Stressberuf Schüler. Alexander Martin

Читать онлайн.
Название Stressberuf Schüler
Автор произведения Alexander Martin
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783844268102



Скачать книгу

in Ordnung ist. „Ja, Mama, aber es ist nichts zu essen zuhause“, versucht man auf die aktuelle Situation im Kühlschrank hinzuweisen. „Gut, mein Kind. Ich lege dir Geld auf den Küchentisch, dann kannst du dir etwas holen. Ich bin so im Stress.“ Als Mama ganz nebenbei fragt, ob in der Schule alles passt, fällt einem wieder ein, dass man eine Hausübung machen sollte. Die Entwicklung dieser Kinder geht oftmals in eine eher falsche Richtung. Früh werden sie mit Dingen wie Zigaretten, Alkohol oder anderen Suchtmittel konfrontiert und die Leistungen in der Schule lassen zu wünschen übrig. Ausnahmen gibt es natürlich – bleiben aber die Ausnahme. Leidensgenossen verbünden sich und so werden oft Dinge gemacht, die nicht sehr sinnvoll sind. Im Unterricht ist man öfter mal „auffällig“, wie die Lehrer das bezeichnen, und die Noten sind auch nicht überragend. Man kämpft oft mit dem Durchkommen und das wird von Jahr zu Jahr schwieriger, da man Versäumtes ohne Hilfe nicht nachholen kann. Zuhause bekommt man dann auch noch Kritik der Eltern zu hören anstatt Unterstützung und so wächst der Unmut nicht nur gegen die Lehrerschaft, sondern auch gegen die eigenen Eltern. Die sind ja in der Pubertät sowieso die, die am wenigsten verstehen. Diese Kinder wissen wohl, wie sie selbstständig irgendwie den Alltag bewältigen, und haben einen eigenen Überlebensinstinkt gelernt, aber aus dieser Gruppe gibt es leider auch immer wieder soziale Abstürze: keine guten Noten, die Klasse wiederholen, Lehrer werden zum Feindbild, keine Unterstützung von zuhause, sondern eher Unverständnis und „Vorträge“. Karriereeltern verstehen das überhaupt nicht, denn das Kind hat doch alles, was es braucht: ein großes Zimmer, die neuesten Klamotten usw. Aber dass die Kommunikation und Nähe zu den Kindern verloren gegangen ist, die Kinder auch mal spüren wollen, dass sie genauso wichtig sind wie der Job, sehen sie nicht in ihrem Streben nach Erfolg und Geld. Das Ergebnis sind Fehlstunden, da man lieber mit anderen, deren Schicksal ähnlich ist, abhängt, und die Eltern verlieren komplett die Kontrolle über das Kind. Die leider unumgängliche Nachhilfe und Förderung der Schüler wird bei diesen Kindern oft verpasst und so ist ein guter Schulabschluss nur schwer zu erreichen.

      Andere Kinder, die in der gleichen Situation sind, aber eine starke Persönlichkeit haben, können besser damit umgehen. Sie sind zwar nicht wirklich gut in der Schulleistung, aber sie schaffen es dann doch immer wieder, sich durchzukämpfen. Diese Kids werden es zwar schwer haben, in eine weiterführende Schule aufgenommen zu werden, aber sie lernen einen Beruf und haben durchaus aus der Situation Schlüsselkind Positives für das Leben gelernt.

       VIP-Kids

      Die zweite Gruppe sind die sogenannten VIP-Kids. Es wird ihnen alles von den Augen abgelesen und jeder Wunsch erfüllt. Hier wird von Elternseite oder auch Großelternseite alles gemacht, um dem Kind so viel Stress wie möglich zu ersparen. In der Früh werden sie mit einem liebevollen „Guten Morgen, mein Schatz! Es ist Zeit zum Aufstehen“ geweckt. Das Gewand und die Schultasche sind vorbereitet, und während sich das Kind ausgiebig der Morgentoilette hingibt, wird die gesunde Jause vorbereitet. Obst und Gemüse sind wichtig und ein gutes Sandwich wird frisch zubereitet. Das Ganze in eine kultige Jausenbox verpackt und frisches Wasser, je nach Wunsch mit oder ohne Sprudel, dazu. Parallel hält man das Kind up to date betreffend der Zeit, um nicht zu spät zu kommen. Nachdem alles fertig ist, geht es raus ins Auto und ab zur Schule. Am Weg dorthin wird noch ein bisschen geplaudert und nochmal Wichtiges für die Stundenwiederholung besprochen. Mindestens fünfzehn Minuten vor Stundenbeginn ist man vor der Schule und wünscht dem Nachwuchs einen lehrreichen Tag. Nach dem Unterricht steht man wieder vor der Schule, am besten schon vor Unterrichtsende, damit der Nachwuchs nicht zu lange stehen und warten muss. Zuhause ist dann das Mittagessen schon vorbereitet und danach wird alles besprochen, was so angefallen ist. Bis in den späten Abend hinein wird der Schüler beim Lernen und Aufgabemachen unterstützt und für den nächsten Tag gemeinsam alles hergerichtet. Diese Kids sind es gewöhnt, Unterstützung – eine Stütze – zu haben. Die Selbstständigkeit wird hier sicher nicht so ausgeprägt, aber man lernt das noch früh genug. Gefahr in dieser Gruppe ist die „Übermutterung“, wenn sich Kids von der vielen Fürsorge erdrückt fühlen und dadurch, wie auch einige Schlüsselkids, in die falschen Kreise kommen. Nur der Zugang ist ein anderer, da es ihnen ja an nichts fehlt, sondern sie eher zu viel an Fürsorge erfahren und ausbrechen.

