Iska - Die Flucht. Jürgen Ruhr

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Название Iska - Die Flucht
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754185339



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wenig herum. Gerade, als er sich zu einer Antwort durchgerungen hatte, betrat eine ältere Frau mit mehreren Bechern und einem Krug den Raum. Sigmar beugte sich zu Iska und flüsterte ihr schnell zu: „Das ist Diotrun.“ Dann sprang er auf.

      „Mutter. Den Göttern sei Dank, dir geht es gut.“ Mutter und Sohn umarmten sich, dann reichte sie jedem einen Becher und füllte aus dem Krug auf. Leise verließ Sigmars Mutter wieder den Raum.

      Baldram nahm wieder das Wort auf: „Du wirst später noch Gelegenheit haben, mit deiner Mutter Worte zu wechseln. Jetzt, ist es an der Zeit, dass nur wir Männer uns hier unterhalten. Trinken wir auf die Götter und dass sie dich haben unbeschadet heimkehren lassen! Trinken wir auf Odin, als Herrscher der Götter und trinken wir auf seine Raben Hugin und Munin, auf dass sie ihm immer von dem was auf Erden geschieht, berichten mögen!“

      Baldram erhob seinen Becher und Sigmar und Iska taten es ihm gleich. Dann leerten sie die Becher gleichzeitig in einem Zug.

      Iska rechnete nicht damit, dass sich in dem Becher Wasser befinden würde. Auch hatte sie, dank ihrem Dorfältesten Thoralf, schon von den Getränken der Römer erfahren. Wein nannten die das. Was ihr jetzt aber die Kehle hinabrann, süß und doch so brennend, stürzte sie in Verwirrung. In ihrem Inneren tobte plötzlich ein Feuer und aus mit vor Entsetzen weit geöffneten Augen blickte sie Sigmar angstvoll an. Der sah ihren Blick, schaute zu seinem Vater und beide begannen schallend zu lachen. Sigmar beruhigte sich langsam und sprach zu Iska: „Du hast wohl noch nie in deinem Leben Met getrunken?“

      Iska schüttelte den Kopf, der plötzlich merkwürdig leicht schien. „Met? Nein, was ist das. Ist das ... verzaubertes Blut der Götter?“ Iska meinte, der Boden würde sich unter ihr auftun. Zumindest schwankte er ein wenig.

      Baldram konnte sich kaum beruhigen: „Blut der Götter. Welch ein Einfall! Ja wahrlich, das könnte ‚Blut der Götter‘ genannt werden. Aber, Sigmar, was für einen merkwürdigen, jungen Mann hast du mir da angeschleppt? Kennt er keinen Honigwein? Jetzt mache mich endlich mit deinem jungen Freund bekannt!“

      Sigmar sah sich genötigt, die ganze Angelegenheit aufzuklären: „Vater, bei diesem jungen Mann handelt es sich um ein junges Mädchen.“ Er erzählte die Geschichte der Flucht, so wie Iska sie ihm geschildert hatte. Baldram ließ Sigmar sprechen, ohne ihn zu unterbrechen und Iska, die jetzt mit einem leichten Schluckauf kämpfte, fügte hin und wieder einige Worte hinzu.

      Als Sigmar endlich endete, strich sich Baldram durch den Bart. „Hmm, Iska also. Da schicke ich meinen Sohn einmal in Feindesland und schon bringt er ein Mädchen mit nach Hause, das er heiraten will!“ Schmunzelnd blickte Baldram auf die beiden.

      Sigmar protestierte. „Vater, das stimmt so nicht ganz! Du hast mich zahlreiche Male ins Feindesland geschickt, und ...“

      Baldram unterbrach seinen Sohn: „Ja, ja. Ich werfe dir ja auch nichts vor. Deiner Mutter und mir ging es vor vielen, vielen Jahren kaum anders. Glaube mir, zahlreiche Ehen werden geschlossen, um Stämme oder Familien zu verbinden und oft folgt diesen Verbindungen dann auch die Liebe. Aber ebenso oft bleiben sie ohne Liebe und es folgt nur der Hass oder - im günstigeren Fall - die Gleichgültigkeit. Meinen Segen für eine Heirat sollt ihr haben und deinen Gedanken zuvor die Weise Yelva zu befragen, kann ich nur gutheißen. Da sich der Tag aber dem Ende entgegen neigt, sollten wir jetzt unseren Hunger stillen und uns anschließend der Nachtruhe widmen. Morgen, so die Götter wollen, wird wieder ein Tag anbrechen und dann ist es an der Zeit, weitere Dinge zu regeln. Du musst mir und den Dorfältesten später auch über deine Erkenntnisse im Römerland jenseits des Limes berichten!“ Sigmar nickte zustimmend und Baldram wandte sich jetzt an Iska: „Du kannst vorläufig dein Lager bei Wibke und ihrem Gatten aufschlagen. Die Hütte bietet genügend Platz. Die beiden sind informiert worden und erwarten dich zum Essen.“

      Eine ältere Frau trat in die Hütte und sah Iska auffordernd an. Iska verstand. Vorsichtig stand sie auf, denn immer noch schien der Boden etwas zu schwanken. Leicht verneigte sie sich vor Baldram, warf Sigmar noch einen warmen Blick zu und folgte der Alten. Die brachte sie direkt zu einer am Waldrand stehenden, ebenfalls recht großen, Hütte.

