Iska - Die Flucht. Jürgen Ruhr

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Название Iska - Die Flucht
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754185339



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Sofort begann sie die dicksten und reifsten Früchte in den Korb zu sammeln, während Sigmar zu der Quelle herüber ging.

      Als er schließlich wieder neben Iska trat, war diese gerade mit dem Pflücken der Beeren fertig.

      „Heute werden wir noch mit den Beeren und den Resten Brot und Fleisch, die in der Hütte sind, vorliebnehmen müssen. Leider kann ich hier schlecht ein Feuer entfachen, das würde uns verraten. Es ist immer möglich, dass die Römer wieder einmal über den Fluss herüberkommen und hier durch die Wälder streifen. Sonst hätte ich einen Hasen oder vielleicht sogar ein Reh jagen können!“

      Iska winkte ab: „Die Beeren, die ich gesammelt habe und das Essen in der Hütte, wird reichen. Ich bin so manches Mal hungrig schlafen gegangen und die frischen Früchte hier werden unser Festmahl heute Abend werden. Und aus dem Brot und einigen Beeren kann ich uns einen leckeren Brei mit dem frischen Wasser zubereiten. Du wirst staunen, Sigmar!“

      Iska versprach wirklich nicht zuviel. Sie zerkrümelte das restliche Brot und vermischte es mit ein wenig Wasser. Zu dem Brei fügte sie einige zerquetschte Beeren hinzu. Dazu aßen sie noch etwas von dem getrockneten Fleisch und alsbald waren beide zutiefst gesättigt. Sigmar wischte sich den Mund an seinem Ärmel ab, stieß einen dankbaren Rülpser aus und deutete Iska sich neben ihn aufs Stroh zu legen. Zärtlich schmiegte sie sich in seine Arme.

      Der nächste Morgen weckte die beiden Menschen mit einem furchtbaren Donnerschlag. Draußen rauschte der Regen und ein kleines Rinnsal lief mitten durch die Hütte. Zuckendes Licht fiel durch die schmalen Ritzen und ein weiterer mächtiger Donnerschlag ließ die Erde erzittern. Ängstlich schmiegte sich Iska an den Mann. „Keine Sorge, hier drinnen sind wir sicher“, beruhigte der sie und spielte mit ihren kurzen Haaren.

      Iska lief ein Schauer den Rücken herunter. „Donar zürnt uns. Ein Schlag mit seinem Hammer kann uns vernichten. Ich habe Angst, Sigmar.“

      Sigmar legte seine Arme um das Mädchen und zog sie ganz fest an sich. „Keine Sorge, kleine Iska. Ich bin bei dir und ich werde dich beschützen. Fürchte dich nicht!“ So saßen sie eine ganze Weile und lauschten dem Regen und dem Gewitter. Plötzlich schlug ein Blitz krachend in einen Baum ein. Der folgende Donner war ohrenbetäubend. Iska vergrub ihr Gesicht an Sigmars Schulter. Nur wenige Sekunden später krachte etwas gegen die Hütte. Der Boden schwankte und Holz splitterte.

      „Das ist unser Ende“, schrie Iska. Tränen liefen ihr die Wangen herunter.

      „Noch leben wir. Vermutlich hat der Blitz einen Baum getroffen und der ist vor die Hütte gestürzt. Sigmar machte sich von Iska los, die ihr Gesicht nun in beiden Händen verbarg. Dann trat er zu der kleinen Tür. „Ich schaue nur kurz nach, was das eben war“, erklärte er und drückte gegen die Tür. Doch die gab nicht nach. Erneut und mit mehr Kraftanstrengung versuchte er sie zu öffnen. Aber alle seine Bemühungen blieben erfolglos. Endlich gab Sigmar auf: „Die Tür lässt sich nicht mehr öffnen. Vermutlich blockiert sie der Baum.“

      Iska blickte Sigmar ängstlich an: „Dann sind wir - hier gefangen?“

      „Ja, aber keine Sorge, wir werden uns schon befreien.“

      „Das war Donar. Er schließt uns hier in der kleinen Hütte ein und wir werden sterben! Bei allen Göttern - jetzt werde ich für meine Taten bezahlen.“

      Sigmar ließ sich neben Iska ins Stroh fallen. „Beruhige dich, Iska. Wir können den Göttern eher danken, dass der Baum nicht auf die Hütte gefallen ist. Dann wären wir nämlich jetzt schon tot. Die Hütte ist nicht so stabil, dass sie das Gewicht des fallenden Baumes tragen könnte. Und das wird auch unsere Rettung sein, denn mit ein wenig Arbeit lässt sich bestimmt ein Loch in die Wand machen. Die dicken Äste liegen lose aufeinander und nur dünne Zweige und biegsame Äste sind miteinander verflochten. Also beruhige dich.“

      Iska holte tief Luft. „Wir sterben nicht?“

      „Nein, Iska. Noch haben uns die Götter verschont. Sonst wäre der Baum direkt auf die Hütte gefallen und hätte uns getötet. Vielleicht meinen die Götter es ja gut mit uns.“ Zärtlich wanderten seine Hände über ihren Rücken. Es dauerte nicht lange, dann vergaßen die beiden das Unwetter um sich herum.

