Название | Hitzeschlacht |
---|---|
Автор произведения | Robert Lang |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754174814 |
Und so ist es dann gekommen. Er hat es schon gewusst, als er an diesem Morgen die SMS vom Polizeipräsidenten gelesen hat. „Rückruf, aber bitte sofort!!!“ Schuchardt mag keine Nachrichten mit drei Ausrufezeichen, egal, von wem sie kommen.
Er setzt Bobby in die oberste Höhle seines Kratzbaums, sagt ihm, er solle die Stellung halten, bis er wieder nach Hause kommt.
Danach zieht er eine leichte Windjacke an, um in ihren Taschen Handy, Schlüssel und ein paar Kirschbonbons zu verstauen; dann verlässt er die Wohnung. Es ist so warm, dass er auch nur in Badehose und Strandlatschen hätte ausgehen können. Nur tut man so etwas nicht, wenn man sich auf den Weg zu einem Mordopfer macht.
4
Die Mitglieder der Gang treffen sich schon zwei Stunden vor dem mit Richling anberaumten Termin, um ihre Darstellung der Tat aufeinander abzustimmen. Es ist nicht alles gut gelaufen vor vier Tagen, weiß Gott nicht, denkt der Anführer der Bande, der gerade seine Krawatte lockert. Er ist direkt von seiner Arbeit im Backoffice einer Frankfurter Großbank hierher zur Wolfsschanze gefahren, denn es war nicht mehr genügend Zeit, um nach Hause zu fahren und sich umzuziehen.
Aus Angst vor Gewittern (die dann aber ausgeblieben sind) haben sie nach dem letzten Treffen den Stecker des Kühlschranks im Gartenhäuschen gezogen, mit dem Resultat, dass sie vorläufig nur lauwarmes Bier trinken werden.
Das Mädchen ist lammfromm gewesen, nachdem sie es in ihren Wagen verfrachtet haben. Kreidebleich und viel zu verängstigt, um Fragen zu stellen. Schockstarre wahrscheinlich, oder aber eine Vorahnung dessen, was ihr gleich zustoßen würde.
Aber nicht das Opfer treibt ihn im Moment um, das ist tot und vergessen. Es sind zwei seiner Jungs, die ihm Sorge bereiten.
Der kleine Detlev hat keinen hochgekriegt, als er an der Reihe war, sich mit der kleinen Jüdin zu vergnügen. Das hat zwar beim Rest der Bande hämisches Gelächter hervorgerufen, bei ihm selbst aber haben die Alarmglocken geläutet.
Und später, als alles vorbei war, hat derselbe Detlev noch an Ort und Stelle unter einen Baum gekotzt. Er ist einem solchen Stress nicht gewachsen, und das ist beunruhigend. Er kann sich lebhaft vorstellen, was Richling dazu sagen wird und er überlegt, ob es nicht besser ist, es ihm zu verschweigen.
Wegen der Sache mit dem Ritzen der doppelten Acht könnte er sich selbst ohrfeigen. Er hätte Rocco, den sie wenig liebevoll auch „das Frettchen“ nennen, aufhalten müssen. Aber das hat er versäumt, weil es ihm im ersten Moment als richtig erschien, ihre Unterschrift unter den Mord zu setzen. Schließlich ist es nicht nur das Geld gewesen, das sie zu dieser Tat bewegt hat. Sie wollten der Welt zeigen, dass sie sich dem Kampf gegen das sich ausbreitende Judentum verschrieben haben, und zwar mit Taten anstelle der üblichen Stammtischparolen oder eilig hingeschmierten Graffitis an der Mauer eines jüdischen Friedhofs.
Wenn er Richling richtig verstanden hat, dann ist diese Sache ein persönlicher Rachefeldzug für etwas, das mindestens eine Generation zurückliegt. Ihm selbst ist das an sich egal, aber er weiß, dass Emotionen zu Fehlern führen können, und er kennt Richling noch nicht besonders gut.
Also, einer mit weichen Knien und ein anderer mit einer weichen Birne, Detlev und das Frettchen bereiten ihm umso größeren Kummer, je länger er über sie nachdenkt. Vielleicht sollte er beide in einen unbefristeten Urlaub schicken, sie irgendwo für eine Weile zwischenparken, bis der ärgste Rummel vorbei ist. Würde Detlev den Bullen in die Hände fallen würde er in kürzester Zeit umfallen und die ganze Truppe mit sich reißen.
Zu allem Überfluss sind sie allesamt polizeibekannt. Wenn also die Bullen zwei und zwei zusammenzählen, werden sie damit beginnen, ihre Neonazi-Kartei zu durchforsten, und dann herrscht Alarmstufe rot.
