Vae Victis. György Kristián Szitás

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Название Vae Victis
Автор произведения György Kristián Szitás
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748590743



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öffnete sich die Stalltüre und Vaughn griff nach einem seiner Schwerter, aber Jotan legte seine Hand auf die des Kriegers:

      „Ruhig Blut, junger Krieger. Frauen bekämpft man auch in diesem Land nicht mit dem Schwert.“

      In der Stalltüre stand eine junge Frau, die erschrak als sie die sechs Männer sah und wollte ins Haus rennen, aber Jotan beeilte sich ihr zuvor zu kommen.

      An der Türe erreichte er sie. „Verzeiht junge Dame, wir wollten Euch nicht erschrecken. Wir sind arme Wanderer und wären Euch dankbar, wenn Ihr uns bei Euch unterbringen könntet. Selbstverständlich in Eurem Stall. Wir zahlen auch dafür!“

      Der jungen Frau war anzusehen, dass sie Angst hatte.

      „Mit einfachen Frauen wie mir spricht man nicht so formell. Mein Name ist Julia. Ich gehe schnell nach drinnen und frage meinen Vater – sein Name ist Lucius – um Erlaubnis. Aber ich glaube nicht, dass er etwas dagegen hat. Wenn Ihr mir helfen könnt, wäre ich Euch dankbar, dann können wir zum Abendessen ein paar Hühner schlachten. Mein Vater ist alt und mir fehlt die Kraft dazu,“ dann verschwand sie schnell ins Innere des Wohnhauses.

      Ein alter Mann trat vor die Türe, dessen geschwollene Augen kein Licht mehr transportieren konnten.

      „Ich biete Euch im Rahmen der üblichen Gastfreundschaft an, was wir geben können. Aber erwartet nicht zu viel, wir sind nur arme Bauern.“

      „Und wir nehmen ehrerbietig an, was Ihr uns zu geben bereit seid!“ antwortete Jotan dankbar.

      „So sei es!“ setzte der Alte nach, „ich muss Euch Euer Essen aber vor dem Haus servieren, denn drinnen ist nicht genug Platz.“

      „Das macht nichts! Finnian und Ryen seid Ihr in der Lage uns ein paar Hühner zu schlachten? Nehmt aber nicht zu viel.“

      „Aber natürlich Jotan,“ antwortete Ryen und machte sich mit Finnian zum Stall auf.

      „Seit meine Augen nicht mehr so wollen, wie sie sollen, kann ich meiner Arbeit nicht mehr nachgehen,“ jammerte der Alte, während seine Tochter im Inneren der Kate das Feuer schürte, das angenehm knisterte.

      „Seit wann sind Eure Augen so geschwollen?“ fragte Jotan nach.

      „Vor etwa einem Mondzyklus fingen die Augen an, anzuschwellen.“

      „Gut! Ich werde Eure Augen behandeln, nehmt diesen Dienst als Ausgleich für Eure Gastfreundschaft.“

      Der Alte wollte etwas sagen, schluckte aber die Widerworte hinunter.

      „Lass Dir helfen!“ war seine Tochter zu hören, deren Ton mehr einem Befehl glich, denn einer Bitte, während Jotan in seinen Reisesack griff. Julia hatte noch immer Angst vor den fremden Männern, aber der Älteste schien ein weiser, friedlicher Mann zu sein.

      Jotan entnahm dem Sack ein kleines Töpfchen, das mit einem Korken verschlossen war.

      „Habt Ihr ein sauberes Leinentuch?“ wandte er sich an die Tochter.

      „Ja, einen Moment bitte,“ und Julia verschwand wieder nach drinnen. Nach ein paar Augenblicken kam sie wieder mit einem sauberen Stofftuch heraus und gab es Jotan.

      „Gut!“, sagte dieser und träufelte die Flüssigkeit, die das Töpfchen enthielt, auf das Tuch, bis dieses damit getränkt war.

      „Lehnt Euch zurück und legt das auf Eure Augen!“ befehligte er den Alten, dieser gehorchte und lehnte sich stehend an die Hauswand.

      Als der Alte das Tuch auf seine Augen legte, zuckte er zusammen, verbiss aber den Schmerz.

      „Brennt es?“ fragte Jotan, mit einem wissenden Unterton in der Stimme.

      „Ja!“ kam schmerzerfüllt die Antwort.

