Die Witwe und der Wolf im Odenwald. Werner Kellner

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Название Die Witwe und der Wolf im Odenwald
Автор произведения Werner Kellner
Жанр Языкознание
Серия Mordskrimi aus dem Odenwald
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753195193



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Witwer zusammen.

      Das Unternehmen, das er ungefragt und ungewollt von seinen Eltern geerbt hatte, plätscherte so dahin, und es lief erst besser, seit die Corona Pandemie ihre Opfer in den umliegenden Pflegeheimen fand und bei ihm ablud.

      Profitabel war das Bestatter Geschäft trotzdem nur bedingt, also hatte er aus der Not eine Tugend gemacht und kümmerte sich um die beliebten ‚Flannerts‘[Fußnote 14]. Jeder ordentliche ‚Ourewäller‘ organisierte sein ‚Flannerts‘ rechtzeitig für seinen Tod, um seinen Angehörigen und Freunden in feuchtfröhlicher Trauerstimmung die Gelegenheit zu geben, sich nachhaltig von ihm zu verabschieden und ihn zu würdigen. Diese ‚Flannerts‘ waren so ganz nebenbei auch wichtige Elemente der lokalen Gerüchteküche und fütterten wegen der Missachtung aller AHA-Regeln durch die Trauernden gleichzeitig auch die gerade hochlaufende Corona Welle, was wiederum Willys Bestatter Geschäft ankurbelte.

      Neben dieser semi-besinnlichen Tätigkeit hatte er sich über die Jahre und ausgelöst durch ein paar ungeklärte Todesfälle, die bei ihm zur Einäscherung gelandet waren, einen Namen als privater Ermittler aufgebaut. Es war ihm bereits mehrfach gelungen, wohlmeinenden Totenscheinen die Erkenntnis einer Fremdeinwirkung entgegenzustellen, was ihm den Respekt seines Kumpels und dessen Kollegen von der Polizeidirektion Erbach einbrachte. Er nahm nicht jeden Fall an und leistete sich den Luxus, wählerisch zu sein. Er nahm nur Fälle an, die zu ihm passten. Sie durften nicht zu langweilig und sollten ausgewogen spannend sein, ohne eine übermäßige Adrenalinausschüttung hervorzurufen. Meistens handelte es sich um Einbruchsdiebstähle, und ab und zu wurde es interessant, wenn er untreuen Ehepartnern hinterherspionieren durfte. Das waren dann später Geschichten, die man gerne bei den Flannerts zum Besten gab.

      Aktuell war die Ermittlung in Sachen Geldautomat-Einbrüche im südhessischen Raum mit dem Schwerpunkt Reichelsheim und Fürth sein größter Auftrag, und der war fast schon wieder zu komplex für ihn. Und sein Unterhaltungswert ließ auch zu wünschen übrig. Deshalb war Willy richtig dankbar, dass sich sein Sohn nach langem Zureden nun doch entschieden hatte, ihn als privater Ermittler bei den trockenen Fällen zu unterstützen. Dem Junior schwebte vor, sich auf Versicherungsfälle zu spezialisieren, denn dort fühlte er sich kompetent aufgestellt, und da passte der Auftrag gut in sein Profil, denn die Sparkassen waren alle gegen Einbruchsdiebstahle hoch versichert.

      Willy hatte seinen Sohn vor Jahren über seine Beziehungen, sprich seinen Polizeikollegen bei der Drogenfahndung in Frankfurt eingeführt, und er hatte auch gelegentlich mit ihm Fälle bearbeitet. Nach einem traumatischen Erlebnis im Zusammenhang mit einem großen Drogenfund und den damit verbundenen Ermittlungen im Milieu des Rauschgiftschmuggels, hatte der Sohn hingeschmissen. Als Selbständiger für große Versicherungen in der Schweiz hatte sich Hans Hämmerle, wie er sich nach seiner Flucht nannte, bei der Aufdeckung diverser Versicherungsbetrügereien einen Namen gemacht.

      Willy trank den letzten Schluck seines Frühstückskaffees und wählte die bekannte Nummer im Kommissariat. Wie er schon befürchtet hatte, brachte ihn das Telefonat keinen Millimeter weiter, da sein Freund Manfred und seine Mannen im vertrauten Dunkel tappten.

      Er bezahlte sein Frühstück und machte sich auf den Weg in sein Büro in der Erbacher Straße gerade gegenüber dem Gymnasium von Michelstadt, und grüßte die Leute, die er traf und fast alle kannte.

      Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als sich selbst auf den Weg zu machen, um wieder einmal die Videokameras von Tankstellen, Supermärkten und öffentlichen Plätzen der näheren und weiteren Umgebung zu checken. Er nahm sich ebenfalls vor, Georg Jährling anzurufen. Er musste sich sowieso erkundigen, wie es dem Freund nach seinem Überfall durch zwei bisher nicht identifizierte Schläger ging.

      Wie die meisten hier kannte er Georg seit vielen Jahren, der zufällig mit seinem Sohn Hans die Schulbank gedrückt hatte, als einen freiberuflichen Journalisten, der sich nach einigen heftigen Erlebnissen eher vorsichtig investigativ im kriminellen Milieu bewegte. Kriminalfälle waren sein Lebenselixier, das er als Investigativreporter kompetent und mit einer guten Spürnase ausfüllte. Vielleicht hatte Georg ein paar Erkenntnisse zu dem Einbruch für ihn, die ihm nutzen konnten. Er würde ihn im Gegenzug über Themen informieren, die von öffentlichem Interesse waren.

