Tara. Nancy Omreg

Читать онлайн.
Название Tara
Автор произведения Nancy Omreg
Жанр Языкознание
Серия Tara und Tristan
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748598732



Скачать книгу

Uhr morgens machten wir uns auf den Weg zurück in unsere Pension. Eingehakt und singend kam uns die Nacht gar nicht mehr so kalt vor, wie auf dem Hinweg. Vielleicht lag es auch am Alkoholkonsum. Wir stolperten in unser Zimmer und schmissen uns auf das Bett.

      „Du musst mir die Stiefel ausziehen, ich schaff es nicht mehr“, jammerte ich.

      „Nur wenn du mir auch meine ausziehst“, stöhnte Fine.

      Ich raffte mich auf und versuchte mich an ihrem Stiefel. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich einen Stiefel von ihrem Bein bekam. Eine zweite Ewigkeit später hatte ich auch den anderen ihr ausgezogen. Geschafft schmiss ich mich wieder aufs Bett und hielt ihr angestrengt mein Bein hin.

      „Jetzt du.“ Seufzend kniete sich Fine vor mir hin und bemühte sich ebenfalls mich von den Stiefeln zu befreien.

      „Und wer zieht uns jetzt aus?“, fragte sie, nachdem sie es geschafft hatte.

      „Ich glaube, dass müssen wir leider selbst machen.“ Unter ein paar kleinen Gleichgewichtsschwankungen befreiten wir uns von unseren Kleidern und kletterten ohne uns abzuschminken ins Bett.

      „Gute Nacht, träum schön“, flüsterte Fine, bereits im Halbschlaf.

      „Du auch“, anwortete ich und das Gesicht des geheimnisvollen Fremden aus der Bar erschien in meinem Kopf.

      8 Sightseeing in Berlin

      Das Rauschen einer Dusche klang in meinen Ohren. Ich versuchte mir zu erklären, warum in meiner Wohnung die Dusche lief, obwohl ich im Bett lag und warum ich sie hören konnte, obwohl das Bad von meinem Schlafzimmer relativ weit entfernt lag.

      Ich überlegte, warum ich mich so schlecht fühlte und was ich denn die Nacht gemacht hatte. Hatte ich einen fremden Mann mit nach Hause genommen? Das wäre für mich untypisch gewesen, andererseits wusste ich nicht einmal, warum ich im Bett lag und wo ich zuvor gewesen war.

      Als mein Geist schließlich auch zu sich kam, erinnerte ich mich jedoch wo ich war und wer im Bad sich erfrischte. Vorsichtig öffnete ich die Augen.

      Genau, Fine duschte, denn die Bettseite neben mir war leer. Ich streckte mich und schloss die Augen wieder. Ich war noch zu müde, um aufzustehen. Aber ich war mir sicher, sobald Fine aus dem Bad kam, würde sich die Situation ändern und das nicht zu meinen Gunsten.

      Wenige Minuten später bestätigte sich meine Vermutung. Ich war gerade wieder leicht eingedöst, als Fine die Badezimmertür öffnete und anfing mich an den Füßen zu kitzeln.

      „Aufwachen Schlafmütze. Wach werden, ich bin aufgestanden und will jetzt beschäftigt werden. Los, mach die Augen auf, rede mit mir, mir ist langweilig. Komm, du bist doch sowieso schon wach, antworte.“ Ich wusste, Fine würde nicht aufhören mich zu nerven, eh ich reagierte. Also grummelte ich etwas und schaute sie schlaftrunken an.

      „In deinem Kopf ist kein Kater mitsamt Kratzbaum und Wollknäuel eingezogen oder?“, knurrte ich sie an.

      „Nö und in deinem Kopf ist die Mieze auch bald weg. Unten wartet Kaffee auf dich, ganz frisch und voller Koffein“, grinste Fine.

      Ich räkelte mich und brachte mich vorsichtig in eine sitzende Position.

      „Du siehst aus, als hätte dir ein Indianer eine Kriegsbemalung mit Kajal verpasst“, neckte mich meine Freundin, wohlwissend, dass ich nach diesem Satz schnellstens ins Bad zum Spiegel huschen würde, um neugierig einen Blick auf mein Gesicht zu werfen. Ich strich meine langen Haare nach hinten und gähnte. Meine Neugier siegte und ich schleppte mich ins Bad.

      Ja, Fine hatte recht. Dieser Anblick wäre ein Foto wert gewesen. Die ganze schwarze Schminke war quer durch das Gesicht gezogen, über die Wangen zogen sich Streifen und von den Augen über die Stirn erstreckten sich zackenartige Gebilde.

