Название | Hitzeschlacht |
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Автор произведения | Robert Lang |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754174814 |
Robert Lang
Hitzeschlacht
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Inhaltsverzeichnis
Zweites Kapitel: Dies war nur der Anfang
Drittes Kapitel: Hochdruckgebiet
Fünftes Kapitel: In der Hitze des Tages
Sechstes Kapitel: Hitzeschlacht
Siebtes Kapitel: Nach der Flut
Erstes Kapitel: Hitzewelle
Robert Lang
Hitzeschlacht
Roman
Prolog
Der Himmel wölbt sich in mattem Grau über der Stadt. Am Abend soll ein Gewitter aufziehen, aber zu dieser Vormittagsstunde ist davon noch nichts zu spüren. Die Luft ist stickig und macht das Atmen schwer, schon am frühen Morgen ist die Temperatur wieder auf dreißig Grad geklettert, und es soll bis zum Nachmittag noch schlimmer werden.
Ausgerechnet heute ist im Konferenzraum 12 des „Frankfurter Hof“, des besten Hotels am Platz, die Klimaanlage ausgefallen. Eilends herbeigerufene Techniker finden den Fehler nicht sofort, aber der Festakt zu Ehren des Jubilars kann so kurzfristig nicht in einen anderen Raum verlegt werden, weil man eine provisorische Bühne errichtet hat, auf der ein kleines, aber erlesenes Orchester Schuberts‘ „Forellenquintett“ zum Besten geben soll. Die Musiker sind dabei, ihre Instrumente noch einmal nachzustimmen, was dringend erforderlich ist, weil sich durch die Hitze die Saiten ihrer Instrumente dehnen, und das ruiniert jeden Klang.
Es sind an die achtzig Einladungen verschickt worden, aber beinahe die Hälfte der Eingeladenen hat sich wegen anderweitiger Verpflichtungen entschuldigt, ein paar sind - ohne abzusagen - ferngeblieben, vielleicht der Hitze wegen, vielleicht aber auch, weil sie kein Interesse an einem alten Geschäftsmann haben, der von der Stadt mit schwülstigen Reden und einer Ehrenurkunde für seine besonderen Verdienste um Versöhnung, Bildung und Kultur ausgezeichnet wird.
Richling hat sich in eine der hinteren Reihen gezwängt und schwitzt wie ein Schwein, wie er selbst es formulieren würde, weil er die Dinge gern beim Namen nennt. Das liegt zum einen an seinem Körper, den man wohlmeinend als beleibt bezeichnen mag; zum anderen hat er sich an dem reichhaltigen Büffet schon ein paar Lachshäppchen und zwei Glas Sekt genehmigt, was er besser gelassen hätte, denn das Zeug will jetzt partout aus all seinen Poren wieder hinaus.
Wenn er um sich schaut, sieht er nur piekfeine Leute, die viel zu nobel sind, um zu schwitzen. Die transpirieren stattdessen, denkt er voller Hohn. Und die Weiber sind mitten im Sommer mit mehr Schmuck behängt als ein Weihnachtsbaum Lametta trägt.
Der Oberbürgermeister ist an diesem Tag unabkömmlich, weil er bei einer Veranstaltung des Deutschen Städtetages in Dresden auftritt, und so muss für die Laudatio sein Stellvertreter herhalten, der gerade nach einem Blick auf die Uhr den Saaldiener gebeten hat, die Tür zu schließen, weil nicht anzunehmen ist, dass noch weitere Gäste hinzukommen. Das Gemurmel in den Reihen verstummt. Die Musik setzt ein.
Irgendein Schlaumeier ist auf die Idee gekommen, ein Fenster aufzureißen, aber die Luft steht still, und so ist es in dem kleinen Saal inzwischen genauso heiß und schwül wie draußen im Freien.
Richling, der außer ein paar gelegentlichen Takten Wagner so gut wie nie klassische Musik hört und sich für diese auch nicht die Bohne interessiert, hätte wohl schleunigst das Weite gesucht, wenn er gewusst hätte, dass das verdammte Stück eine geschlagene Dreiviertelstunde dauert. Er schließt die Augen, faltet die Hände über seinem Bauch und hofft, dass das ganze Theater irgendwie vorübergeht. Er sehnt sich nach einer kalten Dusche, und auf die Toilette wird er auch bald wieder müssen. So ist das eben bei Männern, wenn sie alt werden.
Ohnehin hat er nicht die geringste Ahnung, warum er zu diesem Festakt eingeladen worden ist; natürlich kennt er Erdmann dem Namen nach, und bei Google hat er herausgefunden, dass dieser der reichsten Männern der Stadt ist und vor kurzem seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag gefeiert hat. Das ist bis auf ein paar Banalitäten alles, und persönlich begegnet ist er ihm nie. Wäre er nicht ohnehin in der Nähe gewesen, hätte er sich diese Veranstaltung nicht einmal im Traum angetan. Er kann sich seinen Schampus selbst kaufen.
Endlich ist das Orchester fertig, das ermattete Publikum applaudiert dankbar, weil zu hoffen ist, dass man nun bald wieder hier rauskommt, in ein klimatisiertes Büro oder Auto, nur raus aus dieser Sauna.
Der stellvertretende Bürgermeister, vielleicht mit Rücksicht auf die widrigen Umstände, vielleicht aber auch, weil lange Reden nicht seine Sache sind, tritt an ein Mikrofon am rechten Bühnenrand und gibt einen kurzen Abriss von Erdmanns Lebenslauf; den Kriegsjahren, der Auswanderung nach Palästina noch im Vorschulalter, seiner Zeit in den USA, wo er den Grundstein für sein beträchtliches Vermögen gelegt hat, seiner Rückkehr nach Frankfurt, und natürlich den vielen Wohltaten, die er seiner Heimatstadt im Laufe von mehr als fünf Jahrzehnten erwiesen hat. Er betont, dass die Stadt Frankfurt diese Auszeichnung in den letzten zweihundertzwanzig Jahren nicht öfter als dreißig Mal verliehen hat. Um dem gestressten Publikum das Kopfrechnen zu ersparen, fügt er hinzu, dass eine Veranstaltung wie die heutige statistisch gesehen nur alle sieben Jahre stattfindet. Gott sei Dank, mag ein Teil der Gäste denken.
Richling hört kaum zu, ihm läuft der Schweiß von der Stirn in die Augen und er atmet so schwer, dass sich eine ältere Dame, die vor ihm sitzt, beunruhigt zu ihm umdreht und mit den Augen fragt, ob er in Ordnung sei. Lass mich in Ruhe, du alte Vettel!
„Und nun einen Applaus für den Mann, der sich wie kaum ein anderer für die Belange unserer Stadt eingesetzt hat. Frankfurt wäre ohne diesen Mann nicht das, was es heute ist. Bitte, Herr Johannes Erdmann!“
Erneuter Applaus, etwas lebhafter als zuvor, und auf die Bühne schlurft ein alter Mann in einem schwarzen Anzug, auf dem Kopf ein ebenso schwarzes Käppchen, unter dem schneeweißes, aber noch volles Haar hervorschaut. Noch bevor der Beifall verklungen ist, nimmt er aus der Hand des Bürgermeisters die Ehrenurkunde der Stadt entgegen, bedankt sich mit einem langen Händedruck und wendet sich dann dem Mikrofon und damit auch dem Publikum zu.
„Vielen Dank, vielen herzlichen Dank, meine Damen und Herren.“ Er ist sichtlich gerührt. „Meine Mutter sagte, als ich einst noch ein kleiner Junge war, zu mir…“
Richling