Das Mysterium der Wölfe. Anna Brocks

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Название Das Mysterium der Wölfe
Автор произведения Anna Brocks
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754954881



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verdecken meine Augen. Noch scheint er nicht bemerkt zu haben, dass ich keine gewöhnliche Wölfin bin. Und auch seine kleinen Freunde ahnen wohl nichts. Obwohl mein Blick nur auf mein Gegenüber gerichtet ist, kann ich genau spüren, wie sich hinter den alten Fassaden der Gebäude, die um den Platz stehen, eine Menge tut. Hier sind überall Wölfe.

      Der blonde Kerl verschränkt die Arme: „So, so, du bist also nur kurzfristig hier? Suchst du nach etwas?“

      Schulterzuckend antworte ich ihm: „Kann man so sagen. Ich habe die Orientierung verloren und bräuchte eine Karte oder Informationen, wie ich weiterkomme.“

      Nun hat er ein selbstgefälliges Grinsen im Gesicht: „Eine junge Wölfin ohne Orientierung, so etwas sieht man auch selten.“ Ich möchte mal sehen, wie er seinen Weg wieder findet, wenn er mit einem Portal quer durch die Welt reist. „Wie auch immer, eine Karte wirst du hier nicht finden. Die Menschen haben damals alles mitgenommen, was sie im Eifer des Gefechts noch fassen konnten. Der Rest ist über die Jahre verrottet.“ Ich muss zugeben, dass ich immer neugieriger werde. Mich würde brennend interessieren, was hier geschehen ist.

      Dennoch weigere ich mich, Interesse zu zeigen: „Das ist schade. Ich hatte gehofft, hier einen Anhaltspunkt zu finden. Kannst du mir zumindest sagen, wie ich zur nächsten Stadt komme?“ Er wirkt überrascht über meine gespielte Teilnahmslosigkeit.

      Doch dann wandern seine Mundwinkel nach oben: „Kannst du mir sagen, warum ich das tun sollte? Du bist immerhin in dieses Gebiet eingedrungen. Das zeugt von gewisser Respektlosigkeit. Du musst dir die Informationen schon verdienen.“

      Genervt verdrehe ich die Augen: „Gut, ich sehe schon, wo das hinführt. Können wir die Sache verkürzen? Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, noch länger in diesem Drecksloch zu bleiben.“ Wieder trifft mich sein überraschter Blick. „Damit meine ich, dass du deinen kleinen Freunden sagen kannst, dass sie aus ihren Verstecken rauskommen sollen. Ich weiß sowieso schon längst, dass wir nicht allein sind. Für wie dumm hältst du mich eigentlich?“ Ich merke, wie die leisen Geräusche hinter den alten Fassaden der Häuser augenblicklich verstummen.

      Die Überraschung meines Gegenübers geht erneut in ein Lächeln über: „Eines muss man dir lassen, Kleine. Du bist schlau. Deine Instinkte scheinen sehr ausgeprägt zu sein. Sag, wie heißt du?“

      „Was geht dich das an?“ Ich drehe mein Gesicht weg von ihm. „Du kannst mir ohnehin nicht helfen. Wieso soll ich also meine Zeit noch länger mit dir vergeuden?“ Mit diesen Worten gehe ich an ihm vorbei und schlage denselben Weg ein, über den ich auch hergekommen bin. Wie es scheint, muss ich mir selbst helfen. Vielleicht befindet sich in der Nähe eine andere Stadt.

      „Nicht so schnell.“ Plötzlich stellt er sich vor mich. Ich habe seine Bewegungen gar nicht gehört. Er ist geschickt, das muss man ihm lassen. „Glaubst du wirklich, dass ich dich einfach so gehen lasse?“ Mit leicht gesenktem Kopf bemühe ich mich, meine Augen nicht zu zeigen.

      Ich seufze: „Sieht aus, als würde das Ganze hier doch noch länger dauern, wie? Na gut, sag mir, was du von mir willst.“ Es ist nicht so, dass ich nicht einfach verschwinden wollte, aber langsam bereiten mir die Wölfe in der Umgebung Sorgen. Es werden immer mehr. Mittlerweile sollte ich mich bemühen, einen Kampf zu vermeiden. Ich bin zwar gerne für ein wenig Abwechslung offen, aber ich bin nicht dumm. Allein gegen so viele Wölfe? Das könnte sogar für mich schlecht ausgehen. Also bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich vorerst mit dem blonden Unbekannten zu unterhalten.

      Dieser scheint sich über meine Nachgiebigkeit zu freuen: „Na also, es geht doch. Fangen wir nochmal von vorne an. Du willst mir deinen Namen zwar nicht sagen, ich nenne dir meinen trotzdem. Ich heiße Leader.“ Leader? Ist das sein Ernst? Er bezeichnet sich tatsächlich selbst als Anführer.

      Ich ziehe eine Augenbraue hoch: „Ist das dein richtiger Name? Deine Eltern werden dich wohl kaum so genannt haben.“ Es fällt mir nicht leicht, den respektlosen Unterton in meiner Stimme abzustellen. Dennoch funktioniert es mittlerweile schon besser.