      Ich musste Lachen über diese Bemalung. Ich stieg unter die Dusche und ließ das Wasser über meinem Kopf und meinen Körper laufen. Ich wusste aus Erfahrung, dass ich frisch gewaschen und mit geputzten Zähnen mich viel besser fühlen würde und auch dieses Mal verfehlte dies nicht seine Wirkung. Ein bisschen wie Neugeboren verließ ich das Bad und freute mich schon auf den Kaffee, der mich wohl wieder vollständig herstellen würde.

      „Na, geht’s jetzt besser?“, fragte mich Fine. Ich nickte und zog mich an.

      „Auf zum Frühstück“, murmelte ich und Fine, die meine Eigenschaft als Morgenmuffel kannte, folgte mir schmunzelnd.

      Wir liefen die Treppen runter in den Frühstücksraum, der sich im Erdgeschoss befand. In dem Raum gab es nur ungefähr zehn Tische mit je vier Stühlen. An einer kleinen Tafel war das Frühstücksbuffet angerichtet. Es gab Obst, Käse, Wurst, Müsli, Brötchen und Brot, gekochtes Ei, Saft, Milch und ganz wichtig: Kaffee! Ich nahm mir eine Schüssel Schokoladen-Haferflocken-Müsli mit warmer Milch und eine große Tasse Kaffee, Fine stürzte sich auf Brötchen mit Marmelade und Honig, dazu Kaffee mit Milch, besser gesagt Milch mit Kaffee, soviel Milch, wie sie da hinein goss konnte von Kaffee kaum noch die Rede sein.

      Wir gingen an einen der Tische. Gespannt verfolgte sie, wie ich den ersten Schluck Kaffee trank und meinte spöttisch: „So, jetzt bist du ansprechbar, oder?“

      „Ja, jetzt geht es. Langsam kannst du mit mir Kontakt aufnehmen“, antwortete ich grinsend.

      „Sehr gut. Ich will dich ja noch nicht überfordern, aber irgendetwas müssen wir ja heute noch so unternehmen. Was würdest du davon halten, wenn wir ein bisschen Kultur schnuppern und uns einer Stadtführung anschließen?“

      „Klingt gut, soviel haben wir ja von Westberlin noch nicht gesehen, außer unsere Diskotheken“, stimmte ich ihr zu. Wir entschlossen uns daraufhin eine Stadtrundfahrt zu machen, die ausschließlich durch Westberlin ging, da wir den Osten von Berlin bereits gut genug kannten. Von der Pensionswirtin, einer kleinen, rundlichen Frau mit einer echten „Berliner Schnauze“, jedoch für meinen Geschmack etwas zu laut und ständig am nörgeln, erfuhren wir, von wo aus wir an solchen Stadtrundfahrten teilnehmen konnten.

      „Da jibt’s aba nur olle Jebäude zu kiecken. Da is’ nix mit Feez. Dit is’ sicher nix für so junges Jemüse wie euch. Da jehn doch nur eure Kreten flöten und eure Zeit verbumfiedelt ihr och noch“, polterte die Wirtin uns an, nach ihrer kurzen Wegbeschreibung zum Startpunkt der Rundfahrt.

      „Wir interessieren uns aber für Kultur und Historie. Außerdem haben wir noch kaum etwas von Westberlin gesehen und dachten, so wäre es die beste Möglichkeit möglichst viel davon kennen zu lernen“, antwortete ich leicht verdutzt.

      „Wat? Dit interessiert euch? Naja, hat halt so jeder seins, wa?!“ Skeptisch und leicht beleidigt musterte uns die Wirtin von oben bis unten.

      „Hört nich’ uf die olle Klafte, Mädels. Die redet nur Makulatur. Dit wird euch schon jefallen. Is ja och richtig so, hier mal wat anzukiecken, wenn ma’ schon mal hier is’“, mischte sich ein Mann, der auf einem durchgesessenen Sofa neben der Rezeption saß und eine Zeitung las, in unser Gespräch.

      „Mach lieber noch was von deiner Lorke, Hilde, mein Pott is’ schon alle“, wandte sich der Mann an die Wirtin und verschwand wieder hinter seiner Zeitung.

      Wortlos ging Hilde an uns vorbei in die Küche. Verwundert und achselzuckend sahen Fine und ich uns an und gingen in entgegengesetzter Richtung zur Ausgangstür.

      „Die is’ nur einjeschnappt, weil’s nich nach ihrer Nase jing. Macht euch nix d’raus, Mädels“, brummelte der Mann hinter seiner Zeitung uns nach, als wir zur Tür hinaus gingen.

      „Unsympathische Frau“, meinten Fine und ich gleichzeitig, als wir die drei Stufen der Pension hinunter gingen. Wir schauten uns an und lachten.

      „Die Hilde meinte ja, dass die Rundfahrt beim Olympiastadion beginnt, aber ich glaube das wird zeitlich zu eng, wenn wir erst bis dorthin fahren und alle Punkte der Rundfahrt mitnehmen“, überlegte Fine.