Название | Kullmann und das Lehrersterben |
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Автор произведения | Elke Schwab |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kullmann-Reihe |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750237292 |
Kapitel 2
Es war schon viel zu warm für diese frühe Stunde. Diese Hitze machte ihn fertig. Ernst Plebe schleppte seinen massigen Körper über den Zugangsweg auf das braune Schulgebäude zu. Sein Blaumann heizte ihm ein, aber er musste ihn tragen. Denn daran befanden sich etliche Taschen, in denen er sämtliche Werkzeuge verstauen konnte. So vermied er es, für jede Reparatur weite Wege zum Werkzeugkeller zurücklegen zu müssen. Er suchte lange an seinem Schlüsselbund, bis er den richtigen Schlüssel fand, um das Max-Planck-Gymnasium aufzusperren. Am Türschloss legte er den kleiner Schnapper zurück, damit die Türen nicht fest einrasten konnten. Anschließend öffnete er die Glastür weit, damit die abgestandene Luft der Nacht entweichen konnte. Direkt gegenüber lag die nächste Tür, die zum Innenhof führte. Dort passte derselbe Schlüssel. Er entsicherte ebenfalls den Schnapper und stellte die Tür weit auf, um Durchzug zu erzeugen. Sein nächster Gang galt dem gelben Gebäude am Ende des Hofes. Ärgerlicherweise musste er dafür an der verlockenden Kantine vorbeigehen, aus deren geöffneter Tür verführerische Düfte den Hof einhüllten. Hastig schloss er die Tür zu dem gelben Gebäude auf und eilte – magisch angezogen von den Essensgerüchen – zurück zum Bistro Max-Inn. Er wusste, dass die gute Seele der Schule, Hilde Probst, schon mit frischen Brötchen und Kaffee auf ihn wartete. Das war für Plebe ein Muss. Ohne ein gutes Frühstück zusammen mit Hilde Probst brauchte er gar nicht erst zu versuchen, den Tag zu beginnen. Schon von weitem sah er, dass für ihn auf der kleinen Theke alles gerichtet war. So konnte der Arbeitstag beginnen.
Er nahm seine Brötchen, die mit Wurst und Käse belegt waren, und suchte sich einen Tisch im Inneren des Raums. Ans Fenster wollte er auf keinen Fall, weil dort die Sonne schon früh am Morgen einheizte. Also entschied er sich für einen Platz ganz in der Nähe der Küche. Nach nur wenigen Minuten, die mit Geschirrklappern und Scheppern vergingen, gesellte sich die Köchin zu ihm. Es war für die beiden schon zu einem Ritual geworden. Er aß und trank, sie trank und rauchte. Diese ungestörte Harmonie konnten sie nur in den frühen Morgenstunden genießen. Denn schon bald würde der Schulbetrieb losgehen und dann war es mit der Ruhe vorbei. Zurzeit zwitscherten nur die Vögel um die Wette.
Plebe kaute eine Weile, bis ihm die Geduld verging. »Diese Vögel machen einen Lärm, dass es mich wundert, wie einer so etwas schön finden kann.« Hilde Probst lachte und antwortete: »Du bist nur neidisch, weil die Vögel bessere Laune haben als du.«
Verdutzt schaute Plebe die Köchin an. Wenn er es sich genau überlegte, hatte sie Recht.
Die ersten Schüler trafen ein. Sie waren es, denen es spielend gelang, den Lärm der Vögel zu übertönen. Schon wieder hatte Plebe einen Grund sich zu ärgern. Er war wohl genau das, was man einen Morgenmuffel nannte. Doch an diesem Morgen kam ihm das Geschrei der Schüler besonders laut vor. Darunter mischte sich Kreischen und Lachen, das schon nach Hysterie klang.
»Da stimmt was nicht«, stellte nun auch die Köchin fest. Die beiden ließen ihre Frühstücksutensilien fallen und eilten durch den Hof zum braunen Schulgebäude des Max-Planck-Gymnasiums. Schon an der offenstehenden Glastür erkannte Ernst Plebe, dass etwas passiert sein musste. Aufgeregt betrat er das Gebäude. Dabei hatte er Mühe, an den durcheinanderlaufenden Schülern vorbeizukommen.
»Was ist hier passiert?«, fragte er atemlos.
Ein älterer Schüler antwortete mit einem ironischen Grinsen: »Schauen Sie doch selber nach!«
Plebe versuchte sich nicht über den überheblichen Kerl zu ärgern. Er folgte der Masse der Schüler, die alle in die große Aula drängten. Schon von weitem sah er, was die Aufregung ausgelöst hatte. Ihm wurde schwindelig vor Schreck. Alles hatte er erwartet – nur das nicht.
Mitten in dem großen Lichthof, in einer Höhe von drei Metern hing ein Mann.
Plebe wollte das nicht sehen. Aber er konnte seinen Blick nicht abwenden. Er hatte sich nicht getäuscht. Dort hing Bertram Andernach, der Deutschlehrer.
