Название | Für Freiheit, Lincoln und Lee |
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Автор произведения | Michael Schenk |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738064353 |
Am frühen Morgen hörte Karl den kurzen Trompetenstoß, der die Trompeter zum Sammeln rief. Kurz darauf ertönte die Reveille, das Wecksignal. Alle Signale, mit Ausnahme des Flaggensignals Call to Colors wurden zweimal geblasen. Karl hatte also noch genug Zeit, dem über ihm liegenden Jack Robbins freundschaftlich in den Hintern zu treten. Die Reveille war ein Signal, das man von den französischen Truppen übernommen hatte. Eine Menge Franzosen hatten ja beim Unabhängigkeitskrieg der Vereinigten Staaten mitgemacht. Als Militärberater oder später auch mit vollen Kampftruppen. Bei Fußtruppen wurde das Wecksignal mit Trommlern und Pfeifern gegeben und es wäre eine sehr hübsche Melodie gewesen, wenn sie nicht den Zweck gehabt hätte, die Männer unbarmherzig aus dem Schlaf zu reißen. Was die Melodie nicht schaffte, das brachten die Sergeants und Corporals zu Ende. Hier und da ein freundlicher Knuff und in einem Fall ein Eimer Wasser und die Männer sahen halbwegs munter einem neuen Tag entgegen. Aber man gewöhnte sich an den Tagesablauf, der strikt reglementiert war. Es gab für alles feste Zeiten und irgendwann war es so weit, dass die Männer automatisch erwachten, selbst wenn der Trompeter verschlafen hätte.
Vor dem Frühstück ging es immer zum Roll Call. Niemand musste dabei besonders ausgeschlafen oder ordentlich uniformiert aussehen. Hauptsache, man schleppte sich schnell genug auf den Paradeplatz, fand seinen richtigen Platz in der Kompanie, und war in der Lage zu antworten, wenn der First-Sergeant der Kompanie den Namen aufrief.
Dan Tucker, den Karl ganz am Anfang bereits am Tor kennengelernt hatte, war der Hauptfeldwebel der C-Kompanie. Als der Roll Call an diesem Morgen beendet war, erwarteten alle, dass er sein Notizbuch zuklappte und sie zum Frühstück wegtreten ließe. Aber Tucker wippte leicht auf den Absätzen und grinste sie breit an.
„Nun gut, Gentlemen, Heute ist der Tag, an dem Sie den Eid auf die Fahne leisten werden. Ich bitte mir also aus, dass jeder nach dem Frühstück dafür sorgt, dass er wie aus dem Ei gepellt aussieht.“ Tucker wusste, dass sie bei einer Dress Parade, wie das Antreten in voller Parade genannt wurde, immer wie aus dem Ei gepellt aussahen. „Kompanie – Achtung.“
Automatisch gingen sie in Grundstellung und sahen durch Tucker hindurch. „Weggetreten.“
Sie lösten sich auf. Beim Roll Call konnten sie einfach von der Stelle wegtreten. Nachher, bei der Parade würde das anders sein. Ein Fuß nach hinten versetzt und eingedreht, eine gleitende Drehung, den Fuß nachgezogen und schon würden sie in Gegenrichtung stehen.
Es gab den starken Armeekaffee und Karl schaufelte Schinken und Eier in sich hinein. Gerüchte besagten, der Armeekaffee sei so stark, damit die Schuhsohlen sich ordentlich kräuselten und später beim Drill wieder platt getreten werden konnten.
Sie traten in voller Paradeuniform auf dem Exerzierplatz an. Jede der Kompanien beritten und in zwei Gliedern.
Rechts außen an den Formationen flatterten die Kompaniezeichen an ihren langen Lanzen. Rund siebzig Zentimeter hoch und einen Meter lang. Hinten waren sie knapp vierzig Zentimeter eingeschnitten. In der oberen roten Hälfte des Kompaniezeichens standen die weißen Buchstaben U.S. und in der unteren weißen Hälfte der rote Kennbuchstabe der Kompanie. An der Lanze befand sich oben eine Spitze aus blitzendem Messing, die an ein umgedrehtes Herz erinnerte. Das Ende der Lanze hatte einen stumpfen Bodendorn aus Messing, der vom Wimpelträger in eine Halterung am Steigbügel gestellt wurde.
Das Paradefeld war groß genug, so dass die fast 600 Männer des Regimentes mit ihren Pferden nur zwei Seiten des Platzes einnahmen. Vor der Kommandantur stand die berittene Color Guard, die Fahnenwache mit dem Regimentszeichen. Bislang hatte Karl die Regimentsfahne noch nicht zu Gesicht bekommen. Sie war erstaunlich klein. So hoch wie ein Kompaniezeichen, aber nur rund neunzig Zentimeter lang. Ein dunkelblaues Tuch mit gelben Fransen eingefasst. Die Fahne zeigte den US-Adler und zwei rote Schriftrollen, auf denen der Name des Regimentes stand. Karl sah Lee aus der Kommandantur treten. Er bestieg seinen Rappen und plötzlich hallte der Paradeplatz von Kommandos wieder.
