Название | Hitzeschlacht |
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Автор произведения | Robert Lang |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754174814 |
„Den Juden kann man nicht ausrotten, der kommt immer wieder. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende kommt er immer und immer wieder, und nichts und niemand wird ihn daran hindern.“
Richling hört wieder die Stimme seiner Mutter, wenn sie abends in ihrem Lieblingssessel neben dem Kamin saß und strickte, oder – öfter noch – wenn sie sonntags die Zeitung las. „Schau dir doch nur die Börsen an, jeder dritte Banker ist Jude, und jeder zweite Regisseur oder Produzent in Hollywood, jeder zweite Zeitungsmogul. Sie sitzen längst wieder an den Schalthebeln der Macht und niemand unternimmt etwas dagegen.“
„Auch unsere Familie hat er vernichtet, deinen Vater hat er umgebracht, der Jude. Dich hat er zum Halbwaisen gemacht und mich zur Witwe.“
Das Gift tröpfelt ganz unmerklich in Herz und Hirn den jungen Richling, in kleiner, aber stetig verabreichter Dosierung. Hass kann geduldig warten, bis er irgendwann Früchte trägt. Hass kennt kein Verfallsdatum.
5
Als Schuchardt wieder zu sich kommt, ist Dana da. Und Dana hat klare Absichten mitgebracht.
Sie ist ohne Vorankündigung gekommen. Dana und er treffen sich seit etwa anderthalb Jahren ein- oder zweimal monatlich, betrinken sich in der Regel gepflegt und landen irgendwann in seinem Bett. Dana hat einen Schlüssel für seine Wohnung, denn wann immer er beruflich oder privat unterwegs ist, füttert sie Bobby, seinen halbwüchsigen Kater.
„Wasser“, krächzt Schuchardt, und windet sich irgendwie unter ihren schweren Brüsten heraus, um nach seiner Flasche zu greifen, die auf dem Nachttisch steht. Er trinkt sie mit ein paar Schlucken leer und lässt sich zurück aufs Kissen sinken.
„Was verschafft mir das unerwartete Vergnügen?“ – „Erzähle ich dir später.“ Auch gut.
Sie lieben sich ohne Eile, aber wie meistens sehr aufs Wesentliche fokussiert. Sie hat ihm gesagt, dass sie es so haben will und für ihn ist das in Ordnung.
Dana war etliche Jahre lang rund um den Globus als Fernsehreporterin vor allem in Krisen- und Kriegsregionen unterwegs, ein Job, „in dem man Quickies zu schätzen lernt“, wie sie ihm schon bald nach ihrer ersten Nacht eröffnet. „Es fällt einem schwer, stundenlang herumzuspielen, wenn einem jederzeit die Kugeln um die Ohren fliegen können.“
Sie kokettiert auch gern damit, dass sie schon auf allen Kontinenten des Planeten Erde Männer gehabt hat, „mit Ausnahme der Antarktis, aber das ist nur eine Frage der Zeit.“ Sie mag es auch etwas härter, wie sie sagt. Daran musste er sich gewöhnen, aber „du machst das schon sehr ordentlich“, hat sie ihm nach den ersten vier oder fünf Malen mit großem Ernst versichert, ohne dass er ausdrücklich auf einem Zeugnis bestanden hätte.
All das führt dazu, dass er nach höchstens fünfzehn Minuten kaum bekleidet in seiner kleinen Küche steht und die Kaffeemaschine in Gang setzt.
Danas Timing ist heute nicht das Beste. Sie hat angerufen und ihm Nachrichten über WhatsApp geschickt, aber Schuchardt hatte aus gutem Grund sein Handy ausgeschaltet; und so hat sie eben Tatsachen geschaffen und ist gekommen, ohne sicher zu sein, ob er zuhause ist.
Er muss nachdenken, und das sagt er ihr, als er mit zwei Bechern Kaffee zurück ins Schlafzimmer kommt. „Kein Problem, das weißt du doch.“ Ihr Mann hat sie wieder gelangweilt, deshalb muss sie raus, um sich etwas Abstand und einen kleinen Kick zu verschaffen. Im Westend nichts Neues, sozusagen.
Gedankenverloren zieht er mit dem Zeigefinger die große Narbe an ihrer rechten Wade nach.
