HAT-SCHEPSUT: Das Geheimnis der Frau auf Ägyptens Thron. Wieland Barthelmess

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Название HAT-SCHEPSUT: Das Geheimnis der Frau auf Ägyptens Thron
Автор произведения Wieland Barthelmess
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742704962



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ich werde sie stets im Gedächtnis bewahren.“

      „Das ist sehr gut so“ entgegnete Anjotef. „Erinnere dich ihrer getrost, falls es die Gegebenheiten erfordern.“

      „Das werde ich gewiss tun“, erwiderte Hat-schepsut höflich. „Pharao wird sicherlich nichts tun, was den Handel stören könnte. Ist es doch der Güteraustausch, der ein Land zu wahrer Blüte führt. Und jeder Krieg ist Gift für den Handel.“ Hat-schepsut sah Anjotef ins Gesicht. „Man muss die Schätze fremder Länder nämlich nicht unbedingt rauben, man kann sie auch rechtmäßig erwerben. Denn Raub führt schließlich doch immer nur zu Bitterkeit und Rachegedanken. Und wie wir beide wissen, bilden beide kein dauerhaftes Fundament für eine lange Zeit des Friedens.“

      „Das sind sehr kluge und vernünftige Überlegungen. Also hoffen wir, dass Turi seine Arbeit als Vizekönig auch gut machen wird.“

      „Wie du weißt, ist ihm Ah-mose Aa-metju, der Gaufürst von Sauti sowie sein Sohn User-Amun beigestellt. Turi wird ihre Ratschläge nicht vernachlässigen. Er wird für Frieden sorgen. Denn es ist der Wille Pharaos ebenso, wie jener des Thronfolgers.“

      „Ja, das Land braucht endlich Ruhe, um sich entwickeln zu können“, pflichtete Anjotef ihr bei. „Siegreiche Feldzüge können das Herrschaftsgebiet Kemets zwar vergrößern, aber eroberte Gebiete zu unterhalten, ist immer kostspielig.“ Zufrieden lehnte sich Anjotef zurück. „Wir sehen einer Regentschaft des Thronfolgers also zuversichtlich entgegen.“

      „Das solltet ihr auch“, erwiderte Hat-schepsut versöhnlich. „Thot-mose wird kein Pharao sein, der Kemet von einem Kriegsabenteuer ins nächste stürzen wird.“

      Als sie nach Mitternacht die ihr zugewiesenen Gemächer im Palast zu Sunu betrat, hatte Sit-Re mittlerweile dafür gesorgt, dass Hat-schepsut sich augenblicklich zu Hause fühlte. Dutzende von Polstern hatte sie herbeibringen lassen und schließlich auch darauf geachtet, dass die in Hat-schepsuts Augen sicherlich scheußlichsten Einrichtungsgegenstände verschwunden waren. Die altmodischen, ungepolsterten Klappstühle, an denen man sich gehörig zwicken konnte, vor allem aber die zahllosen Schreine für die absonderlichsten Gottheiten wurden bis auf wenige entfernt. Nicht etwa weil Hat-schepsut sich an ihnen wegen der Götter, für die sie standen, gestört hätte, sondern weil die handwerkliche Ausführung dieser Zimmerschreine meistens deutlich zu wünschen ließ. Provinzhandwerker schufen eben Provinzhandwerk. Und das war dazu geeignet, Hat-schepsuts Augen zu beleidigen. Augenblicklich hatte Sit-Re gemeinsam mit Merit-Amun auch die Räume des Thronfolgers denselben Säuberungen unterzogen. Thot-mose sollte sich erst gar nicht an den geschmacklosen Ramsch gewöhnen.

      Man hatte der Gottesgemahlin tatsächlich Räume zugewiesen, von denen aus sie einen grandiosen Blick über die Stadt und auf den Nil mit seinen Inseln hatte. Zufrieden setzte sie sich auf eine Bank und blickte auf den ewig dahinströmenden Strom, auf dessen Inseln noch immer etliche Lichter flackerten. Nach jenem Gespräch mit Anjotef ahnte sie, dass sie nicht alleine stand mit ihrer Überzeugung, eine friedliche Regentschaft könnte für das Land ersprießlicher sein, als eine Zeit ständiger Kriege und Eroberungen. Vielleicht war die Epoche der ritterlichen Könige, die sich vor allem auf dem Schlachtfeld zu beweisen wussten, tatsächlich endgültig vorbei. Vielleicht würde eine Epoche der Künste und Wissenschaften, ein Zeitalter des Handels und der Verträge hereinbrechen, so wie es sich bei Pharao Amun-hotep, Hat-schepsuts Großonkel, bereits angedeutet hatte.

      Gleich am anderen Morgen, noch bevor an Aufbruch zu denken war, ließ sie Sen-en-Mut rufen, um ihn zu fragen, was er von ihren Einschätzungen hielt. Er war abwägend wie immer. Zwar teilte er ihre Meinung, dass eine Zeit des Friedens den Menschen und der Welt förderlicher wäre. Allerdings gab er auch zu bedenken, dass nur aus der Zerstörung Neues entstehen konnte. Gott Seth, der Krieg und Zerstörung bringt, würde heutzutage kaum noch angebetet werden, da ihn die Hyksos für ihre Zwecke missbraucht hatten. Doch er gehörte neben Osiris, Isis und Horus zu den ältesten Göttern Kemets.

