Arguh:Blendwerk. Adam Wutkowski

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Название Arguh:Blendwerk
Автор произведения Adam Wutkowski
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752920819



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ersten Reihe sprangen Wut entbrannt auf den jungen Gefangenen zu, zogen ihre Messer aus ihren Scheiden und machten Anstalten diesen an Ort und Stelle zu lynchen.

      Nur mit Mühe und Not gelang es den Wachen des Hauptmanns die aufgebrachte Menge von dem Gefangenen fernzuhalten.

      «Wie konnte es soweit kommen?», sagte der Hauptmann mehr zu sich selbst als zu jemand anderen. «Was ist hier los?». Noch vor wenigen Minuten da schien er der Herr der Lage zu sein. Kämpferisch, sich seiner Führungsrolle bewusst. So hatte er in den ersten Minuten seinen Führungsanspruch gegen alle Zweifler unterstrichen, die ihm Schwäche und Konzeptlosigkeit in dem Konflikt mit den Chiks vorgeworfen hatten. Und dann wollte er auftrumpfen. Stark, sicher, entschlossen und zu allem bereit, um den alten Frieden zwischen den beiden Völkern wiederherzustellen. Doch dann von einem Moment auf den anderen entglitten ihm die Zügel. Noch vor ein paar Augenblicken, als er zusammen mit seinem Sohn und ein paar Wachen den Gefangenen vernommen hatte, da schien die Lösung des Konflikts zum Greifen nah.

      Selbst der Gefangene ließ in diesem Gespräch alle wissen, dass die Chiks keinen Konflikt mit dem Norden wünschten und zu Gesprächen bereit wären. Bartos hatte alles Wort für Wort übersetzt und jetzt…

      … brennt es förmig in der Halle. Und die Angst versetzte die Menschen in Rage und machte sie blind für die Vernunft. 23 Jahre lebte der Hauptmann nun im freien Grenzland. Seit 17 Jahren war er der Hauptmann des freien Grenzlandes und hatte sich stets für den Frieden zu allen benachbarten Völkern eingesetzt. Und nun nach all den Jahren fühlte er sich um die Früchte seiner Arbeit beraubt.

      Doch das durfte er nicht zulassen! Auf keinen Fall. Er musste das Zepter wieder in die Hand nehmen. Nicht nur um seinetwegen, sondern vor allem um seiner Kinder und all jener Männer und Frauen, die in das Grenzland gekommen waren, um eine bessere, eine friedliche Zukunft für sich und ihre Familien aufzubauen.

      «Ruhe! Ich sagte: Seid still und setzt euch gefälligst wieder auf eure Plätze!», donnerten die Worte des Hauptmanns mit wieder erstarkter Zuversicht durch die Halle. Verunsichert, aber wieder im Bahn des Hauptmanns beruhigte sich schließlich die Menge und alle Anwesenden kehrten zurück auf ihre ursprünglichen Plätze.

      Anschließend wendete sich der Hauptmann schnellen Schrittes dem jungen Gefangenen zu, packte diesen mit der rechten Hand an seinen Haaren, zog den Kopf des Gefangenen nach hinten bis sich ihre Blicke kreuzten. «Ich weiss nicht, was du hier für ein Spiel spielst. Aber sei dir gewiß. Ich werde alles tun, um einen Krieg zu verhindern.»

      Nach diesen Worten ließ er von dem jungen Mann ab und wandte sich der anwesenden Menge zu.

      «Die Ereignisse dieses Tages bringen uns an einen Punkt in unserer Geschichte, an dem wir mit Vernunft herangehen müssen. Jeder von uns weiß, dass ein Feuer schnell geschürt werden kann. Die dabei entstehenden Flammen sind meist jedoch schwierig unter Kontrolle zu halten. Ich denke, dass jeder von den Anwesenden mir zustimmt, dass wir die Flammen am besten hier vor Ort im Keim ersticken, noch bevor sie sich zu einem Brandherd entwickeln, dessen Auswirkung keiner voraussehen kann.»

      «Wir müssen aber etwas tun. Wir können doch nicht hier sitzen und zulassen, dass diese Wilden über unsere Familien und unsere Häuser herfallen.», bahnte sich eine Stimme aus der Menge ihren Weg bis zu den Ohren des Hauptmanns.

      «In dieser Hinsicht sind wir wohl alle einer Meinung. Fakt ist aber auch, wenn das wahr ist, was wir heute aus dem Munde dieses Chiks gehört haben, dann haben wir es mit einer Streitkraft zu tun bestehend aus zehntausend Chiks. Und so einer Streitkraft haben wir nicht viel entgegen zu setzen. Was ich weiß, ist aber folgendes: Berichte von Kundschaftern, die im Zuge der letzten Ereignisse ausgesandt wurden, um die Überfälle zu untersuchen, haben gezeigt, dass sich die Chiks tatsächlich zu größeren Gruppen zusammenschließen. Über die genaue Truppenstärke können wir nur spekulieren. Fakt ist jedoch, dass wir, wenn wir alle wehrfähigen Männer unsererseits mobilisieren, höchstens auf eine Truppenstärke von knapp dreitausend Mann kommen. In diesem Fall braucht man kein Rechenkünstler zu sein, um festzustellen, wie unsere Chancen stehen.»

