FCKNG New Year. Marina Ocean

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Название FCKNG New Year
Автор произведения Marina Ocean
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754186701



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jeder, wenn du etwas forderst.« »Nicht in dieser Sache. Du solltest es besser wissen.« Natürlich weiß ich es. Ice ist ebenso ausführendes Organ wie ich. Mit dem Unterschied, dass er damit Kohle macht. »Das darf doch alles nicht wahr sein!«

      Frustriert raufe ich mir die Haare und drehe mich im Raum um. Ich denke nach. Leider will mir partout keine Lösung für dieses Problem einfallen. Daher lasse ich mich schließlich Ice gegenüber auf einen Stuhl fallen, recke den Kopf nach oben und starre ratlos an die Decke, während ich in meinem sauteuren Anzug auf dem Polster in mir zusammensacke. Gott, wie sehr ich diesen Dreck hasse! Und genau in dem Moment wird mir klar, dass es zwecklos ist. Ich werde mich fügen müssen. Ob mir das nun passt oder nicht. Und so krank diese Idee auch ist, die Jungs haben Recht. Hier wird den Stoff vermutlich niemand suchen.

      War mein Leben bisher ein Drahtseilakt, wandele ich zukünftig auf Messers Schneide. Wenn das rauskommt, bin ich am Arsch. Sollte auch nur der leiseste Verdacht aufkommen, dass ich in illegale Geschäfte verwickelt bin, stellen die mir die Bude auf den Kopf. Dann darf ich mir die Zellen der U-Haft zukünftig von innen ansehen. Großartige Perspektive. Einfach großartig!

      »Ab wann?«, seufze ich resigniert.

      »Sofort«, brummt Ice und sieht mich an. »Die erste Lieferung kommt heute Abend.«

      Entgeistert sehe ich ihn an und glaube, mich gerade verhört zu haben.

      »Wie lange weißt du schon davon?«, zische ich stinkwütend.

      »Tut nichts zur Sache«, wiegelt er ab. »Und wenn ich dir einen guten Rat geben darf: Je eher du dich damit abfindest, desto einfacher wird es. Ob diese Sache zu einem Spaziergang wird oder nicht, liegt allein bei dir.«

      Ich schnaube. Was anderes fällt mir dazu absolut nicht ein. Als würde es etwas ändern, ob ich mich füge oder nicht. Wenn das stimmt, was dieser Informant Ice zugetragen hat, kann es Monate dauern, bis die Polizei die Beschattung wieder aufhebt. Es kommt ganz darauf an, wie viel sie finden werden. Und beim MC gibt es einiges zu finden. Die sind stadtbekannt, mehr muss ich sicher nicht erwähnen.

      »Seht zumindest zu, dass ihr erst nach Feierabend kommt. Und die Türen der Büros bleiben zu! Wenn ich auch nur einen von euch darin erwische, könnt ihr euch einen anderen Umschlagplatz suchen. Verstanden? Ihr bekommt ausschließlich den Meetingraum drei. Ist das klar?«

      »Glasklar!«

      Ice nickt, woraufhin ich ihm lange in die Augen sehe. Problemlos hält er meinem Blick erneut stand. Nach ein paar Sekunden stehe ich auf, laufe zu meinem Schreibtisch und ziehe die Schublade auf. Ich krame unter dem üppigen Bündel Geldscheine, welches ich zur Sicherheit immer hier gelagert habe, den Ersatzschlüssel hervor. Im Anschluss gehe ich zurück zum Tisch und knalle den Schlüssel mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Wehe, du verlierst ihn. Und wehe, ich sehe einen von euch in der Nähe der Kanzlei, bevor abends nicht jeder aus diesen Räumen verschwunden ist.«

      Wieder nickt er.

      »Und steck endlich dieses bescheuerte Messer weg! Du machst mich noch ganz nervös mit dem Teil, Herrgott noch mal.« Der Pres grinst mich nur höhnisch an. Anschließend steht er auf, greift nach dem Schlüssel und lässt ihn in seiner Tasche verschwinden. Das Messer verstaut er ebenso an seinem angestammten Platz am Körper, wodurch mir gleich deutlich wohler wird. Irre ist gar kein Ausdruck für diesen Kerl. Danach verlässt er kommentarlos mein Büro.

      Klasse! Ich scheine den Dreck wirklich magisch anzuziehen.

      Xavier

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      »Mr. Westfield, wann genau war das?«

      Der Mandant in der Leitung nennt mir ein Datum Anfang Juni, das ich mir notiere. Die Behörden sind wahrlich nicht die Schnellsten, wenn er erst jetzt dafür belangt wird. Nun ist Recherche angesagt, ob der Lachsfang zu dieser Zeit überhaupt freigegeben war. Das würde es definitiv einfacher machen, auch wenn der Betrieb in Alaska kein Anrecht auf Fangquoten aus Kanada hat.

