Hitzeschlacht. Robert Lang

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Название Hitzeschlacht
Автор произведения Robert Lang
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754174814



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schweren Herzens in Ruhe.

       2

      „Wir haben es der Kleinen anständig besorgt, Chef, und jetzt wollen wir wissen, wann Sie endlich mit der Kohle rüberkommen.“ – „Ihr solltet mich doch in nächster Zeit nicht abrufen, ihr Idioten!“

      „Die Jungs sind ungeduldig, sie wollen feiern. Und wir sind auch keine Idioten. Wir wissen, wann es Zeit zu säen ist, und wir wissen, wann es Zeit zu ernten ist.“

      „Ich muss morgen Mittag zur Bank. Ich hab solche Summen nicht unter dem Kopfkissen liegen. Sagen wir, achtzehn Uhr in eurer Wolfsschanze. Und vorher kein weiterer Kontakt, ist das klar?“

      „Klar. Nichts für ungut, Richling. Wir sind alle noch ein bisschen durch den Wind nach dieser Aktion.“

      Wolfsschanze nennen sie einen kleinen Schrebergarten in Frankfurt-Rödelheim, der den Großeltern eines Mitglieds der Bande gehört und den sie ungestört nutzen dürfen, weil ebendiese Großeltern nicht mehr mobil genug sind, um noch Gartenarbeit zu verrichten. Zum Grundstück gehören eine kleine Hütte mit einem Kühlschrank und ein Elektrogrill unter einem kleinen Vordach. Die Bande trifft sich hier regelmäßig während der Saison von April bis Oktober. Im Garten hängt an einem neun Meter hohen Mast eine große Deutschland-Fahne - eine Reichbürgerflagge und die noch härteren Sachen zieren die Innenwände der Hütte und werden in einer alten, abschließbaren Holztruhe verwahrt, wenn die Jungs nicht anwesend sind.

      Richling trainiert im Garten seine beiden Dobermänner Adolf und Joseph, als sein Handy summt. Die Viecher sind zu dämlich, um einer mannshohen Strohpuppe an die Kehle zu gehen, aber sie kosten ihn ein Vermögen an Frischfleisch. Immer wieder beißen sie sich an den längst zerfetzten Beinen fest, obwohl er ihnen schon ein dutzend Mal gezeigt hat, wie man es richtig macht. Naja, vielleicht macht die Hitze den Burschen genauso große Probleme wie ihm. Er schmort seit Tagen im eigenen Saft, und im Fernsehen sagen sie, dass dieses verfluchte Wetter noch sehr lange so oder vielleicht noch schlimmer weitergehen wird.

      Wenn man den Zeitungen vom heute früh glauben kann, hat seine Jungschar gute Arbeit geleistet. Das Judenmädchen lebt nicht mehr.

      Aber seltsamerweise ist er nicht wirklich zufrieden, sein Triumph ist nicht vollkommen. Vielleicht liegt es daran, dass die Medien kaum ein Wort darüber verlieren, auf welche Weise die kleine Prinzessin um die Ecke gebracht worden ist. Nur eine einzige Zeitung hat das Ganze ein „grausames Verbrechen“ genannt, alle anderen Drecksblätter haben nur erwähnt, dass die Leiche gefunden wurde. Das fühlt sich für ihn so an, als sei er um etwas Wichtiges betrogen worden. Etwas, das er nicht genau benennen kann, das er aber deutlich fühlt.

      Fünfzig Riesen hat er sich den Spaß kosten lassen, obwohl ihn bald nach der Vereinbarung des Deals der Verdacht kam, dass er das Ganze auch für einen Bruchteil dieser Summe hätte haben können. Seine Jungs sind doch angeblich vom selben Schlag wie er. Stattdessen zocken sie ihn ab und lachen sich wahrscheinlich hinter seinem Rücken über ihn kaputt.

      Er hat ein paar Wertpapiere verkaufen müssen, die in den letzten vierundzwanzig Monaten etwa ein Drittel ihres Kurswertes verloren haben und deshalb tun ihm die fünfzigtausend doppelt weh. Vielleicht sollte er nachverhandeln, wenn sie sich morgen treffen. Schließlich sitzen sie im selben Boot, und er hat die Bande mindestens ebenso sehr in der Hand wie diese ihn.

      Er spritzt seine Hunde mit dem Wasserschlauch ab, bei diesen äußeren Bedingungen ein herrlicher Spaß für die Bestien. Danach sperrt er sie in ihren Zwinger und geht ins Haus, um selbst zu duschen. Während er sich vom kühlen Nass berieseln lässt, versucht er sich vorzustellen, wie es wäre, wenn jetzt Gas anstelle von Wasser aus der Brause käme. Das ist ein wenig beklemmend, aber nicht wirklich unangenehm. Es muss nur die richtigen Leute treffen, dann ist die Vorstellung gar nicht so schlimm.