      „Lasst das Tuch für eine Weile auf Euren Augen, dann spült die Augen mit sauberem Wasser gut durch. Morgen Früh wiederholen wir die Prozedur und wenn alles klappt, solltet Ihr in ein paar Tagen wieder sehen können.“

      „Das wäre ein Wunder!“ war der Alte zu hören, aber Jotan antwortete nur bescheiden: „Nein! Nur die Heilkunst, die ich gelernt habe.“

      Jotan lächelte, er kannte derartige Reaktionen. Die Tinktur bestand aus dem Öl, das aus gepressten Bucheckern herausfloss, vermengt mit Kamillen- und Arnikasaft. Das Zeug brannte, aber es half bei offenen Wunden und Schwellungen.

      Inzwischen waren Finnian und Ryen mit einigen Hühnern vom Stall zurückgekehrt und so gab es ein kräftiges Abendmahl.

      Nachdem sie noch eine Weile gesessen und sich mit dem Alten und seiner Tochter unterhalten hatten, legten sich die sechs Kundschafter jedoch zum Schlafen in den Stall.

      +++

      Nach drei Tagen setzte die Wirkung der Tinktur, an den Augen des Alten ein und die Geschwulst ging langsam zurück.

      Der Alte und seine Tochter nahmen es wie ein Wunder und sahen sich Jotan gegenüber zum Dank verpflichtet, doch dieser wehrte ab:

      „Nehmt es als Geschenk und schenkt mir Eure Freundschaft. Ich muss Euch nämlich ein Geständnis machen.“

      Er ließ die Worte etwas in der Luft hängen, um ihnen mehr Bedeutung zu verleihen.

      „Wir sind keine Wanderer, sondern Kundschafter, die neue Siedlungsplätze für unser Volk ausspähen.“

      „Hier ist Platz für alle!“, antwortete der Alte ruhig, ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Die nächsten Gehöfte wurden nach diesem grauenvollen Sommer, der mehr an einen Winter erinnerte, aufgegeben. Das war vor einigen Jahren schon einmal so. Ich bin froh, wenn sich wieder jemand hier niederlässt. Ihr seid Senonen, nicht war?“ stellte er mehr fest, als dass er fragte.

      „Ihr habt recht!“, antwortete Vaughn, auch wenn es nicht ganz stimmte, denn Lugh war ein Boier und Finnian ein Cenomane. Aber das tat im Moment nichts zur Sache.

      „Ich war lange Zeit nördlich des Gebirges als Handwerker unterwegs, bevor ich mich hier als Bauer niederließ.“ erklärte Lucus mit nachdenklicher Stimme.

      „Was war Dein Handwerk?“ fragte Amdegh, der in den letzten Tagen die Dächer des Wohnhauses und des Stalles notdürftig geflickt hatte und sich soeben über die Stallwände hermachen wollte. Er wollte fertig werden, bevor der erste Schnee fiel, auch weil das Wetter sich von Tag zu Tag verschlechterte.

      „Ich war Gerber!“ antwortete der Alte. „Aber meine Frau mochte den Geruch nicht und so zogen wir weg. Im letzten Sommer ist sie zu unseren Ahnen eingegangen und meine Tochter hier, hilft mir bei unserem Haushalt. Nachdem Ihr mich geheilt habt, stehe ich tief in Eurer Schuld. Wie kann ich Euch je danken?“

      Lucius war richtig verlegen, als er das sagte.

      „Helft uns, damit wir genug Land zum Bestellen für unsere Leute haben. Das ist Dank genug!“ antwortete Jotan.

      „Gibt es einen Fürsten oder eine Stadt, die dieses Land für sich beansprucht?“ hakte er nach.

      „Nein, die nächsten etruskischen Städte Piatentia und Melpum sind viele Tagesreisen von hier entfernt. Und die Bauern, deren Höfe nun vom Ungeziefer bewirtschaftet werden, haben meiner Meinung nach den Besitz daran aufgegeben. Das waren Tauriner.“

      „Gut, dann werden wir hier das schlechte Winterwetter abwarten, uns die nähere Umgebung etwas genauer ansehen und Euch weiter bei der Bewirtschaftung Eures Hofes helfen. Es sei denn, Du hast etwas dagegen.“

      „Nein, nein! Bleibt ruhig!“, wehrte Lucius lautstark ab, um dann leise hinzuzufügen: „Ich glaube meine Tochter würde sehr traurig werden, wenn insbesondere einer von Euch so schnell wieder gehen würde.“

      Lucius sah auf seine Tochter und dann auf Amdegh, der gerade dabei war Material für die Stallwand zu sammeln.

      Jotan grinste und musste zugeben: „Auch ich wäre jetzt lieber in einem Dorf in den Alpen.“

      Vaughn, der das Gespräch zufällig mit angehört hatte, klärte den