Mit Weite im Herzen. Ronja Erb

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Название Mit Weite im Herzen
Автор произведения Ronja Erb
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742749482



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Panne hatte, und fragte, ob man mir helfen könnte. Man sagte mir, dass ich versuchen solle, in die nächste Stadt zu trampen, um anschließend mein Auto abschleppen zu lassen. Ich fragte, was sei, wenn niemand vorbeikommen würde.

      „Madam“, sagte der Angestellte der Autovermietung, „ich kann von hier aus nichts weiter für Sie tun. Lassen Sie das Auto abschleppen und reparieren, wir erstatten Ihnen die Kosten dafür, wenn Sie das Auto wieder bei uns abgeben. Bringen Sie die Rechnung bitte in zweifacher Ausfertigung mit.“

      Ich kochte innerlich und wiederholte in Gedanken den letzten Satz, den der Angestellte der Autovermietung gesagt hatte. „Warum können Sie denn keinen Abschleppwagen schicken?“, hakte ich nochmals nach.

      „Tut mir leid, Madam, ich kann nichts weiter für Sie tun“, antwortete er.

      „Aber ich habe Ihnen doch schon bei der Abholung gesagt, dass das Auto nicht mehr gut in Schuss ist“, insistierte ich. Doch aus der Leitung kam nur noch ein genervtes Stöhnen, also gab ich auf und beendete das Gespräch.

      Kaum, dass ich mich wieder ins Auto gesetzt und mich darauf eingestellt hatte, nun eine ganze Weile, wenn nicht einige Stunden so auszuharren, tauchte in der Ferne ein Auto auf. Durch die Sonne, die den Asphalt funkeln ließ, konnte ich nur Umrisse erkennen. Als das Auto näher kam, sah ich, dass es sich um einen kleinen Lieferwagen handelte. Ich fing an zu winken. Der Wagen kam immer näher und ich schickte Stoßgebete zum Himmel, dass er anhalten würde.

      Tatsächlich hielt der Lieferwagen an, es saßen drei Männer drin. Ich deutete auf die Motorhaube und sagte, dass mein Auto nicht mehr anspringe, und bat darum, dass sie mich in die nächste Stadt mitnähmen.

      Sie beäugten mich einen Moment lang und sahen dann in den Innenraum meines Wagens. Mir wurde unbehaglich, doch da es Stunden dauern konnte, bis wieder ein Auto vorbeikam, schluckte ich meine Angst hinunter und wiederholte meine Bitte. Der Mann am Steuer nickte und bot mir an, auf der Vorderbank Platz zu nehmen. Dort saßen auch die beiden anderen. Sie rutschten auseinander, und ich setzte mich zwischen sie.

      Krampfhaft suchte ich nach etwas, das ich sagen könnte. Doch mein Kopf war wie leer gefegt, ich fühlte mich unwohl. Ich streichelte mir über meinen Bauch, weil ich deutlich machen wollte, dass ich schwanger war. Ich hatte das Gefühl, dass mich das schützen könnte. Die beiden Männer, die neben mir saßen, sahen mich an und dann auf meinen Bauch. Ich spürte muskulöse Arme an meinen und wurde bei jedem Schlagloch, durch das der Lieferwagen fuhr, von den beiden Männern eingequetscht.

      Der Mann, der rechts neben mir an der Tür saß, brach als Erster das Schweigen und sagte, dass es gefährlich sei, als Frau alleine zu reisen. Als Antwort nickte ich nur.

      An den Fahrer gewandt sagte ich, dass es sehr freundlich sei, mich mitzunehmen. Er nickte seinerseits, dann sagte er laut und deutlich: „Klar Lady, ist uns ein Vergnügen.“ Dann sah er die anderen beiden Männer an und alle lachten.

      Mir gefror das Blut in den Adern, und ich suchte die Beifahrertür nach dem Türöffner ab. Ich wollte ihn nicht mehr aus den Augen lassen, damit ich ihn zur Not mit einem Griff öffnen konnte. Ich stellte mir vor, wie ich mit einem Satz über den Mann, der an der Tür saß, springen würde, um mich dann aus dem Auto zu werfen.

      Die drei Männer fingen an, sich zu unterhalten, aber ich konnte nichts verstehen, da sie in einer mir unbekannten Sprache miteinander sprachen. Mir wurde übel, in der Fahrerkabine des Lieferwagens, der offensichtlich über keine Klimaanlage verfügte, war es stickig, und die Männer rochen nach Schweiß. Ich versuchte nur noch ganz flach zu atmen, da ich das Gefühl hatte, dass ich mich ansonsten jeden Moment wegen des Geruches würde übergeben müssen. Ich beugte mich etwas nach vorne und stützte mich auf dem Armaturenbrett ab.