Es gab eine typische Art, Befehle zu vermitteln. Die Ankündigungsbefehle, welche jeden darauf vorbereiteten, was er zu tun hatte, wurden von oben nach unten durchgereicht. Vom Regimentskommandeur bis zum Lieutenant des einzelnen Zuges. Dann kam immer das Ausführungskommando, das vom ranghöchsten Befehlshaber gegeben wurde. In diesem Fall vom kommandierenden Major, denn Lee, als Lieutenant-Colonel, nahm die Parade ja ab.
Als Karl Baumgart an den ersten Paraden teilgenommen hatte, war die Befehlsgebung mitunter ein heilloses Stimmengewirr gewesen. Die Wochen und Monate der Ausbildung hatten dies geändert.
„Regiment“, die Stimme des kommandierenden Majors, „Bataillon“, die Stimmen der anderen beiden Majore, „Company“, die Stimmen von zwölf Captains, „Platoon“, das Ankündigungskommando der Zugführer. Das machte jedem klar, das alle gemeint waren.
Erneut erhob der kommandierende Major die Stimme. „Draw“. Rund sechshundert Hände umschlossen die Griffe der Kavalleriesäbel. „Sabre“. Nur dieses eine laute Kommando und in einer einzigen Bewegung zischten die Klingen aus ihren Scheiden, wurden für einen Sekundenbruchteil im exakten Winkel von 45 Grad schräg nach vorne gerichtet und dann mit einer gleitenden Bewegung an die rechte Schulternaht gelegt.
Keiner patzte. Zum einen waren sie inzwischen perfekt gedrillt und zum anderen wollte keiner die Parade schmeißen. Heute galt es.
Lieutenant-Colonel Robert E. Lee ritt an und die Regimentsfahne, geschützt von drei ausgesuchten Sergeants des Regiments, folgte ihm dichtauf. Lee hatte eine tragende Stimme und konnte sich mühelos verständigen. Mit klarer Stimme nahm er ihnen den Eid auf die Fahne der Vereinigten Staaten ab.
Dann folgten wieder die Kommandos vom Regiment zum Zug hinunter. „Within doubling – right face.“
Die Kompanien standen in Doppelreihe. Nun würden sie gleich aus der Doppelreihe in die Viererkolonne übergehen. Die vordere Reihe ritt zwei Pferdelängen vor und ging auf Lücke, das hieß, Reiter mit gerader Nummer ritten eine Länge vor, die mit ungeraden Nummern hingegen zwei. Die hintere Reihe tat dasselbe. Automatisch lenkten sie die Pferde dann nach recht in die entstandenen Lücken hinein. Für einen Laien sah es kompliziert aus, doch innerhalb weniger Sekunden entstand aus der Doppelreihe, mit Blick nach vorne zum Zentrum des Platzes eine lange und kompakte Viererkolonne.
Dann begann die Regimentskapelle zu spielen. Den Yankee Doodle, Spanish Guard Mount, American Flag und The Girl I Left Behind Me. Sie ritten zu den Klängen von Trommeln und Pfeifen an, präsentierten vor Lee und der Regimentsfahne die Klingen und Karl Baumgart wurde bewusst, dass er nun Soldat der zweiten US-Kavallerie war.
Kapitel 10 Klare Verhältnisse
Friederike Ganzweiler mochte den Hafen und die Docks von New York nicht besonders. Es war ihr zu schmutzig und zu geschäftig, erinnerte sie an den Hafen von Hamburg. Hier gab es ausgedehnte Viertel, die von italienischen, irischen oder sonstigen Einwanderern in Beschlag genommen wurden. Eigentlich waren es eher Ghettos, denn die Bewohner hatten kaum eine Chance, sich jemals aus diesen Elendsvierteln zu lösen. Friederike blieb daher in der Mietkutsche sitzen, die ein kleines Stück erhöht stand und so eine gewisse Aussicht über den Hafen bot. Bei dem Gedränge um sich herum war sie über den Schutz froh, den das geschlossene Gefährt darstellte. Allerdings traute sie dem älteren Kutscher nicht unbedingt zu, ihre Tugend verteidigen zu können.
Friederike seufzte leise. Bislang hatte sie ihre Tugend bewahrt. Unwillkürlich dachte sie an ihre Mutter und musste lächeln. „Kind“, hatte Karolina besorgt gesagt, „es wird wirklich höchste Zeit, dass wir eine angemessene Partie für dich finden. Du bist in der Blüte deiner Jahre und du solltest ernsthaft darüber nachdenken, einem deiner Verehrer nachzugeben.“
Friederike war immer wieder erstaunt, wie sich die Auffassung ihrer Mutter in den vergangenen Jahren gewandelt hatte. Als gäbe es nun keine größere Sorge für Karolina Ganzweiler, ihre behütete Tochter endlich unter die Haube zu bekommen. An Verehrern fehlte es nicht.