      Inzwischen langte Sunna an ihrem Himmelsziel an und es herrschte Dunkelheit. Iska wollte ein paar Worte mit der alten Frau wechseln, aber die war ebenso leise, wie sie erschienen war, auch wieder verschwunden. Knarrend öffnete sich die Tür der Hütte und Wibke erschien in der Öffnung. „Iska, komm herein. Wir haben dich schon erwartet.“

      Verwundert schaute Iska auf die junge Frau. Kaum wurde ihre Geschichte Baldram bekannt, so schienen sich die Nachrichten durch das ganze Dorf zu verbreiten. Fragend sah sie Wibke an, folgte ihr dann aber ohne die auf den Lippen brennende Frage zu stellen. Die junge Frau lachte kurz auf: „Na, Iska, ich sehe deinem Gesicht an, was dich beschäftigt! Ja, wir haben hier ein ganz ausgezeichnetes System, Neuigkeiten allen kundzutun. Die alte Frau, die dich hergebracht hat, Yelva, erfährt mit Baldrams Zustimmung alles, was in dessen Hütte besprochen wird, ebenso wie sie alles erfährt, was bei den Ältestentreffen gesprochen wird. Ja, man sagt sogar, Yelva könne die Gedanken der Männer und Frauen lesen - so wie man in einem Buch lesen kann. An Yelva liegt es dann, die gewonnen Informationen zu verwerten und weiterzugeben oder geben zu lassen.“

      Beide standen jetzt in der großzügig angelegten Hütte und Iskas Augen gewöhnten sich allmählich an das hier herrschende Halbdunkel. Zwar brannten mehrere Öllämpchen in dem Raum, aber hier war es lange nicht so hell, wie in Baldrams Hütte. Ein Mann trat auf sie zu, groß, aber recht mager und als er nahe genug bei Iska stand, erkannte sie ein schmales, bärtiges Gesicht, das freundlich auf sie herabblickte. Der Mann schien ihr bald doppelt so groß wie sie, aber das musste an dem Licht liegen.

      „Das ist mein Mann, Alrik.“ Wibke legte besitzergreifend eine Hand auf dessen Arm und schaute ihn mit warmem Blick an. Iska und Alrik begrüßten sich. Der Mann war ihr gleich sympathisch. Die freundliche und zurückhaltende Art gefiel ihr. Alrik setzte sich an einen kleinen Tisch im Raum und Wibke zog Iska hinter eine Decke, die über ein Seil gespannt war. „Alrik ist kein Freund großer Worte, aber er hat das Herz auf dem rechten Fleck. Die Götter - und das Dorf - haben mir einen guten Mann gegeben!“ Wibke sagte dies heiter und sorglos und Iska erkannte, dass es zwischen den beiden eine gewisse Verbundenheit gab. Aber Wibke sprach weiter: „Hier, wir haben einen Schlafplatz schon vorbereitet. Du kannst deine feuchte Kleidung dort über den Schemel legen, noch schüren wir kein Feuer. Erst wenn es kälter wird. Ich habe dir auch etwas zum Anziehen herausgelegt. Ein paar Sachen von mir. Sie müssten dir eigentlich passen. Schau dort.“ Eine Decke lag auf einer Ansammlung von Stroh und obenauf erkannte Iska ein einfaches, sauberes Gewand. Dankbar sah sie Wibke an.

      „Zieh dir die trockene Kleidung an und dann geselle dich zu uns. Du wirst bestimmt hungrig sein.“

      Iska nickte und als Wibke sich zurückzog, streifte sie schnell die feuchte Männerkleidung ab. Sorgfältig legte sie die römischen Waffen neben den Schemel. Ebenso tat sie es mit den Schuhen, die ihr gute Dienste geleistet hatten. Wenn es nicht unbedingt sein müsste, würde sie diese Schuhe - auch wenn es römische Soldatensandalen waren - nicht wieder hergeben. Das Leinengewand war ihr ein wenig zu groß und Iska zog den Dolch und das römische Kurzschwert von dem Gürtel des Soldaten und legte den Riemen um ihre Taille. Schon saß das Kleid besser. Jetzt, da sie aus den feuchten Sachen heraus war, fühlte sie sich direkt wohler. Rasch trat sie zu Wibke und Alrik. Auf ein Zeichen Wibkes setzte sie sich auf einen Schemel an den Tisch.

      „Noch etwas Hirsebrei?“ Wibke meinte es gut, aber Iska konnte beim besten Willen nichts mehr essen. „Nein, danke. Ich platze gleich. Soviel habe ich seit Jahren nicht mehr gegessen.“ Iska wiegte ein wenig den Kopf. „Na, wenn ich recht überlege, soviel habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gegessen! Brot, Fleisch, Brei. Und dann der köstliche Met.“ Iska kannte sich nicht wieder. Sie fühlte sich leicht und beschwingt. Ihre Zunge fand manchmal eigene Wege und ihre Gedanken flogen immer häufiger zu Sigmar, den sie jetzt liebend gerne in ihren Armen halten würde und dessen starken Phal...

      „Iska, hallo Iska, hörst du mir eigentlich zu?“ Wibke schubste Iska leicht an der Schulter. Dann wandte sie sich mit gespielter Empörung an ihren Mann: „Alrik! Was sagst du dazu? Trinkt kaum einen halben Becher Met, die Gute, und schon ist