Название | RoadMovie |
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Автор произведения | Hans-Joachim Mundschau |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783844253122 |
Pause.
Dann: „Es hat sich keine Gelegenheit ergeben.“
Ich sagte ihr noch, wie schön es mit ihr war und dass ich mich noch heute um das Hotelzimmer für das Wochenende kümmern würde.
„Ja, mach’ das.“ Sie schien seltsam desinteressiert.
Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, fühlte ich eine verzweifelte Leere in mir. Ich lief einfach los und fand mich irgendwo in der Innenstadt wieder. Mir fehlten einige Minuten, ich fand mich nicht zurecht. Wo hatte ich mein Auto abgestellt? Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Unordnung in meinem Kopf gelegt hatte. Ich kaufte mir in dem Stehcafé am Anfang der Langgasse einen Kaffee und versuchte mich zu sortieren.
Eigentlich hatte sich nichts verändert. Da war das geplante Treffen am nächsten Wochenende; die Aussicht, sie eine ganze Nacht in den Armen zu halten, neben ihr einzuschlafen und aufzuwachen; die Hoffnung, mit ihr einen neuen Anfang zu machen.
Ihre und meine Kinder beschäftigten mich überhaupt nicht. Ich hatte sie völlig ausgeblendet und damit ein mögliches Problem übersehen.
Nach der zweiten Zigarette und einem zweiten Kaffee war ich so weit wieder hergerichtet, dass ich zu meinem Auto gehen konnte. Ich schwebte wieder auf der Wolke, die in der Woche zuvor aufgetaucht war, fing an mich zu freuen, Glück zu empfinden.
Im Büro hängte ich mich sofort ans Telefon und hatte innerhalb einer Viertelstunde mit Hilfe der Gelben Seiten ein Zimmer in einer Pension an einem Stausee in Westfalen gefunden und gebucht. Ich rief Patrizia gleich an und berichtete. Sie sagte, dass sie möglicherweise Argumentationsschwierigkeiten ihrem Mann gegenüber habe, aber sie werde sich schon etwas ausdenken. Sie beruhigte mich damit.
Der restliche Tag erschien mir kurz. Auch die sich allabendlich wiederholenden Auseinandersetzungen mit meiner Frau über die üblichen vermeintlichen Missstände – mein geringer Beitrag zur häuslichen Reinlichkeit, meine langen abendlichen Fernsehorgien, meine mangelnde Beschäftigung mit den Kindern – perlten an mir ab. Ich setzte mich ins Wohnzimmer, nachdem ich die Kinder ins Bett gebracht hatte, öffnete eine Flasche Rotwein und hing meinen Gedanken nach. Ich war dabei, mich zu verabschieden. Schon seit einigen Wochen schlief ich nicht mehr im gemeinsamen Schlafzimmer. Wir hatten extra für mich eine Schlafcouch für das Wohnzimmer gekauft. Dadurch waren wir der Peinlichkeit entkommen, uns beim Masturbieren zu ertappen. Wir schliefen nicht mehr miteinander, weil unsere letzten Kopulationsversuche regelrechte Schlachten gewesen waren. Sie hatte mir einmal gesagt, dass mein Penis für sie zu groß sei und dass es ihr keinen Spaß mache. Es war dann nur noch ein Abladen von Samen. Irgendwann hatten wir damit aufgehört.
Sie begann nach langem Anlauf eine Affäre mit einem Sozialarbeiter, der offenbar auf unausgelastete Frauen spezialisiert war. Pikanterweise hatte ich ihn während eines Bildungsurlaubs kennen gelernt und sie beide miteinander bekannt gemacht. Ich hatte kein Problem damit. Allerdings war er in mancher Hinsicht peinlich – ein Schwadroneur von Gottes Gnaden, und er trug ein Goldkettchen ohne Anhänger um den Hals. Seine Frau ahnte von allem nichts. Sie wurde später von einer wichtigtuerischen Freundin aufgeklärt. Verbissen wie sie war, veranstaltete sie eine Art Tribunal in unserem Haus – ich war nicht da – wobei der gute Knut ziemlich viel einstecken musste. Er soll danach nie wieder fremdgegangen sein. Glaube ich aber nicht.
Der nächste Tag war beschwingt, ich verließ früh das Haus, verbrachte einen schönen Vormittag mit Besuchen bei den Sprachkursen, die ich betreute. Der übernächste Tag brachte den Schlag in die Eingeweide.
Als ich ins Büro kam, lag auf meinem Schreibtisch ein Brief von Patrizia, den mir Friede hingelegt hatte. Mein Magen zog sich zusammen, ich erwartete keine gute Nachricht. Der Inhalt war schlimmer als ich befürchtet hatte.
Wir werden uns am Wochenende nicht treffen können, mir bricht hier alles zusammen schrieb sie.
Ich weiß nicht mehr, was sie noch alles schrieb. Am schlimmsten war, dass ich sie nicht mehr anrufen sollte.
