Für Freiheit, Lincoln und Lee. Michael Schenk

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Название Für Freiheit, Lincoln und Lee
Автор произведения Michael Schenk
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738064353



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wussten, so galt es für sie doch noch immer, ein gewisses Maß an Schicklichkeit zu bewahren.

      Als die hübsche blonde Frau wenig später aus der Scheune trat, waren die Brüder bereits vom Hof geritten. Eine knappe Stunde später erreichten die Drei ihr Ziel. Sie führten die Pferde ein Stück nach hinten und legten sich dann, oben am Hang über der Straße, ins Gras.

      „Guter Boden.“ Friedrich zerrieb etwas Erde zwischen den Fingern.

      „Hm?“ Karl sah irritiert zu seinem älteren Bruder. „Was ist?“

      Friedrich ließ den Rest zu Boden fallen und seufzte leise. „Guter Boden hier. Gerste, Roggen. Lässt sich mehr rausholen als auf unserem Hof.“

      Karl schob seinen Zweispitz kopfschüttelnd in den Nacken. „Woran du schon wieder denkst. Wir haben weiß Gott andere Sorgen.“

      „Vater bräuchte uns jetzt auf dem Hof“, sinnierte Hans. „Wir haben schon die Aussaat verpasst und jetzt kommt bald die Erntezeit.“

      „Ja, ja“, knurrte Karl missmutig. „Wir haben schon die vorherige Aussaat verpasst. Und die davor auch. Es wird schon gehen.“

      „Gütiger Himmel, zwei Jahre sind es schon.“ Hans, ihr jüngster Bruder, gerade fünfzehn Jahre alt, sah kurz zu ihnen herüber, bevor er den Blick wieder auf die Straße richtete. „Friedrich hat es gut, der hat wenigstens ein Mädchen gefunden. