Название | Die Dorfbrunners |
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Автор произведения | Helmut Lauschke |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738049961 |
Sie gingen doch nicht gleich nach Hause, sondern kehrten in das Gasthaus, Zum Schlesischen Krug, ein, um dort das Mittagessen einzunehmen. Es war bereits ein Uhr mittags. Die kleine, von der Einschmelzung verschont gebliebene Glocke machte, wie eine hohe Kinderstimme, den Einuhrschlag, als die beiden die Speisekarte mit den aufgeführten drei Gerichten und ihre Preise aufmerksam studierten, die hinter einem verschlossenen Glasdeckel links neben der Gasthaustür ausgehängt war. Von den drei Tischen waren zwei frei, auf dem dritten, einem Fenstertisch, stand aufrecht eine kleine quadratische, in einen dunklen Holzständer eingedrückte Messingplatte mit der schwarz eingelassenen Aufschrift ‘reserviert’. Eckhard Hieronymus Dorfbrunner und seine junge Frau wurden vom Wirt mit Bauch und blauer Schürze freundlich begrüßt, obwohl sie das erste Mal in das Gasthaus einkehrten und dem Wirt vorher nicht begegnet waren. Der Wirt mit der feinen Nase, wie sie allen Wirten zugeschrieben wird, wusste, um wen es sich bei den Mittagsgästen handelte, und sprach sie, als Eckhard Hieronymus noch die Außenklinke in der Hand hatte, mit „Guten Tag Herr Pfarrer!, guten Tag gnädige Frau!“ an. Sie setzten sich an den mittleren Tisch, der dem Fenstertisch am nächsten stand. An der alten Holztheke stand ein älterer Mann, an dessen dunklem Anzug der Hauch von Schäbigkeit haftete, und vor sich ein Schnapsglas stehen hatte, das er in regelmäßigen Abständen zum Mund führte und nachfüllen ließ. Die beiden am Tisch verschafften sich die erste Orientierung. Der Wirt, ein Herr in den mittleren Jahren, mit langem Backenbart und großen Ohren, trat an den Tisch. Er lächelte den Gästen ins Gesicht, erst der jungen Frau, dann dem jungen Herrn Pfarrer. Er wollte die Gäste, und noch mehr ihr Kommen, ehren und bot ihnen ein Willkommens-Schnäpschen zum, wie er sagte, Aufwärmen der Gemüter an. Dabei ließ er nicht ungesagt, dass diese Runde ein Geschenk des Hauses sei und auf seine Kosten gehe. Während die beiden sich, ob verblüfft oder erschrocken ansahen, sei dahingestellt, über das Prinzip des alkoholischen Genusses nachzudenken begannen, offerierte der Wirt mit den entsprechenden Erklärungen die verschiedenen Marken und Geschmacksrichtungen, vom Holstenkorn, über den ostpreußischen Bittermann bis zum schlesischen Mandelbitter und Liegnitzer Hirschwasser. „Warum nicht“, meinte Luise Agnes, die sich Hände und Wangen warm rieb, „ich könnte schon einen Aufwärmer gebrauchen“, und mit Blick auf ihren, noch unentschlossenen Mann, „das kommt ja nicht jeden Tag vor.“ „Da darf ich ihnen den Schlesischen Mandelbitter empfehlen; der hat ein erfrischendes Aroma und ist nicht zu stark“, schlug der Wirt vor. „Gut, dann will ich den Mandelbitter probieren“, erwiderte Luise Agnes. „Sehr wohl, gnädige Frau, der wird ihnen gut tun!“ Der Wirt wandte sich dem Herrn zu: „Und ihnen, Herr Pfarrer, wenn ich einen Vorschlag machen darf, würde ich das Liegnitzer Hirschwasser empfehlen, das herb im Geschmack und in der Konzentration nicht zu geistig ist.“ Eckhard Hieronymus schaute seine Frau fragend an, die mit dem Kopf nickte und die Bestellung der Gemütsaufwärmer ohne weitere Verzögerung zu Ende brachte. Der Wirt ging hinter die Theke zurück, als Eckhard Hieronymus seiner Frau die Frage stellte, was wohl die Menschen denken werden, wenn sie den Pfarrer, der hier gerade seinen Dienst begonnen hat, mit dem Schnapsglas in der Hand oder vor dem Munde sehen, und das am Totensonntag. Luise Agnes sah das anders; sie erklärte die Schnapslage als eine wirksame Medizin an einem kalten regnerischen Spätherbsttag, die einer Erkältung mit ihren negativen Folgen vorbeuge. Der Wirt hatte die zwei Schnapsgläser gefüllt, kam und stellte sie auf den Tisch, erst der jungen Frau zur Rechten mit den Worten: „einen Schlesischen Mandelbitter für die gnädige Frau und ein Liegnitzer Hirschwasser für den Herrn Pfarrer.” Dann wünschte der Wirt ein freundliches Prosit. „Können wir die Bestellung aufgeben?“, fragte Luise Agnes. „Selbstverständlich gnädige Frau“, erwiderte der Wirt. Mann und Frau hatten sich bereits abgestimmt, so bestellte Eckhard Hieronymus zweimal Schweinskotelett mit Bratkartoffeln. Die Frage nach dem Gemüse, beantwortete der Wirt mit einem Lächeln, dass es Frischgemüse aus Bohnen, Möhren und Rotkohl sei, überzogen mit einer speziellen Käsesoße nach böhmischer Art. „Wäre es so recht?“, fragte er, um sich zu vergewissern. Luise Agnes nickte mit dem Kopf, der Wirt ging, öffnete die Tür neben der Theke und rief die Bestellung in die Küche, aus der ein aromatischer Fleischgeruch in die Gaststube drang. Eckhard Hieronymus blieb für mehr als eine Minute still. Luise Agnes sah seinem Gesicht und den müden Augen an, dass er in einer anderen Welt war. Sie wollte ihn an den Tisch zurückholen und ermuntern. So fragte sie ihn, ob er zufrieden sei mit dem, was abgelaufen war. „Mit dem Gottesdienst schon, mit dem, was danach kam, weniger“, erwiderte er und rieb sich mit den Zeigefingern über die Augen; worauf Luise Agnes, die sah, dass etwas nicht stimmte, sagte, dass er ihr zu Hause von dem Gespräch in der Sakristei doch berichten möge. Zwei Männer, denen die Haare beim einen ergraut, beim andern ausgefallen waren, betraten die Gaststube und setzten sich an den Fenstertisch. Einer von ihnen schob die kleine Messingplatte mit der schwarzen Aufschrift „reserviert“ mitsamt Ständer zur Seite. Auch sie hatte der Wirt beim Eintreten freundlich begrüßt, aber ein Schnäpschen auf Hauskosten zum Aufwärmen der Gemüter hatte er ihnen nicht angeboten. Es waren Herren, von denen sich Eckhard Hieronymus nur an den glatzköpfigen erinnerte, wie er nach dem Gottesdienst die Kirche verließ, weil er einer der wenigen war, die weder eine Miene zum Gruß verzogen, noch auf seinen Gruß reagierten. Der ältere Mann an der Theke, dessen Jacke vom Regen durchnässt war und der ganze Anzug die Merkmale der ungepflegten Schäbigkeit aufwies, ließ sich