Der viereinhalbte Mann. Barni Bigman

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Название Der viereinhalbte Mann
Автор произведения Barni Bigman
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847699651



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hinter sich gelassen hatte, bog er links auf das große Stoppelfeld ab und fuhr bis zur Mitte. Hier machte er sich ans Werk.

      Die gefährlichste Arbeit war getan. Stahlschloss, Messer und auch die Leiche waren ihrer Bestimmung übergeben und hoffentlich zu seinen Lebzeiten nicht mehr aufzufinden. Sollten sich doch in tausend Jahren die Altertumsforscher bei ihren Ausgrabungen die Köpfe, ob solcher merkwürdigen Begräbnisriten, zerbrechen.

      Nun musste er nur noch ein wenig mit der Baggerschaufel die Spuren verwischen. Vorsichtshalber fuhr Bruno dann auch noch ein wenig auf dem Grab hin und her, um seine Bemühungen endgültig zu vertuschen. Dann fuhr er zufrieden und erleichtert zurück und stellte den Bagger wieder sorgsam auf seinen Platz auf der Baustelle. Die Bauarbeiter wunderten sich am Morgen über das verschwundene Schloss und den noch vorhandenen Bagger.

      Aber ein Schloss war leicht zu ersetzen und keiner machte sich weiter Gedanken über die Sache. Schließlich war die Baumaschine noch an ihrem Platz und hatte nicht einer fremdbestimmten Verwendung im nahen Ausland entgegengesehen, wie es häufig der Fall war.

      Bruno ging nach Hause und verschnaufte erst einmal. Dann nahm er ein kurzes karges Nachtmahl ein, da er durch die körperliche Arbeit doch ein wenig Hunger verspürte. Kurze Zeit darauf packte Bruno eine Tasche mit Ersatzwäsche, Anzug und Hemd und suchte ein Paar weiße Handschuhe, die er als Schiedsrichter beim Billard zu tragen hatte und zog diese über. Dann setzte er noch eine Kappe auf und zog diese tief ins Gesicht. So unkenntlich gemacht ging Bruno mit der fremden Limo auf Reisen.

      Der Arbeitsweg, den er sonst mit dem Zug zurücklegte, da er eine Monatskarte sein Eigen nannte, war mit dem Auto wesentlich angenehmer zu bewältigen. So fuhr Bruno, obgleich es ein Sonnabend war, nach Hamburg, jedoch nicht zu seiner gewohnten Arbeitsstelle. Er fuhr niemals zu schnell und vermied, sofern er die Standorte wusste, Verkehrskameras.

      Auf der Brücke über den Bahngleisen am Hauptbahnhof waren noch keine Überwachungskameras angebracht, aber dafür um diese frühe Tageszeit reichlich freie Parkplätze vorhanden. Hier stellte er das Fahrzeug ordnungsgemäß ab und kaufte einen Parkschein, den er hinter der Windschutzscheibe platzierte. Eigentlich hätte Bruno nun den kompromittierenden Ort verlassen können. Er konnte es aber nicht lassen, einen Blick in den Kofferraum der Limousine zu werfen.

      Im Kofferraum befanden sich eine Reisetasche und ein kleinerer Alukoffer. Seine Neugier war geweckt. Bruno öffnete die Reisetasche. Er staunte nicht schlecht, als diese randvoll mit durchsichtigen Tüten, in denen sich ein weißes Pulver befand, gefüllt war. Na toll, ein Backpulververtreter, dachte Bruno. Oder ist Paulas Ex wieder auf dem falschen Weg gewesen? Egal, nun ist er auf dem richtigen. Mit dem Kopf zuerst in die Hölle. Wollen schauen, was im Koffer ist.

      Bruno öffnete den Alukoffer und fand etwas Brauchbares. Der Koffer war voll mit Geldscheinen. Bruno nahm nur seine eigene Tasche und den Koffer, den hier kein anderer mehr brauchte. Die Tütchentasche ließ er unangerührt. Dann warf er den Wagenschlüssel in den Kofferraum, klappte zu und ging eiligen Schrittes zum Bahnhof.

      Auf der Bahnhofstoilette zog Bruno sich um und auch die weißen Handschuhe aus. Die Tasche mit diesen Sachen verschwand später in einem DRK Spender, damit keine Fremd-DNA ihn verraten könnte. Der Koffer aber ging diesen Weg nicht. Bruno saß zufrieden mit seinem wohlverdienten Finderlohn im Morgenzug gen Heimat.

      Zuhause angekommen war Paula immer noch nicht von ihrer Flucht zurückgekehrt. Er machte sich zwar weiterhin Sorgen um sie, war aber zu kaputt, um noch handlungsfähig zu sein. Bruno nahm eine Dusche und fiel wie ein Stein ins Bett und in einen traumlosen Schlaf. Es war bereits Mittagszeit, als Bruno seinen Namen rufen hörte und langsam wach wurde. Seine Paula war zurückgekehrt. „Schöne Grüße von meiner Mutter“, hallte es ihm entgegen. „Nicht so laut, ich hab schlecht geschlafen und Unsinn geträumt.“

      Paula war Anfang dreißig und von recht hübscher Statur. Ihre blonde, gewellte Mähne, mit der sie auch einst Bruno überzeugt hatte, wäre auch dazu angetan gewesen, jeden rassigen Südländer wild zu machen und zu unbedachten Liebesschwüren hinzureißen. Leider hatte sie durch ihr Vorleben charakterlich arg gelitten und zwischenzeitlich nicht nur Haare sondern bereits Zöpfe auf den Zähnen, was sie aber nicht weniger reizvoll, aber reizbarer erscheinen ließ.