      Er schüttelt den Kopf: „Nein, das haben sie natürlich nicht. Dennoch ist es mein Name. Du musst wissen, dass alle in diesem Rudel einen neuen Namen bekommen, sobald sie sich uns anschließen. Dieser entspricht dann der Position, die sie im Rudel einnehmen oder bezieht sich auf besondere Fähigkeiten eines jeden.“

      Wieder bemühe ich mich, freundlich zu klingen: „Interessant. Kann ich nun gehen? Meine Zeit ist mir ehrlich gesagt zu wertvoll, um noch viel länger hierzubleiben und mit dir zu plaudern.“

      Nun setzt er sich in Bewegung und beginnt, Kreise um mich zu ziehen: „Meiner Meinung nach ist es nur höflich, jemandem vorher ein paar Dinge über das Rudel zu sagen, bevor sich die Person uns anschließt.“ Ich merke, wie er mich von Kopf bis Fuß mustert.

      „Wie war das?“ Ich habe mich wohl verhört. „Habe ich dich richtig verstanden? Du willst, dass ich hierbleibe?“ Er nickt nur. „Okay, wie soll ich das jetzt verstehen? Machst du das bei jedem Artgenossen, der dir über den Weg läuft? Das ist doch absurd!“ Normal scheint dieser Kerl auf jeden Fall nicht zu sein und das trifft dann vermutlich auch auf sein Rudel zu. Ich sollte auf der Hut sein.

      Plötzlich lacht er laut auf: „Nein, natürlich nicht! Wärst du eine gewöhnliche Wölfin, hätten wir dich schon längst umgebracht.“ Augenblicklich wird seine Miene ernst. Er weiß, dass ich nicht normal bin. Kann es sein, dass er schon vermutet, was ich bin? Aber wie ist er dahintergekommen? Er sieht nicht so aus, als würde er sich für alte Sagen und Legenden interessieren. Normalerweise dürfte er gar nicht wissen, dass es so etwas wie Schattenwölfe überhaupt gibt.

      Etwas zögernd frage ich nach: „Wie meinst du das? Woher willst du wissen, dass ich nicht bin, wie jede andere Wölfin auch?“

      Noch immer umkreist er mich und wendet seinen Blick nicht von mir ab: „Dazu brauche ich dich doch nur anzusehen. Du bist kräftig, strahlst Stärke aus, von deinem selbstbewussten Charakter mal abgesehen. Außerdem bist du ein wahrer Blickfang. Nein, du bist alles andere als gewöhnlich und so jemanden kann ich gut in meinem Rudel gebrauchen.“ So ist das also. Ich bin erleichtert, dass er nicht meine außergewöhnliche Abstammung gemeint hat. Er hat keine Ahnung, wer oder was ich wirklich bin. Hätte ich mir eigentlich schon denken können. Sonst hätte er vermutlich anders auf meine Ankunft reagiert.

      Nichtsdestotrotz gefällt mir nicht, was er da sagt: „Ich enttäusche dich ja nur ungern, aber deine Schmeicheleien nützen bei mir nichts. An einem Beitritt in deinem Rudel bin ich genauso wenig interessiert, wie an dir selbst. Ich reise allein.“ Mit diesen Worten kehre ich ihm den Rücken zu und will wieder gehen.

      Erneut stellt er sich vor mich: „Du hast mich da falsch verstanden.“ Sein Unterton gefällt mir gar nicht. „Das war keine Frage. Es war ein Befehl.“ Augenblicklich tut sich in den Gebäuden rundum den Platz wieder etwas. Die Wölfe sind in Bewegung. Hier komme ich anscheinend friedlich nicht mehr raus.

      Wird wohl Zeit, Klartext zu reden: „Gut, ich sehe schon, dass das nichts bringt. Ich habe mich von Anfang an bemüht, einigermaßen freundlich zu sein, um keinen unnötigen Streit zu provozieren, aber das ist nun sowieso hinfällig.“ Er bleibt noch immer starr vor mir stehen. Mein Kopf bleibt gesenkt. „Lass mich vorbei. Wir können die ganze Sache noch friedlich beenden. Jeder geht seines Weges und wir sehen uns nie wieder.“

      „Und was wäre die andere Option?“ Er verhält sich immer selbstgefälliger. Langsam macht mich der Kerl wütend.

      Also gebe ich ihm eine eindeutige Antwort: „Die andere Option wäre, dass ihr dumm genug seid, euch mit mir anzulegen. Bei dieser Variante würdet ihr mit Sicherheit nicht gut davonkommen, also würde ich mir diese Entscheidung zweimal überlegen, wenn ich du wäre.“ Es folgt eine Reaktion, mit der ich fast schon hätte rechnen können. Er lacht. Wütend balle ich meine Hände zu Fäusten. Nun heißt es ruhig bleiben. Nicht die Kontrolle verlieren.

      „Du unterschätzt wohl die Größe und Kraft meines Rudels.“ Plötzlich deutet er auf die umliegenden Häuser. „Darf ich dir ein paar gute Freunde vorstellen?“ Unauffällig blicke ich unter meinen Haaren hervor. Endlich zeigen sie sich alle. Der Reihe nach