      Der Regen hielt den ganzen Tag und auch die kommende Nacht an. Während sich das Gewitter allmählich entfernte und irgendwann ganz aufhörte, steigerte sich das stetige Plätschern eher noch. Bisher waren die beiden von den Wassermassen verschont geblieben - das Geflecht aus Ästen und Blättern hielt dicht. Lediglich das Rinnsal in der Mitte der Hütte wurde breiter und breiter. Als Sigmar plötzlich halb im Wasser lag, verlegten sie das noch trockene Stroh an die andere Seite der Hütte. „Wenn der Regen nicht bald nachlässt, wird die ganze Hütte unter Wasser stehen“, meinte Sigmar und suchte nach seinem Dolch.

      „Was hast du vor, Sigmar? Kann ich dir helfen?“

      „Ich werde versuchen einen Graben durch die Hütte zu ziehen. Dann breitet sich das Wasser nicht weiter aus.“ Schon grub er im Boden. Gurgelnd floss das Wasser in die ausgehobene Stelle. Iska sah, was er vorhatte und benutzte die bloßen Hände, um ebenfalls den Boden auszuheben. Da es sich um lediglich leicht festgetretenen Waldboden handelte, kamen sie mir ihrer Arbeit gut voran. Bald rauschte ein kleiner Bach von einem Ende der Hütte zum anderen. „Gut, so wird kein weiterer Boden der Hütte überflutet“, meinte Sigmar endlich und legte den Dolch zur Seite.

      „Wird der Regen jemals wieder aufhören, Sigmar?“ Iska betrachtete versonnen das Wasser in dem Graben.

      „Der Regen hört immer wieder auf. Warte ab, morgen lacht Sunna wieder vom Himmelszelt und alle deine Sorgen sind vergessen. Komm, lass uns ein wenig essen und dann ruhen. Morgen kümmere ich mich darum, dass wir aus unserem kleinen Gefängnis wieder entfliehen können.“

      Sigmar sollte recht behalten. Irgendwann in der Nacht ließ der Regen nach und versiegte dann ganz. Das bekamen die beiden aber nicht mit, da sie tief und fest schliefen. Erst eindringliches Vogelgezwitscher weckte die jungen Menschen. „Siehst du, Iska, ich habe recht behalten. Die Vögel singen wieder, das Unwetter ist vorüber und durch die Ritzen kann ich sogar die Strahlen Sunnas sehen.“ Sigmar reckte sich und blickte auf die nackte Iska herunter. ‚Sie ist eine wunderschöne Frau‘, dachte er, ‚ob sie mich heiraten möchte? Und ob wir die Einwilligung des Dorfes bekommen?‘ Dann verscheuchte er die Gedanken und wandte sich praktischeren Dingen zu. Rasch zog er seine Kleider über und versuchte dann vorsichtig die Tür zu öffnen, was ihm aber nicht gelang. „Wenn an dieser Seite ein Baum liegt, dann sollte ich dort versuchen, ein Loch in die Wand zu machen.“ Er begab sich an die angegebene Stelle und prüfte die Äste. Schließlich schüttelte er resigniert den Kopf. „Das scheint doch schwieriger zu sein, als ich dachte. Vielleicht dort drüben.“ Sigmar trat zu der anderen Wand. Heftig rüttelte er an dem Holz. Schließlich setzte er sich neben Iska, die immer noch nackt auf dem Stroh lag. In Gedanken glitt seine Hand über ihren Rücken. „Die Wände sind stabiler, als ich dachte“, meinte er schließlich. „Da ist nicht so einfach durchzukommen.“

      Iska wand sich unter seiner Hand wohlig, auch wenn Sigmar nur mechanisch ihren Körper liebkoste. Zufällig fiel ihr Blick auf den kleinen Graben, durch den nun kein Wasser mehr floss. „Wir graben ein Loch“, schlug sie vor und setzte sich auf. „So wie wir den Graben aushoben, so können wir doch auch ein Loch unter der Wand hindurch graben.“

      Sigmar sprang auf. „Eine prima Idee, Iska. Warum bin ich nur selbst nicht darauf gekommen? Hier, nimm du meinen Dolch, ich benutze das Schwert.“ Iska erhob sich lächelnd und legte die Männerkleidung an. Dann ergriff sie den angebotenen Dolch. Alsbald begannen beide in dem feuchten Erdreich zu graben.

      Die Arbeit wurde schwieriger, als zunächst gedacht. Der Waldboden war mit kleinen und größeren Wurzeln durchzogen. Der kleine Graben zuvor war recht flach gewesen, so dass ihnen die Wurzeln nicht so zu schaffen gemacht hatten. Jetzt aber galt es recht tief zu graben, schließlich mussten ihre Körper duch das Loch passen. Mach einiger Zeit fielen sie erschöpft auf das Stroh. „Legen wir eine kleine Pause ein. Diese Wurzeln sind schwieriger zu entfernen, als ich dachte.“

      Iska nickte. Ihr rann der Schweiß in kleinen Bächen die Stirn herunter. Ihr Gesicht