      War es wirklich alles nur ein Traum gewesen? Paula verhielt sich ganz normal und plapperte fröhlich vor sich hin. Es gab ein reichliches Frühstück und als er zu Wort kam, fragte er Paula, wie sie zu ihrer Mutter gekommen sei und ob sie ihren Ex irgendwo gesehen hätte. „Ich bin etwas eher mit der Bahn gefahren“, sagte Paula und „wieso fragst du nach meinem Ex? Den hab ich schon seit hundert Jahren nicht mehr gesehen und gehört.“ Bruno war wie benebelt. Hatte er wirklich nur geträumt? Paula plapperte derweil weiter. – „…und übrigens, die Markise ist kaputt. Die musst Du noch reparieren.“

      Nach dem Frühstück ging Bruno über die Terrasse zum Gartenhäuschen, um sich dort einen Kreuzschlitzschraubendreher zu holen. Nicht nur augenscheinlich er, sondern auch die Markise hatte eine Schraube locker und bedurfte einer Reparatur. Es hatte in der Nacht genieselt, aber da waren noch rote Spuren im Gras.

      Bruno schwante Furchtbares. Er ging weiter zum Gartenhäuschen und fand dort neben dem Werkzeug auch einen Alukoffer vor. Sein Alptraum wurde wieder Realität. Alles Mögliche an Szenarien schoss durch seine Gedanken. Hatte Paula ihn so täuschen können oder hatte ein Anderer die Bluttat begangen, welche er offensichtlich des Nachts vollständig vertuscht hatte? Der Alukoffer war immer noch voll der papierenen Versuchung und bei näherer Betrachtung waren die Scheinchen echt.

      Der Alukoffer wurde von Bruno vorsichtshalber ausgeräumt, um die Beute besser verstecken zu können. Ab mit dem Papier in eine Plastiktüte und sicher hinter dem alten, ausgedienten Hornissennest im Gebälk verstaut. So, das war erledigt. Nun musste er nur noch den verräterischen Koffer loswerden. Na ja, erst mal unter die Werkbank damit, dass Paula nicht fragen konnte, was es mit dem guten Stück auf sich hatte.

      Bruno verspürte etwas Erleichterung, auch wenn die Gesamtsituation noch auf ihm lastete. Er nahm seinen Kreuzschlitzschraubendreher und lief zur Veranda. Dann stolperte Bruno über den Rasensprenger und viel bäuchlings den Kreuzschlitz tief in die Schulter bohrend ins Gras, welches wieder einmal die rote Farbe annahm. Bruno heulte vor Schmerz laut auf. Im selben Moment traf ihn der Pfeil der Erleuchtung wie ein Blitz.

      Der Kerl wollte sie ermorden und so hatte der Ex selbst seinen Exitus herbeigeführt. Bruno lachte. Er lachte und weinte zugleich. Er lachte bis der Arzt kam und er lachte auch noch vor der OP, sodass der Narkosearzt fragte, ob der Patient bereits Lachgas bekommen hätte.

      Nach der OP und zwei Tagen eines fröhlichen Krankenhausaufenthaltes war Bruno wieder daheim und erholungsbedürftig. Er genoss Paulas Fürsorge und Pflege. Später eröffnete er dann seiner holden Paula, dass er eine Sondergratifikation erhalten hätte und sie nun endlich einen Urlaub planen könnten. Die Kubareise wurde, nachdem Bruno wieder einsatzbereit war, gebucht und bar bezahlt. Eine Woche später saßen beide, in Erwartung eines Langzeiturlaubes nebst Rundreise, im Flugzeug nach Havanna.

      Keine Leiche in Sicht

      Der Professor, so nannten ihn seine Kollegen, wenn sie unter sich waren, war auf den Autohof gerufen worden. Oberkommissar Rasmussen Leu war ein bedächtiger Mann Mitte fünfzig, der seinen Ruhestand tagtäglich herbeisehnte. Den Spitznahmen Professor hatte er bekommen, da er gern als Gastdozent an der Polizeischule auftrat und jungen Kollegen die ersten Schritte in die ungewisse Zukunft eines Polizisten beibrachte. Wenn er zu sehr die Intelligenzbestie raushängen ließ und das geschah sehr oft, wurde er auch gern despektierlich „Oberleu“ gerufen.

      Oberleu war also auf den Abstellplatz für abgeschleppte und sichergestellte Autos gerufen worden. Der schwarze Mercedes war sichergestellt worden, nachdem das Parkticket bereits geraume Zeit abgelaufen war und einige Knöllchen einfach ignoriert wurden. Die Halterabfrage hatte ergeben, dass dieser einige Jahre gesessen hatte und vor einigen Wochen erst aus dem Gefängnis entlassen worden war.

      Woher hatte er das Geld für einen solchen Wagen? Der Sozialneid und ein begründeter Verdacht führten dazu, dass der Kofferraum geöffnet wurde. Eine Tasche voll