      Der Mann, der rechts neben mir saß, legte seine Hand auf mein Knie, und ich wurde starr vor Schreck. Er richtete wieder das Wort an mich und sagte: „Jetzt machen Sie sich mal keine Sorgen, wir werden schon eine Werkstatt finden. Sie werden sehen, Ihr Auto ist in ein paar Tagen wieder repariert.“

      Immer noch nach vorne gebeugt, schaute ich ihn an. Seine Stimme hatte unerwartet freundlich geklungen. Er zog seine Hand von meinem Bein, und ich blickte in sein Gesicht, das nun gar nicht mehr bedrohlich wirkte.

      „Ja“, sagte ich, „das hoffe ich. Wann werden wir denn die nächste Stadt erreichen?“

      Der Fahrer antwortete mir und sagte, dass wir in ungefähr einer halben Stunde in Goageb sein würden. Das sei eine größere Stadt und dort gäbe es mehrere Werkstätten.

      „Haben Sie denn schon eine Unterkunft?“, fragte der andere Mann mich.

      „Nein.“

      „Dann werden Sie ein Problem haben, Lady, denn normalerweise ist es sehr schwer, eine Unterkunft zu bekommen, wenn man nicht vorher reserviert hat“, sagte der Fahrer.

      Ich verzog das Gesicht und antwortete, dass ich bislang immer etwas gefunden hätte, und wedelte dabei mit meinem Reiseführer, den ich aus meiner Tasche gezogen hatte.

      „Na dann haben Sie ja wenigstens in dieser Hinsicht ein glückliches Händchen, wenn Sie schon mit dem Auto kein Glück haben“, kommentierte der Mann links neben mir.

      Der dritte Mann schaltete sich wieder in das Gespräch ein und schlug vor, dass ich bei seinem Cousin wohnen könnte, der würde in Goageb ein kleines Hotel betreiben.

      Ich bedankte mich bei ihm für den Vorschlag und zu dem Fahrer gewandt sagte ich: „Sehen Sie, ich habe wieder Glück.“

      Wir fingen alle an zu lachen, die Stimmung hatte sich merklich entspannt.

      Einer fragte mich, warum eine Frau und zudem noch eine schwangere Frau alleine durch Namibia reisen würde. Alle drei sahen mich an und warteten gespannt auf meine Antwort. Ich überlegte eine Weile und beschloss dann, die Wahrheit zu sagen. „Ich bin nicht nur für einen Urlaub hier, ich plane, in Namibia zu bleiben.“

      Die Männer schienen beeindruckt zu sein, denn alle raunten anerkennend, und der Fahrer sagte: „Sie haben Mut, Lady.“

      Ja, das habe ich, dachte ich und sank zufrieden in die Sitzbank. Die Enge störte mich auf einmal nicht mehr.

      Als wir in Goageb ankamen, hatte keine Werkstatt mehr offen, es war bereits Abend. Ich fragte daher den Mann, der angeboten hatte, dass ich bei seinem Cousin übernachten könnte, ob er mich zu dessen Hotel fahren könnte. Er sagte, dass er das gerne machen würde, doch wir müssten zunächst zu ihm gehen, damit wir von dort aus sein Auto nehmen könnten.

      Ich verabschiedete mich von den anderen beiden Männern, und wir gingen einige Hundert Meter die staubige Straße hinunter. Auf einem größeren Vorplatz machte er Halt und ging auf eines der Autos zu. Alle Autos sahen schon sehr alt aus, und man hatte eher den Eindruck, auf einem Schrottplatz als auf einem Parkplatz zu sein. Als ich die quietschende Autotür aufgemacht hatte und eingestiegen war, reichte er mir die Hand und sagte: „Ich heiße Heinrich“, und fragte dann, wie ich hieße.

      Ich stutzte und wiederholte verwundert: „Heinrich?“

      „Du heißt auch Heinrich?“, sagte er und fing an zu lachen.

      „Nein“, sagte ich und musste auch lachen. „Ich heiße Helen. Aber ich finde, dass Heinrich gar nicht zu dir passt.“

      Er tat, als sei er beleidigt, jedoch fing er daraufhin gleich wieder an zu lachen. Während er den Motor anließ, erklärte er mir, dass er deutsche Vorfahren habe und in seiner Familie noch viele Verwandte deutsche Vornamen hätten.

      Das Hotel von Heinrichs Cousin erwies sich als eine heruntergekommene Jugendherberge. Die Räume waren schäbig und mit Stockbetten ausgestattet. Zwar war ich froh, dass noch ein Bett frei war, denn ich war zu erschöpft, um noch eine andere Unterkunft zu suchen, aber ich machte die ganze Nacht kein Auge zu. Die Matratze war so durchgelegen, als hätten schon alle Rucksacktouristen, die jemals Namibia bereist haben, eine Nacht in diesem Bett verbracht. Ich spürte jede einzelne Feder der Matratze und drehte mich so lange von einer Seite auf die andere, bis es schließlich keine Stelle an meinem Rücken mehr gab, die nicht wehtat.

      Heinrich