      «Und was sollen wir jetzt tun, Hauptmann?», ertönte die Stimme einer Frau aus der Menge.

      «Ich schlage vor, dass eine Vertretung aus Freiwilligen sich in das Land der Chiks aufmacht und dort auf diplomatischen Wege eine Übereinkunft erzielt, zum Wohle aller.», erwiderte der Hauptmann.

      «Du meinst also, wir sollen vor ihnen in den Schlamm kriechen und unsere Seele an diese… diese Wilden verkaufen! Niemals!», erwiderte ein aufgebrachter Mann aus der ersten Reihe.

      «Keiner spricht davon, dass wir vor den Chiks in den Schlamm kriechen sollen. Mein Vorschlag ist nur der, dass wir uns vereint als eine starke Stimme, den Chiks gegenüber stellen sollten. Diesen klar machen, dass wir unser Leben und unsere Freiheit notfalls mit Waffengewalt und bis zum letzten Mann verteidigen werden. Wenn dieser letzte Versuch auf diplomatischem Wege eine Einigung zum Vorteil für beide Seiten fehlschlägt, können wir immer noch Krieg führen. Aber das sollte die letzte Option sein. Ich habe euch heute in die Halle mit jeweils einem eurer Söhne bzw. Töchtern kommen lassen. Und nun bitte ich euch freie Männer und Frauen des Grenzlandes einen Blick auf eure Sprösslinge zu werfen und mir zu sagen, ob ihr bereit seid, diese in den Kampf zu schicken und damit auch vielleicht in den Tod, ohne im Voraus alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben?», spielte der Hauptmann seine wichtigste Trumpfkarte aus. Für einen Moment legte sich Stille über den Saal. Und grade als der Hauptmann sich seines Sieges sicher war, erklang die Stimme des Viehbarons im Saal.

      «Hauptmann… Ich glaube, ich maße mir nicht zu viel an, wenn ich im Namen meiner Brüder und Schwestern hier, euch unseren Dank ausspreche. Ihr wart immer stets bemüht den Frieden in unserem Land zu wahren. Und das ist gut so. Und dies sollte immer unser vorrangiges Ziel sein. Dennoch muss ich zugeben, dass ich von ihrer jetzigen Vorgehensweise nicht ganz überzeugt bin. Schließlich haben wir alle grade klar und deutlich vernommen, wie dieser Chik uns dargestellt hat, dass sein Volk an keiner Verhandlung interessiert ist. In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, wer von den Anwesenden soll ihrer Meinung nach verrückt genug sein, sich auf dieses Himmelfahrtskommando zu begeben und uns bei diesen Verhandlungen, wenn es überhaupt dazu kommt, zu vertreten?»

      «Ich werde selbstverständlich von meinen Landsleuten nichts verlangen, was ich nicht bereit wäre selbst zu tun. Deswegen habe ich mich entschlossen, die Verhandlungen selbst zu führen.», antwortete der Hauptmann, woraufhin ein Raunen durch den Raum ging.

      «Diese Reise kann ich natürlich nicht allein antreten und sollte dies auch nicht.», fuhr der Hauptmann nach einem Moment fort. «Das Ziel unserer Reise ist es den Chiks begreiflich zu machen, dass wir geschlossen zueinander stehen und mit einer Stimme sprechen. Aus diesem Grund wäre ich glücklich, wenn sich aus den hier Versammelten Freiwillige zusammen finden, um mich und meine Soldaten zu begleiten.»

      «Ich werde mich melden.», richtete Jamie das Wort an Melcom Sohn Martok.

      «Nein, das wirst du nicht. Ich verbiete es dir!», mischte sich Ian ein. Gerade als Jamie zu einer Erwiderung ansetzte, ertönte die Stimme des Viehbarons von neuem.

      «Verzeihen Sie mir meine direkte Art. Aber vielleicht sollten wir über andere Optionen nachdenken.»

      «Es gibt nur diese Option auf Frieden.», entgegnete der Hauptmann selbstsicher und wandte sich vom Viehbaron ab.

      «Nein!», widersprach der Viehbaron dem Hauptmann und lenkte damit die Aufmerksamkeit aller Beteiligten auf sich.

      Sich der Blicke aller bewusst, trat der Viehbaron sicheren Schrittes in die Mitte der Halle.

      «Die Umstände, in denen wir heute leben, sind bedrückend. Zugegeben. Im Gegensatz zu dem armen Bauern, der nicht nur sein Hab und Gut sondern auch einen Teil seiner Familie verloren hat, habe ich bisher im den ganzen Konflikt nur ein paar Rinder eingebüßt. Ich kann also den Schmerz, den der Mann und seine Frau über den Verlust ihrer Kinder erlitten haben, nicht nachvollziehen. Doch allein die Vorstellung meinen Sohn zu verlieren, lässt mir den Schweiß kalt über den Rücken laufen. Einst sagte mir ein alter Freund, dass das Schlimmste, was einem Mann passieren kann, ist, dass der Tod bei den eigenen Kinder schneller eintritt,