„Sarajewo“, sagt sie, „kurz vor Ende des Bosnienkrieges.“
„Eine Kugel?“
„Nein, ein Granatsplitter. Ich war noch ein junges Huhn in meinem Job, und eines Morgens lag ich mit drei amerikanischen Kollegen hinter einem Müllcontainer, weil wir zu einem Interview bestellt waren und plötzlich ins Kreuzfeuer gerieten.“ Sie lacht.
„Glaube es, oder glaube es nicht. Der Bezirk lag unter Beschuss durch serbische Paramilitärs - und ich musste dringend pinkeln.“
„Ja, und?“
„Auf der anderen Seite der Straße gab es ein leerstehendes Hotel mit funktionierenden Toiletten, und ich war der Meinung, dass man ruhig ein gewisses Risiko auf sich nehmen kann, um zu verhindern, dass drei wildfremde Männer einem beim Verrichten seines Geschäftes zuschauen.
Als ich auf halbem Weg über die Straße war, explodierte eine Mörsergranate direkt vor diesem Container. Später erfuhr ich, dass einer der drei Kollegen dabei getötet wurde.
Ich hab dieses Souvenir mitgenommen und danach in solchen Situationen nicht mehr lange überlegt.“
„Glaube ich dir unbesehen.“
„Woran arbeitest du im Moment?“ Ihr betont beiläufiger Tonfall verrät ihm, dass sie es längst weiß, ihn aber ein wenig aus der Reserve locken will.
„Nichts, das du verwenden könntest.“
„Sexualmord oder Nazis?“
„Vielleicht beides, und jetzt ist es gut“, sagt er. Sie haben ein ungeschriebenes Gesetz, das es ihr verbietet, ihn auszuspähen, aber er hat Verständnis dafür, dass ab und zu ihre Reporter-DNA mit ihr durchgeht. Sie lächelt. „War einen Versuch wert. Kommst du klar mit dem Druck?“
„Im Moment geht es noch, wir stehen ja erst am Anfang. Noch einen Kaffee?“
„Danke, lieber einen Eimer Wasser. Den Kaffee schwitzt man sofort wieder aus.“
Er holt ihr ein Glas Wasser und für sich selbst ein kaltes Bier. Wenn es heute Abend nichts weltbewegend Neues in seinem Fall gibt, wird er nicht mehr in seine Dienststelle fahren. Morgen will er dem alten Erdmann einen Besuch abstatten und ihn drauf abklopfen, ob er weiß, wer ihm an die Wäsche gehen will. Immerhin ist er der einzige gemeinsame Nenner bei diesen beiden Taten.
Der Mann soll sagenhaft reich sein, aber die Entführer seiner Enkelin haben sich nicht gemeldet, um Lösegeld zu erpressen. Sie haben sie stattdessen auf grausamste Art hingerichtet. Die Erpresserspur fühlt sich deshalb vollkommen kalt an.
Auch der Fall von Vandalismus weist in eine andere Richtung. Jemand will dem alten Spediteur psychischen und materiellen Schaden zufügen, hat aber offenbar nicht das geringste Interesse daran, sich dadurch selbst zu bereichern.
„Du hast keinen Appetit auf eine zweite Runde?“ Während sie das fragt, fängst sie bereits an, Slip und BH zu suchen.
„Nur in einem Sauerstoffzelt. Eine zweite Runde würde mich sonst umbringen“, sagt er.
„Du lässt mich aber noch duschen, oder?“ - „Dumme Frage, natürlich.“
Während Dana ins Bad geht, schaut sich Schuchardt auf seinem Smartphone die eingegangenen Nachrichten an; es sind Dutzende. Er ist kurz nach neun Uhr eingeschlafen, Dana kam gegen drei, und inzwischen ist es vier geworden. Sieben Stunden vom Tag fehlen ihm. Aber was kann er dafür? Ganz ohne Schlaf geht es nun mal nicht.
Er versucht so gut wie möglich, die Leute zu beschwichtigen, die er verpasst hat, dann kommt Dana und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich gehe noch für zwei Stunden ins Schwimmbad. Dir wünsche ich eine erfolgreiche Jagd.“
Wie immer trennen sie sich ohne großes Zeremoniell, ohne Verabredung zu einem nächsten Mal, ohne Verlegenheit. Wir sehen uns, wenn wir uns sehen. Das ist ihr gemeinsames Mantra. Und es ist gut so, wie es ist, solange die Rechnung für jeden von ihnen aufgeht.
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