      „Es hat also seine Gründe“, wollte Sen-en-Mut ein Schlusswort finden, „warum Seth zu diesen ersten Göttern gehört. Es liegt in der Ma’at begründet, die sich im Gleichgewicht der Dinge ausdrückt. Und die Ma’at bleibt nur erhalten, wenn zum Sprießen das Vergehen hinzukommt.“

      „Seth, der Gott des Krieges und der Zerstörung, kann also auch ein Segen spendender, ein wohltätiger Gott sein“, fasste Hat-schepsut ihre Gedanken zusammen.

      „So ist es. Man sollte ihn nicht benachteiligen.“

      „Er ist wankelmütig wie ein kleines Kind“, widersprach Hat-schepsut. „Ein Krieg kann so leicht auch verloren werden. Und dann hat er nichts als Leid gebracht. Gewinnt man ihn, so bringt er neben dem Leid wenigstens noch Ruhm und Ehre. Aber nein, ich mag Kriege nicht, sie bringen nur alles durcheinander. Ruhm und Ehre muss doch auch anders zu erringen sein, als mit Waffengewalt.“

      „Ja, und zwar durch Wunder, die man erschafft“, lächelte Sen-en-Mut, „indem man nämlich die Ma’at erhält. Aber auch durch Wohlstand, der dem ganzen Land zugute kommt.“

      „Oh, ich werde Thot-mose jeden Tag daran erinnern“, versprach Hat-schepsut. „Er soll einmal ein großer Herrscher werden.“

      Die Verabschiedung von Sunu und Anjotef wurde mit allem Pomp begangen, so dass es schon spät am Vormittag war, bis der Konvoi endlich die Granitsteinbrüche erreicht hatte. Seit Pharao vor Jahren den Ersten Katarakt in langwieriger und gefährlicher Arbeit hatte ausheben lassen, konnten ihn auch größere Schiffe problemlos passieren. Hat-schepsut und ganz besonders Thot-mose waren jedenfalls sehr enttäuscht, als sie ihn durchfuhren. In ihren Augen war dies kein Katarakt mehr. Noch nicht mal mehr eine Stromschnelle. Lediglich einen einzigen Strudel hatte Thot-mose entdecken können. Und der war so schwach, dass man eine Katze hätte hineinwerfen können, ohne dass sie ertrunken wäre. Thot-mose schmollte.

      Kaum am Steinbruch angekommen, sprang Ineni, den Pharao mit der Auswahl der Felsblöcke für seine Obelisken beauftragt hatte, mit Kennerblick von Felsblock zu Felsblock und klopfte mit einem kupfernen Hammer darauf herum, meinte er doch, anhand des Klanges erkennen zu können, ob die Steine grundsätzlich geeignet waren. Schnell winkte er einen Diener mit einem riesigen Holzhammer zu sich und ließ ihn abermals auf jene Felsen schlagen, die in die nähere Auswahl gekommen waren. Ineni legte sein Ohr auf den Stein und zückte schließlich einen kleinen, geradezu zierlichen Hammer, den Pharao ihm einst für seine Verdienste geschenkt hatte. Er war aus dem seltenen, überaus festen Metall gefertigt, das im Land der Hethiter als Meteoriteneisen vom Himmel fiel. Händler hatten das rare Stück in Wilusa eingetauscht. Das Hämmerchen gab ein lange nachklingendes Plinkplink von sich und der Baumeister machte ein zufriedenes Gesicht. Stolz erklärte Ineni der ihm gebannt zuschauenden Hat-schepsut, dass er eine gleichmäßige Beschaffenheit des Felsens erfühlen könne, wenn an dessen anderem Ende jemand auf ihn einschlug. Und tatsächlich: Auch Hat-schepsut spürte ein kaum merkliches Zittern, ein sanftes Beben, das aus dem Gestein zu kommen schien, wenn der Diener mit dem Holzhammer zuschlug, obschon er mehrere Schritte weit entfernt war. Es war wie der tiefe Gesang der Priester, der den Körper zum Erbeben brachte; nur unendlich viel schwächer und kaum zu erspüren. Wie Ineni legte auch Hat-schepsut ihr Ohr an den Felsen und lauschte den Tönen, die aus dem Stein drangen, sobald der Baumeister seinen Eisenhammer benutzte. Sie waren spitz und schmerzten fast schon im Ohr, obwohl sie kaum zu vernehmen waren.

      Pharao brach in lautes Gelächter aus, als er seine Tochter mit dem Architekten an den Felsen lauschen sah. So gebannt horchten sie in den toten Stein, dass sich ihre Nasen fast berührten und ihre Augen zu leuchten begannen, wenn der Klang in ihr Ohr drang. Zum Vergleich ließ Ineni Hat-schepsut an einem anderen Felsen lauschen, der allerdings nur einen einmaligen dumpfen Ton von sich gab. Dies, so meinte Ineni, sei ein Zeichen dafür, dass der Felsbrocken nicht mehr intakt, sondern in seinem Inneren gesprungen sei und somit nicht für seine Pläne tauge. Pharao hatte ihn nämlich beauftragt, zwei Obelisken für den Tempel in Waset zu errichten, die eine Höhe von jeweils 260 Schesep haben sollten. Und da sich Hat-schepsut über die Größe nicht im Geringsten erstaunt zeigte, setzte er nach.

      „Kind, das ist so hoch als ob ein Dutzend Mann einander auf den Schultern stehen“, er streckte den Arm in die Luft als könne er damit die wahre