       Was ist richtig?

      Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten, da es auf die Persönlichkeit des Kindes ankommt.

      Bei Auffälligkeiten sind neben den Eltern auch die Lehrer gefordert, da diese ebenso viel Zeit mit den Kindern verbringen. Daher ist eine gute Kommunikation wichtig. In der Praxis ist es meist so, dass weder Lehrer noch Eltern ein Problem sehen wollen oder der jeweils andere daran schuld sein soll. „Wir Lehrer sind doch nicht für die Erziehung zuständig!“, hört man auf der einen Seite. „Die Lehrer überfordern mein Kind!“, schallt es von der anderen Seite.

      Ein durchschnittlicher Schultag

      Vorausgeschickt sei, dass es sich hier um eine Vorzugsschülerin handelt, die aber ohne „Mama-Hobbylehrerin“ dies nicht wäre.

      Jeden Morgen von Montag bis Freitag ist um 6.30 Uhr Aufstehen angesagt. Langsam quält man sich ins Bad und macht sich fertig zur Abfahrt. Je nach Länge des Schulweges beginnt der Stress schon jetzt, wenn man sich beim Fertigmachen oder Aufstehen zu viel Zeit gelassen hat. Um 7.45 Uhr läutet es zur ersten Stunde und man schafft es noch vor dem Lehrer, in der Klasse zu sein. Heute ist neben fünf verschiedenen Fächern auch noch eine Turnstunde angesagt.

      Die kurzen Pausen reichen oft gerade zum Wegräumen der einen und Rausholen der anderen Sachen. Nur in der großen Pause ist es möglich, seine mitgebrachte Jause zu probieren, aufessen ist oft nicht möglich. Das wird dann spätestens beim Heimfahren erledigt. Nach durchschnittlich sechs Unterrichtsstunden endet der erste Teil des Schultages und man macht sich um ca. 14.00 Uhr auf den Heimweg.

      Wenn man dann zwischen 14.30 Uhr und 15.00 Uhr zuhause angekommen ist, wird erst einmal ordentlich etwas gegessen. Aber man hat nicht viel Zeit, denn heute sind drei verschiedene Aufgaben zu erledigen und morgen ist ein Test angesagt. Während man isst, fragt Mama schon den Tag ab und es wird eine Liste gemacht, was alles zu tun ist.

      Nach nicht einmal einer Stunde Pause geht es dann so gegen 16.00 Uhr wieder an die Schulsachen. Selten, dass man alles so vermittelt bekommen hat, dass man es verstanden hat und flott die Aufgaben erledigen kann. Nun ist Mamas Rat wieder gefragt, sofern man das Glück hat, dass sie helfen kann. Nachfragen bei Schulkollegen ist meistens nicht vielversprechend, denn die wissen auch nicht so genau, wie es geht. Jetzt hat man drei Aufgaben, die man normalerweise in ca. zwei Stunden erledigt haben sollte, was aber nicht möglich ist, wenn man sich nicht auskennt.

      Nun tritt die Hobbylehrerin Mama, wie fast täglich, auf den Plan und beginnt, sich in die Materie einzulesen. Nachdem man sich als Erwachsener teilweise schon schwer tut, die Dinge zu verstehen, muss man das jetzt noch so aufbereiten, dass man den Stoff dem Kind beibringen kann und das Kind diesen dann auch versteht. Täglich die gleiche Frage: „Ist es nicht Aufgabe der Lehrer, den Kindern den Stoff so zu vermitteln, dass er auch verstanden wird?“ Aufgabe der Eltern sollte sein, die Kinder abzuprüfen oder ein wenig zu unterstützen – nicht jedoch, sich Tag für Tag in den meisten Fächern einzulesen, um dem Kind das zu erklären, was es eigentlich in der Schule lernen sollte.

      Mittlerweile ist es ca. 20.00 Uhr und die Aufgaben sind nicht nur gemacht, nein, es ist auch gelungen, dem Kind das so beizubringen, dass es versteht, worum es geht. Dummerweise verdient man als Hobbylehrer kein Geld, aber man macht es ja für die Zukunft seines Kindes. Gott sei Dank ist Papa auch schon länger zu Hause, denn es sind ja noch andere Kinder da, die auch etwas brauchen. Jetzt hat man sich eine Pause verdient und Mama macht schnell ein Abendessen.

      Spätestens um 21.00 Uhr geht es aber weiter, denn es stehen noch die Stundenwiederholungen an und für den morgigen Test lernen. Papa fragt wie immer, was denn da so lange dauert, und die Antwort ist, wie immer, die gleiche: „Die Lehrer schaffen es nicht, den Kindern den Stoff so zu vermitteln, dass sie selbstständig eine Aufgabe machen können.“ Nach einem kurzen, aber gemeinsamen Abendessen sitzt man wieder im Zimmer und macht die Stundenwiederholungen. Danach lernt man den Rest für den morgigen Test, für den man sich ja seit ca. vier Tagen vorbereitet. Mama ist so nett und prüft das dann alles noch