingen. Mein Körper zittert unkontrolliert. Ich sitze nicht zufällig neben ihm im Auto. Er kam nicht zufällig in die Bar, in der ich gearbeitet habe. Er wollte mich wirklich töten.

      Sein Blick verengt sich und so schnell wie eine Kobra schnappt er nach meinen Händen und zieht sie zu sich. Er umwickelt meine Handgelenke mit einem Ende des Gurts, das andere Ende wickelt er sich um seine Faust. »Zuerst solltest du wissen, dass es besser ist, wenn du tust, was ich dir sage, dann werden wir uns wahrscheinlich besser verstehen.«

      Ich lache dumpf auf und verziehe das Gesicht. »Und was sollte ich noch wissen?«

      »Dass ich normalerweise nicht zögere, wenn es darum geht, einen Menschen zu töten.« Seine Miene wird hart, dann legt er den Kopf schief, und in seinen Augen kann ich sehen, dass er jedes Wort ernst meint. Er sagt die Wahrheit, einen Menschen zu töten, bedeutet ihm eigentlich nichts.

      »Und warum zögerst du jetzt?«, will ich bissig wissen. Ich habe nicht vor, ihm zu zeigen, wie angespannt ich bin. Und ich habe nicht vor, mich verunsichern zu lassen. Ich weiß nicht viel über Entführungen, aber ich weiß, dass es wohl das Klügste wäre, wenn ich versuche, einen klaren Kopf zu behalten. Denn ich werde mich nicht einfach fügen. Wie konnte ich in so eine Situation geraten? Es hätte mir klar sein müssen, dass mit diesem Arschloch etwas nicht stimmt. Warum habe ich nicht auf das überlaute Warnsignal in meinem Verstand gehört? Weil ein anderer Teil meines Körpers lauter gebrüllt hat. Der Teil, der mich immer wieder Dummheiten begehen lässt. Der dunkle Teil, der auf der Suche nach etwas ist, von dem ich nicht weiß, was es ist.

      Ice reibt sich mit dem Daumen über den Unterarm. Ich hatte bisher keine Zeit, mir seine Tattoos genauer anzusehen, aber diese Bewegung lenkt meine Aufmerksamkeit auf etwas, das ich kenne, weil ich es schon bei zwei Männern gesehen habe. Rage und meinem Vater. Beide hatten dieses Symbol auf ihren Lederkutten, wenn sie uns besucht haben. Es ist das Zeichen eines Motorradclubs, das weiß ich, weil ich manchmal fernsehe. Ich unterdrücke jede Reaktion, weil ich nicht will, dass Ice mitbekommt, dass ich das Symbol erkannt habe. Hier geht es also um irgendwelche Streitereien unter Bikern und ich bin unverschuldet dazwischengeraten.

      »Vielleicht ist mir klar geworden, dass du mir lebend mehr hilfst«, sagt er mit einem breiten Grinsen. »Vielleicht ist mir aber auch klar geworden, dass Rache sich so viel besser anfühlen könnte, wenn man sie länger auskosten kann. Ich könnte dich jetzt töten und würde mich ein paar Tage, vielleicht auch nur Stunden, besser fühlen. Oder ich behalte dich einfach eine Weile und genieße die Vorstellung, wie viel wütender es deinen Vater machen wird zu wissen, dass du bei mir bist.« Ice packt mein Kinn und zwingt mich, ihn anzusehen. »Du bist die Rache für das Arschloch, das meine Mutter umgebracht hat, Stiefschwesterchen.«

      Ich schnappe heftig nach Luft und reiße mich los, dann rücke ich so weit, wie es möglich ist, von ihm ab. Ich mustere Ices Gesicht nachdenklich. Vielleicht hoffe ich, darin eine Lüge zu erkennen, aber alles, was ich sehe, ist Hass und Wut. Ich weiß, mein Vater ist zu Gewalt fähig. Ich weiß, er ist alles andere als ein Heiliger. Trotzdem werfe ich ihm vor, gelogen zu haben. »Das ist nicht wahr.«

      »Was davon? Dass du meine Stiefschwester bist?« Er zwinkert mir zu. »Glaub es, meine Mutter war die Frau deines Vaters, bis er sie ermordet hat.« Ice lacht und schüttelt den Kopf. »Du bist die Tochter eines Frauenmörders.« Seine Stimme klingt dabei giftig, hasserfüllt. Als würde er diese Worte regelrecht vor meine Füße kotzen.

      Ich schnaube abfällig, erschauere aber innerlich und spanne jeden Muskel in mir an, weil ich ihm glaube. Irgendwie. Dass es da eine andere Familie