      Aufgeregt berichtet er von der Anzeige, die ihm Kanada hat zustellen lassen, inklusive einer Unterlassungsklage. Weiter wird er aufgefordert, eine Strafzahlung in nicht unerheblicher Höhe zu leisten. Dass er seither schlaflose Nächte hat, kann ich verstehen, denn das Geld würde ihm natürlich im Betrieb schmerzlich fehlen.

      »Und auf welcher Basis wurde die Anzeige aufgegeben?« Wieder lausche ich den Ausführungen am anderen Ende. »Fotos, verstehe.« Ich reibe mir über das Gesicht und denke nach, während ich mir grobe Notizen mache. Fischerei ist eigentlich gar nicht mein Gebiet, Strafverteidigung dagegen sehr wohl. Und da ihm unsere Kanzlei empfohlen wurde, will ich sehen, was ich für ihn tun kann. Für Alaska sind wir rechtlich gesehen gar nicht zuständig, da die Anzeige jedoch aus Kanada kommt, war es sicher ein kluger Schachzug von ihm, sich einen Anwalt aus Kanada zu nehmen, der sich mit der kanadischen Rechtsprechung auskennt. Solche Fälle haben wir hin und wieder.

      »Sind Sie in Kürze mal in Vancouver und können auf ein Gespräch reinschauen? Dann könnten wir verschiedene Möglichkeiten durchspielen.« Er verneint natürlich, ich hatte es fast befürchtet. Solche Sachverhalte über Telefon- oder Web-Meeting durchzusprechen, gestaltet sich jedoch mehr als schwierig. »In Ordnung. Dann fliege ich zu Ihnen raus.« Das ist ohnehin nicht verkehrt, damit ich mir einen Überblick über den Betrieb verschaffen kann. Dumm nur, dass ich für so etwas gar keine Zeit habe. Ich rufe den Kalender auf dem Laptop auf, weiß jedoch auch so bereits, welches Bild mich erwartet. Meine Wochen sind voll durchgetaktet. Meetings, Termine mit Klienten und Gerichtsverhandlungen. Und in den nächsten drei Wochen sehe ich nichts, was sich verschieben lässt. Wir sind eine der wenigen Kanzleien, die auch über die Feiertage und den Jahreswechsel erreichbar sind. In dieser Zeit kommt oft das große Geld rein, denn wenn Klienten keine wirkliche Wahl haben, sind sie bereit, horrende Summen zu bezahlen. Und da rechtlicher Beistand in dieser Zeit Mangelware ist … Es ist ein Selbstläufer. Was jedoch auch bedeutet, dass wir zwischen den Jahren Termine bis zum Anschlag haben.

      »Ich kann Ihnen lediglich am kommenden Wochenende einen Termin anbieten. Unter der Woche ist bei uns dieses Jahr nichts mehr zu machen und auch nach Silvester sieht es erst einmal schwierig aus.« Für ihn jedoch scheint das kein Problem zu sein. Er bietet mir sogar direkt an, dass er einen Privatjet schickt, damit dieser mich abholt. Das ist immer noch billiger, als die Strafzahlung, die ihn erwartet. Anschließend schlägt er ein Abendessen in einem seiner Fischrestaurants vor. Ich bin natürlich einverstanden, auch wenn es mir gehörig gegen den Strich geht, dass ich damit ein weiteres Wochenende torpediere. Aber gut. Es ist, wie es ist, schließlich wusste ich vorher, auf was ich mich einlasse, als ich mit meinen Partnern eine eigene Kanzlei gegründet habe.

      Wir legen auf und ich notiere den Termin im Kalender. Anschließend klingele ich meine Assistentin her und schicke dem Mandanten währenddessen eine Terminbestätigung per E-Mail. Es dauert keine Minute, bis sie die Tür öffnet und im Türrahmen steht.

      »Stacy, ich muss am Samstag geschäftlich nach Alaska. Hast du kurzfristig Zeit, mich zu begleiten?«, frage ich sie und sehe noch nicht einmal zu ihr auf, denn ich bin gerade dabei, mir Paragraphen zu notieren, die ich für den Fall ausführlicher prüfen sollte.

      »Es tut mir schrecklich leid, Xavier, aber ich bin am Wochenende als Trauzeugin auf einer Hochzeit eingeladen.« Nun sehe ich doch auf.

      »Ach fuck! Kann die Hochzeit nicht verschoben werden? Ich brauche dich dabei.«

      Entgeistert sieht sie mich an und ich fühle mich genötigt, meine Aussage zu revidieren. »Kleiner Scherz am Rande.« Mir ist natürlich klar, dass sich eine Hochzeit nicht so ohne Weiteres verschieben lässt. Scheiße ist es trotzdem. Ich kann da unmöglich allein hin. Bis ich wieder in Vancouver bin, habe ich die Hälfte vergessen! Mein Kopf ist einfach zu voll.

      »Kann Linda mitkommen?« Sie ist eine weitere Assistentin aus der Kanzlei und meine letzte Hoffnung.

      »Äh, nein. Linda ist ebenfalls auf der Hochzeit.«

      Ernsthaft? Und wer heiratet denn bitte eine Woche vor Weihnachten? Haben die gerade