Ich rief sie sofort an und fragte, was das sollte. Sie schien zerknirscht, sagte mir, es täte ihr leid. Sie habe eine Aussprache mit ihrem Mann gehabt, und sie hätten beschlossen, noch einmal neu anzufangen.
Ich sagte das Hotelzimmer ab. Die Dame in der Pension war sehr biestig, wollte einen Teil der entgangenen Zimmermiete haben, aber es gelang mir, sie mit einer schnell erfundenen rührseligen Geschichte milde zu stimmen.
Ich war zerstört. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Meine Ahnungen waren wahr geworden. Am liebsten hätte ich an meinem Schreibtisch geweint, aber da kam nichts. Da wo mein Magen sein sollte, zog sich ein Knoten zusammen. Alles hatte mit einem Mal an Bedeutung verloren. Ich habe erst viel später bei Harry Potter eine passende Beschreibung meines damaligen Zustandes gefunden. Es war, als hätte ein Dementor seinen Kuss aufgesetzt. Ich fürchtete, ich würde nie wieder froh werden.
Meine Frau merkte mir die Veränderung an. Doch wir waren einander nicht mehr so nahe, dass ich mit ihr hätte darüber sprechen wollen. Ich trug es mit mir herum, und es nagte an mir.
Am Freitag dieser furchtbaren Woche gab sie mir zu verstehen, dass sie sich mit ihrem Goldkettchenträger abends in unserem Haus treffen wollte. Mir war es gleichgültig. Ich fuhr mit dem Auto nach Gießen, streifte erst ziellos durch die Stadt und ging dann, weil ich nichts mit mir anzufangen wusste, ins Kino. Es war „Stargate“. Ich habe den Film seither drei oder vier Mal gesehen. Es war jedes Mal eine Tortur. Die Gefühle von damals sind noch geankert, auch wenn sie nicht mehr unmittelbar mit Patrizia zu tun haben, sie sind grausam. Die entsetzliche Leere lauert immer noch.
Nach dem Film fuhr ich nach Hause, sah vor dem Haus noch Knuts Auto stehen. Etwas trieb mich dahin, wo ich glaubte, Patrizia am nächsten zu sein. Es war für andere sicher eine wunderschöne Vollmondnacht. Für mich war es eine Nacht auf der Straße. Ich fuhr durch den Westerwald mit dieser Leere in mir. Etwa gegen zwei Uhr war ich in Neunkirchen, ihrem Geburtsort. Mein Irrtum hätte größer nicht sein können. Da, wo ich ihre Nähe zu spüren hoffte, wurde mir der Verlust am schmerzlichsten bewusst. Ich konnte jetzt auch weinen. Ich fuhr aus dem Ort heraus, hielt am Straßenrand und weinte einfach. Irgendwann schlief ich ein, schlief wohl lange, erwachte gegen halb vier und wusste zunächst nicht, wo ich war. Nach und nach kam die Orientierung wieder. Ich hatte keine Lust, nach Hause zu fahren. Ein Kaffee wäre gut gewesen, aber keine Chance um diese Zeit. Ich fuhr wieder los, ziellos, der nagende Schmerz verschlimmerte sich. Es gab keinen Augenblick der Erleichterung. Ich wollte, dass es aufhörte.
Nach schier endlosen Umwegen kam ich wieder bei unserem Haus an. Knuts Auto war weg. Es war still im Haus. Meine Schlafcouch, auf der sie sich geliebt hatten, war schon für mich hergerichtet. Das Ehebett schien noch tabu zu sein. Plötzlich spürte ich, wie müde ich war. Ich zog mich nicht einmal aus, schlief in meinen Klamotten ein.
Meine Kinder weckten mich, als sie ins Wohnzimmer kamen um fernzusehen. Sie störten mich nicht. Ich war traurig, weil ich das bald nicht mehr so haben würde. Ich nahm mir vor, die Wohnungssuche anzugehen.
Die nächsten Wochen waren nicht einfach. Ich hatte noch nie einen solchen Zustand der Perspektivlosigkeit erfahren. Ich ließ mich treiben oder – besser – wurde getrieben. Damals entdeckte ich, dass es eine Kraft in mir gibt, die mich leitet und schützt, wenn mein bewusstes Ich dazu nicht fähig ist.
Als ich wieder einigermaßen geordnet war, fuhr ich zu Johannes und erzählte ihm die Geschichte. Johannes konnte wie immer brillant analysieren, was passiert war, sowohl bei mir als auch bei Patrizia. Ich konnte gut annehmen, was er sagte, aber es half mir nicht sehr. Von den Sternzeichen her würden wir wohl auch nicht zusammenpassen. Ihrem Schütze-Aszendenten würde diese Affäre wohl gefallen, aber ihr Sonnenzeichen Stier würde sich klar für ihre Familie entscheiden. Das klang plausibel, aber ich hasste es. Johannes, der mich wahrscheinlich kennt wie sonst niemand, sagte dann etwas sehr Schönes, was ich mir aufbewahrt habe:
„Du