Draußen vor dem Grundstück hält ein Wagen, das wird wohl Richling sein. Und ja, er steht kurz darauf in der Tür und taxiert jeden Einzelnen in der Hütte.
Dann hält er auf Matthias zu, den einzigen aus der Truppe, den er von Angesicht zu Angesicht kennt. Die beiden haben die Tat gemeinsam geplant, Richling hat ihn mit Informationen über die Familien Silberschmied und Erdmann versehen, die er selbst durch eigene Recherche im Internet und durch Erkundigungen gesammelt hat.
In dem Raum, in dem eben noch eine aufgekratzte Stimmung geherrscht hat, ist es jetzt still geworden. Alle sind gespannt auf den Auftritt des Fettsacks, denn der hat das Geld mitgebracht, auf das sie warten. Und – Matthias hat es ihnen gegenüber beiläufig erwähnt – wo diese fünfzigtausend Piepen sind, gibt es noch mehr zu holen.
„War der Goldrauschengel dort drüben auch dabei?“ Richling hält sich nicht mit Smalltalk auf.
„Ja, und Sie müssen gar nichts sagen, ich werde ihn noch morgen für eine Zeitlang aus der Schusslinie nehmen. Es hat sich gezeigt, dass er einer solchen Sache noch nicht gewachsen ist. Er selbst weiß es noch nicht, aber er fliegt morgen nach Mallorca. Vorerst für vier Wochen, bis dahin sollte sich der Pulverdampf verzogen haben.“
„Gut so. Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen sollte?“
Matthias zieht seine Krawatte jetzt ganz aus, steckt sie in die Hosentasche und öffnet die obersten beiden Knöpfe seines Hemdes.
„Wir hatten noch ein bisschen Spaß mit dem Mädchen, ich hoffe, das ist okay.“
„Das geht mich nichts an, solange ihr Kondome übergezogen und keine Spuren hinterlassen habt. Was sonst noch?“
„Aber klar, Chef, wir sind keine Selbstmörder. Wollen Sie etwas trinken? Wir haben warmes Bier und warme Cola.“
„Nein, aber ich habe gefragt, ob ich sonst noch etwas über euren Auftritt wissen muss.“
„Ja, es ist etwas vorgefallen, das ich unbedingt hätte verhindern müssen - aber ich habe zu spät reagiert.“ Der Boss der Bande windet sich jetzt ein wenig. „Unser Frettchen, der Junge da hinten mit dem Jagdmesser, hat dem Flittchen noch einen speziellen Gruß in den Rücken geritzt, nachdem wir es erledigt hatten. Es ging alles sehr schnell. Sie wissen, was die Doppelacht bedeutet, nehme ich an.“
Richling blickt Matthias an, als hätte dieser einen gewaltigen Sprung in der Schüssel. „Was? Seid ihr denn komplett wahnsinnig geworden?“
„Tut mir leid, Mann.“ Natürlich tut es ihm leid, denn das, was seine Jungs ausfressen, wirft zwangsläufig auch ein schlechtes Licht auf ihn selbst; entweder ist er zu blöde, um einen solch kapitalen Bock zu erkennen, oder es fehlt ihm an Autorität gegenüber seiner kleinen Truppe. Würde man das Letztere von ihn annehmen, träfe es ihn tiefer in seiner Eitelkeit.
„Ich hatte dir doch ausdrücklich gesagt, dass es in dieser Sache noch weitere Jobs zu erledigen gibt. Lukrative Jobs, verdammt! Wie könnt Ihr da schon gleich zu Anfang die Bullen so durch und durch dämlich auf eure Spur bringen? Unglaublich!“
Richling registriert aus dem Augenwinkel, dass nun alle Augen auf ihn Matthias gerichtet sind. Niemand spricht mehr. Die Jungs wollen ihr Geld haben und sich und ihre Tat feiern, und nun wittern sie, dass Richling sich vielleicht weigern wird, sie auszuzahlen. Die Spannung in der drückenden Hitze der Gartenlaube steigt.
Also gibt sich Richling jovial und holt mit einem „Schwamm drüber!“ den Umschlag mit dem Geld aus einer abgewetzten Aktentasche hervor. „Kann ja jedem mal passieren“, schiebt er noch hinterher und übergibt Matthias als dem Ranghöchsten in dieser kleinen Guerillatruppe fünf Bündel mit Banknoten. „Zehntausend für jeden, wie vereinbart. Und bitte halte deinen Laden sauber, Mann. Du weißt hoffentlich, dass eine einzige faule Kartoffel die gesamte Ladung verderben kann. Und wenn ich das richtig sehe, dann sind es bei dir gleich zwei.“
Richling