Die Stadt des Kaisers. Alfred Stabel

Читать онлайн.
Название Die Stadt des Kaisers
Автор произведения Alfred Stabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742781260



Скачать книгу

Gründe angegeben.“

      „Wie aufmerksam von deinem ältesten Sohn – Allah schenke ihm ein langes glückliches Leben. Aber Vasallen haben beim Kriegsrat nichts verloren! Es genügt, dass du ihnen Befehle erteilst! Der Tatarenkhan wird mit seiner Streitmacht im Frühling wiederkommen, weil es ihn nach Beute gelüstet und das ungarische Königlein, weil es den Zorn des Kaisers fürchtet. Mehr braucht es nicht! Und bedenke den Schaden, wenn sie das Gehörte an unsere Feinde weitergeben! Ungarn und Tataren haben lose Zungen!“

      Mehmeds Augen suchten die beiden Gesandten. Sie standen mit Yusuf Efendi und zwei Offizieren plaudernd in einer Zeltecke. Das erregte sein Misstrauen.

      „Bei Allah, du hast Recht! Komplimentiere die Schwätzer hinaus, bevor die Beratung beginnt!“

      Yusuf zuckte zusammen, als er den Großwesir auf sich zukommen sah. Kara Mustafa ignorierte ihn und pflanzte sich vor den Gesandten auf. „Der Sultan will euch verabschieden. Es war ein Versehen, dass ihr eingeladen wurdet!"

      „Oh, wie bedauerlich“ sagte der Ungar in schlechtem Türkisch. „Wird die Gnade gewährt, den Mantel des Sultan küssen zu dürfen?“

      „Sie wird“ antwortete Kara Mustafa knapp und die beiden machten sich auf den Weg.

      Yusuf, der ihnen folgen wollte, wurde der Weg versperrt. Kara Mustafa wartete, bis der Sultan mit den Gesandten beschäftigt war, dann schlug er mit der flachen Hand zu. Obwohl Yusufs Wangen brannten, fühlte er sich erleichtert.

      Mehmed hatte die Misshandlung seines obersten Hofmeisters nicht mitbekommen. Er nickte Kara Mustafa freundlich zu, als er bei seinen Füßen Platz nahm.

      „Bevor wir beraten, soll gehört werden, was Kara Mustafa Pascha von den dunklen Machenschaften unserer Feinde weiß. Rede Großwesir!“

      „Es scheint“ begann Kara Mustafa, „dass die kläglichen Niederlagen und der bittere Frost unsere Feinde gelähmt haben. Die Garnisonen von Raab (ungarisch: Györ) und Komorn (Grenzfestungen östlich von Wien, die noch dem Kaiser gehörten) unternehmen nichts und die kleine Streitmacht in Graz wärmt sich die Hintern am Feuer. Einzig am nördlichen Donauufer nahe bei Wien kommt es hin und wieder zu Gefechten. Dort befiehlt ein junger Capitan, der unserem Vasallen Imre Tököly Sorgen bereitet. Sobald der Schnee schmilzt, wird Kara Mehmed Pascha über die Donau gehen und dem Spuk ein Ende bereiten.“

      „Und wo haust dieser schreckliche Capitan?“ unterbrach Ali Pascha.

      In einem Städtchen an der ersten Donaubrücke nach Wien. Es trägt den wunderlichen Namen“ - Kara Mustafa verzog den Mund wie bei starken Zahnschmerzen - „Krems. Die Ungläubigen müssen aus Krems vertrieben werden!“

      „Das hätte der Tatarenkhan schon im letzten Jahr tun sollen“ schimpfte Ali Pascha.

      „Wahr sprichst du, Scheichsohn“ sagte Kara Mustafa, „deshalb hat er seinem tüchtigeren Sohn Platz gemacht.“ Jene, die wussten, wie es dabei zugegangen war, grinsten.

      „Schreiben wir dieses Krems auf die Liste unserer Kriegsziele“ sagte der Sultan. „Was weißt du noch?“

      „Dass es die christlichen Herrscher mit dem Kaiser halten und sich gegen unseren Verbündeten Ludwig XIV. von Frankreich stellen.“

      „Woher weißt du das?“

      „Ich weiß es vom englischen Gesandten und vom niederländischen. Beide haben das Gleiche gesagt, siegreicher Herr.“

      „Gesandte lügen.“

      „Sie lügen, weiser Sultan, wenn es ihnen zum politischen Vorteil gereicht. Doch in diesem Fall reden sie die Wahrheit. Der französische König steht alleine da und muss fürchten, dass der oberste Hüter der Ungläubigen, den sie Papst nennen, ihn verstößt.“

      „Wie kann der ihn verstoßen?“

      „Von der Prozedur verstehe ich nichts, Herr, aber es ist in der Vergangenheit geschehen.“

      „Und wenn er vom Papst verstoßen wird, ist er kein Christ mehr? Und wenn er kein Christ ist, was ist er dann? Ein Gottloser?“

      "Fragen wir Mavrocordatos" schlug Kara Mustafa vor. Mehmed winkte den griechischen Arzt, der dem Großwesir als Dolmetsch und diplomatischer Berater diente, nach vorne.