      Er trocknet sich ab, zieht einen Morgenmantel an und setzt sich an seinen Computer, um ein paar Wertpapierpositionen zu liquidieren. Dann transferiert er die Erlöse auf sein Girokonto und ruft seinen Bankberater an, um ihm zu sagen, dass er morgen Nachmittag achtzigtausend Euro in bar braucht. Der Mann faselt etwas über die Gefahr von Bargeschäften, und Richling lässt ihn reden. Nach ein paar weiteren Sätzen gibt der Berater nach und sagt ein wenig verschnupft, es sei schließlich Richlings Geld.

       So ist es, du Penner!

       3

      Schuchardts Katze tut, was sie immer tut, wenn dieser versucht, morgens die Zeitung zu lesen. Kaum, dass er sich an den Küchentisch gesetzt hat, springt sie auf den Tisch und legt sich – schnurrend wie ein Rasenmäher – auf genau diese Zeitung und ist mit friedlichen Mitteln nicht mehr zu vertreiben. Das hat er nun davon, dass er dieses dumme Tier aus dem Heim geholt und zu sich genommen hat. „Runter mit dir, du Räuber, sonst bringe ich dich zurück zu der alten Schabracke. Da kenne ich gar nichts.“ Das dumme Tier bleibt unbeeindruckt und schnurrt einfach weiter.

      Er hat den kleinen Kerl aus dem Tierheim geholt. Das war vor acht Wochen, nachdem er einen kniffligen Fall gelöst hatte und auch dabei einige prominente Landespolitiker in sein Visier geraten waren. Danach haben sie sie ihn eine Zeitlang wie einen Nestbeschmutzer behandelt und seine Arbeit argwöhnisch beobachtet.

      Dieser Sturm hat sich inzwischen – seit alle Fakten auf dem Tisch sind – wieder gelegt. Er aber fühlte sich danach so einsam, dass er sich den lange gehegten Wunsch nach einer Katze erfüllte. Das Resultat dieses Entschlusses liegt nun auf seiner Morgenzeitung und grinst ihn spöttisch an.

      Aber Schuchardt steht heute ohnehin nicht der Sinn nach Zeitungslektüre. Man hat das Mädchens im Stadtwald gefunden. Rebecca Silberschmied, noch nicht einmal ganz fünfzehn Jahre alt. Sie war zuletzt gesehen worden, als sie in ein wartendes Fahrzeug einstieg, vor inzwischen vier Tagen.

      Er hat schon geahnt, dass diese Geschichte schlimm ausgehen wird, denn den verzweifelten Eltern des Mädchen ist bis zum späten gestrigen Abend keine Lösegeldforderung zugestellt worden. Das ist für gewöhnlich kein gutes Zeichen.

      Der Kommissar verzichtet an diesem Morgen auf feste Nahrung, denn ihm steht ein Besuch in der Pathologie des Uniklinikums bevor, und dieser – man hat ihn vorgewarnt - soll unappetitlich werden. Multiple schwere und schwerste innere und äußere Verletzungen.

      Den Beamten, der ihn angerufen hat, weist er an, die Eltern noch nicht zu informieren. Er selbst wird diese traurige Pflicht erfüllen, denn der Fall wird ohnehin bei ihm landen, weil es jetzt Mord ist und nicht mehr nur Kidnapping. Und wenn er von Anfang an dabei ist, erfährt er mehr, als wenn er solche Dinge einem Kollegen überlässt.

      Man hätte bei der Familie des Mädchens eine Genehmigung zur Obduktion einholen können, hat aber darauf verzichtet. Mord ist Mord, und da steht Landesgesetz über religiösen Vorschriften. Die Eltern von Rebecca sind nicht gerade ultraorthodox und hätten wahrscheinlich sowieso zugestimmt. Bei allem ist Eile geboten, denn der Leichnam muss so schnell wie möglich beerdigt werden. Und zwar per Erdbestattung, denn Verbrennung ist bei Juden nicht üblich.

      Sein erster Weg wird ihn also in die Pathologie führen, denn er will vorbereitet sein, wenn die Fragen der Angehörigen und der Presse auf ihn einprasseln. Denn das werden sie unausweichlich tun.

      Schuchardt ist erst vor ein paar Tagen aus einem einwöchigen Urlaub im Schwarzwald zurückgekehrt, wo er mit seiner Katze in dem Renchtal-Städtchen Oppenau in einer Ferienwohnung gewohnt, dreimal täglich gut und reichlich gegessen und den Stress der letzten Monate durch ausgedehnte Wanderungen in der Umgebung abgebaut hat. Er muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass der Erholungseffekt dieser Woche schnell wieder aufgebraucht sein wird.

      „Na, Bobby“, fragt er seinen Kater, „meinst du auch, dass das eine böse Geschichte wird?“ Aber dieser hat sich offenbar noch keine Meinung zu diesem Fall gebildet, und überhaupt sind Kategorien wie Gut und Böse für einen vier Monate alten Kater noch kein Thema.

      „Katze 1, Schuchardt 0“, brummt der Kommissar.

      Schuchardt hat nicht die geringste Lust auf diese Ermittlung - ein totes Mädchen, und als ob das nicht genug wäre,