Er war mausetot, was sein blau angelaufenes Gesicht und die heraushängende Zunge verrieten. Aber das war noch nicht alles. Die Hosen des Deutschlehrers hingen auf seinen Fußknöcheln. Sein Unterkörper war nackt.
Kapitel 3
Das Lied Vom selben Stern von der Gruppe Ich und Ich bohrte sich laut in Erik Tenes’ Ohr. Er wollte nicht wahrhaben, dass die Nacht schon vorbei war. Zu gut hatte er geschlafen, was nicht gerade oft in seinem Leben vorkam. Nach seiner Versetzung von Köln nach Saarbrücken vor sechs Jahren hatte er gehofft mit seinem Leben ins Reine zu kommen. Doch leider war ihm das bisher noch nicht gelungen. Zu schwer lastete seine Vergangenheit auf ihm – eine Zeit, die er einerseits hinter sich lassen, andererseits aber nicht vergessen wollte. Das in Einklang zu bringen, war nicht einfach.
Aber egal wie sehr er das Aufstehen an diesem Morgen in die Länge zog, sein Beruf als Kriminalkommissar ließ ihm keine andere Wahl. Er musste dem Unvermeidlichen ins Auge sehen – in diesem Fall dem Display seines plärrenden Handys. Dort stand der Name seines Vorgesetzten, Jürgen Schnur. Das bedeutete Arbeit.
»Ja«, murmelte er in das kleine Mobiltelefon. Ein Blick nach draußen verriet ihm, dass schon heller Tag war. Die Fenster seiner Stadtwohnung zeigten zur Ostseite. Alles schimmerte hell erleuchtet.
»Aufwachen, Erik«, schallte Schnurs Stimme fröhlich in sein Ohr. »Arbeit wartet auf uns.«
»Warum rufst du mich deshalb an?« Erik verstand hier etwas nicht. Normalerweise fuhren sie von der Dienststelle aus zu einem Tatort. Seit seiner Dienstzeit in Saarbrücken war ihm so ein Anruf noch nicht untergekommen.
»Schön! Ich hatte auch die Absicht, zur Arbeit zu kommen. Ganz ehrlich«, brummte Erik.
»Dieses Mal gibt es eine Planänderung«, klärte Schnur endlich auf. »Komm mich bitte in Völklingen abholen. Dann fahren wir zusammen nach Saarlouis. Dort hat es einen Todesfall gegeben.«
»Klar komme ich dich abholen«, antwortete Erik. »Aber du bist schneller am Tatort, wenn du jetzt schon losfährst.«
»Geht nicht! Mein Auto ist in Reparatur und meine Frau hat das andere mitgenommen.«
»Ach so«, kam es von Erik.
»Und Esther erreiche ich nicht. Weder daheim noch auf dem Handy noch auf der Dienststelle«, fügte Schnur an. »Was ist jetzt? Muss ich zu Fuß nach Saarlouis?«
»Quatsch!« Erik schwang seine Beine aus dem Bett. »Ich halte meinen Kopf noch kurz unter kaltes Wasser, dann fahre ich los.«
Er legte die wenigen Meter zum Bad zurück. Eine kalte Dusche und er fühlte sich sofort besser. Eilig schlüpfte er in Jeans und T-Shirt. Ein Schuh lag ihm so im Weg, dass er fast darüber gestolpert wäre. Den zog er an und suchte nach dem zweiten. Dabei fühlte er sich wie Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh, denn die schwarzen Turnschuhe gehörten zu seinen Lieblingsschuhen. Wäre er nicht so in Eile, könnte er darüber lachen. Doch gerade weil die Zeit knapp war, fand er das Gegenstück nicht. Also zog er den Turnschuh wieder aus und entschied sich notgedrungen für seine weißen Leinenschuhe. Sein Handy steckte er in die Hosentasche, wühlte im Chaos nach seinen Autoschlüsseln und den Wohnungsschlüsseln, bevor er in den Korridor stürmte. Ein harter Aufprall ließ ihn erschrocken zusammenfahren.
Er war mit einer jungen Frau zusammengestoßen, die er noch nie in diesem Haus gesehen hatte. Sie wäre ihm aufgefallen. Ihre schwarzen Haare wirkten struppig, dazu blitzten ihre dunklen Augen frech. Sie trug ein bauchfreies Top, das ein Piercing am Bauchnabel freigab, und kurze Hüftjeans, auf der Eriks Blick länger hängenblieb als er sollte.
Im Treppenhaus waren deutlich Schritte zu hören. Kam jemand herauf? Oder ging jemand hinunter?, überlegte Erik. Rasch hob er seinen Blick hoch ins Gesicht seines Gegenübers, um die Peinlichkeit zu beenden.
»Da habe ich aber einen stürmischen Nachbarn«, flötete die Frau mit einer Stimme, die Erik noch