      Davor rief er Steffi Schwaiger an, seine junge, wilde Assistentin 2.0, die ihm gelegentlich bei Recherchen aushalf, und die so unübertroffen fix war, wenn es um Computer und Online-Recherche ging. Sie war ein bisschen flippig, aber ihr offenes Wesen basierte auf einer inneren Stärke und Ausgewogenheit, die ihm ebenso gut gefielen, wie ihre Energie, mit der sie sich in seine Aufträge stürzte.

      Sie hatte dem Junior und seiner Tochter eine vorübergehende Bleibe in ihrem für sie allein viel zu großen Haus in Erbach angeboten, und der Junior hatte die Offerte zögernd angenommen. Er schmunzelte bei dem Gedanken wie sich der Junior wohl entscheiden würde, wenn er erstmal die Vergangenheit mit seiner Sandkastenliebe aufgearbeitet und in eine neue Form gebracht hätte.

      Online-Recherche war noch immer nicht sein Ding, und er vertraute seiner Assistentin 2.0 blind, wenn es darum ging an Steuerauskünfte, Melde- und Zulassungsdaten zu kommen oder irgendwelche Datenbanken nach seinen Vorgaben zu durchforsten. Steffi Schwaiger war für diese Art von Hilfestellung immer sofort zu begeistern, und er musste zugeben, dass ihre Trefferquote einen nicht unerheblichen Anteil an seinem Ermittlererfolg hatte. Sie verabredeten sich nach ihrer Mittagspause, sobald sie ihren Vormittagsjob im Gesundheitsamt der Stadt Michelstadt beendet hatte, in seinem Büro.

      Willy schnaufte wie immer ein bisschen, als er über die steile Holztreppe zu seinem im 1. Stock des Hauses gelegene Büro hoch stapfte. Hans saß schon an dem Schreibtisch, den sie sich provisorisch teilten, und Willy sah, wie Hans einige Bilder in Willys unterster Schreibtischschublade betrachtete. Entweder hatte er etwas gesucht, oder er wollte ein paar persönliche Büroartikel dort ablegen und war dabei zufällig auf die Fotos gestoßen, die ihm Hans vor Jahren und vor seiner überstürzten Flucht anvertraut hatte. Er weigerte sich sie wegzuwerfen und mitzunehmen wagte er nicht. In Gedanken versunken hielt er gerade die Aufnahme in der Hand, auf der Alina die fünfjährige Emma auf dem Schoß sitzen hatte. Hans hatte ihm das Foto mit anderen sehr persönlichen Gegenständen übergeben, als er Alinas Leiche vorbeibrachte, die Willy heimlich und ohne Aufsehen zu erwecken bestatten sollte, bevor er sich mit unbekanntem Ziel in die Schweiz abgesetzt hatte.

      „Ei guude Morsche“[Fußnote 15], sollte Hans auf andere Gedanken bringen und Hans gab Willy das Bild und murmelte, „irgendetwas klickt in mir, wenn ich das Bild anschaue. Aber ich fasse es nicht!“, sagte Hans.

      Willy betrachtete seinerseits das Foto, welches er, wie die anderen Bilder auch, immer unter Verschluss gehalten hatte. Eine strahlende Alina, in einem hübschen, hellroten Sommerkleid mit Spaghetti Trägern und tiefem Ausschnitt, das so perfekt zu ihrem dunklen Teint und den schwarzen Haaren kontrastierte. Um den Hals trug sie das einzige Schmuckstück aus ihrer Zeit vor Hans und das goldene Kreuz leuchtete auf der dunklen Haut. Emma lachte ebenfalls fröhlich in die Kamera und zu Hans dem Mann am Auslöser.

      „Ich würde das Bild gerne später mitnehmen“ sagte Hans mit rauer Kehle und Willy nickte.

      „Ich habe es ja nur für dich aufbewahrt.“

      Hans stellt das Bild auf den Schreibtisch zurück, denn jetzt muss er es nicht mehr verstecken.

      Dann fragte Willy, was er tun könnte, um bei diesen dämlichen Geldautomateneinbrüchen endlich einmal weiterzukommen?

      Sie standen grübelnd vor Willys Wanderkarte für den Odenwald, auf der er alle bisherigen Überfälle mit Datum und Uhrzeit und Ausführungsdetails mit schwarzem Filzstift erfasst hatte. Man konnte kein Schema erkennen, außer dass die bekannten Fälle alle in Südhessen stattfanden und mit schöner Regelmäßigkeit zum Ultimo, wenn die Bargeldbestände hoch waren. Das Arbeitsmuster war immer gleich, und bis auf den letzten Überfall war die Bande bei ihrer Einbruchserie absolut effektiv und erfolgreich unterwegs.

      Sie grübelten eine Weile, was bei der Suche nach den Fluchtautos der Bande weiterhelfen würde, und Willy bezweifelte, dass es sich um simple Privatfahrzeuge handeln könnte.

      „Ich denke, das muss jemand sein, der frei über Autos verfügen