      "Sag, kann der Papst einem Christen den Glauben verbieten?"

      Bevor der Grieche antworten konnte, wurde er vom Vani Efendi, der das Wort Papst einmal zu viel gehört hatte, zur Seite gestoßen. „Er soll schweigen, Herr! Was kümmert uns der Irrgläubige in Rom? Allahs Zorn trifft jene, die sich mit Irrlehren beschäftigen!“

      „Lass ihn reden, Prediger!“ gebot Mehmed, „die Sache macht mich neugierig. Rede Grieche!“

      „Mächtiger Herr, diese Prozedur nennt sich Exkommunikation. Der Bestrafte bleibt durch die empfangene Taufe Christ, ist aber vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen, was bedeutet, er würde im Zustand der Sünde leben und sterben. Eine schreckliche Vorstellung für Christen.“

      „Dann wird König Ludwig also dem Papst nachgeben und sich mit dem Kaiser gegen mich zusammenschließen?“ fragte der Sultan.

      „Vielleicht“ antwortete Mavrocordatos. „Er könnte aber auch seine eigene Kirche gründen wie es vor lange Zeit ein englischer König getan hat.“

      „Bei Allah, ich hoffe, das wird er tun!“

      „Für König Ludwig steht noch ein weiterer Weg offen “ fuhr Mavrocordatos fort. „Er könnte die französischen Bischöfen einen Gegenpapst wählen lassen, der ihm gewogen ist. Auch das gab es bereits.“

      „Und der jetzige Papst“ fragte der Janitscharengeneral.

      „Würde auch im Amt bleiben. Es gäbe dann zwei Päpste.“

      „Die sich bekriegen würden?“

      „Ja, mit Worten.“

      „Ha, bloß mit Worten, wollen sie sich bekriegen“ lachte der Sultan. „Was für Memmen! Ich werde ein Schreiben an meinen französischen Bruder aufsetzen lassen“ - der Sultan sprach nun in gönnerhaften Ton - „und ihm zum einzigen wahren Glauben raten. Er soll Muslim werden!“

      Mavrocordatos und jene im Rat, die politisch und praktisch dachten, rissen erstaunt die Augen auf. „Als Muslim kann sich Ludwig über die Anfeindungen des Papstes hinwegsetzen“ dozierte Mehmed „Liebt er die Frauen, Mavrocordatos?“

      „Nicht weniger als ihr, hoher Herr.“

      "Aber er besitzt nur eine Gattin?"

      "Besaß, erhabener Herr. Sie starb im letzten Sommer."

      „Dann soll in dem Schreiben auch stehen, dass er fortan mehrere Gattinnen nehmen darf. Und weiter, dass ich ihm eine Teilung des Reiches der Deutschen vorschlage. So!" Wuchtig schlug der Sultan mit seinem silbernen Streitkolben auf ein abgestelltes Kaffeetablett, das in zwei Teile zersprang. "Ich nehme mir die östlichen Provinzen der Deutschen, er die im Westen, nach denen es ihn schon lange gelüstet! Bei Allah, so soll es geschehen!"

      „Gott will es!“ rief Vani Efendi, „preiset unseren Sultan!“

      Kara Mustafa, der die Außenpolitik des Reiches leitete, lief es kalt über den Rücken. Mit Frankreich bestand ein mündlicher und sehr geheimer Vertrag mit dem Inhalt, ihrem gemeinsamen Feind, dem Kaiser, zu schaden. Direkte Waffenhilfe war nicht vereinbart. Im Herbst war ein Schreiben Mehmeds, adressiert an ´den geliebten Bruder Ludwig, König in Frankreich` in Österreich abgefangen und in alle Welt hinausposaunt worden. Wegen der Indiskretion hatte sich der französische Botschafter bitter beklagt und Konsequenzen angedroht, falls die unerwünschte Korrespondenz sich wiederholte.

      „Großwesir, Mustafa! “ rief Mehmed. „Wie viele Soldaten bringst du bis zum Frühjahr zusammen?“

      „Einhunderttausend, oh Herr, so Allah will, hundertzwanzigtausend.“

      „Zu wenige, zu wenige für meine Ziele! Zweihunderttausend sollen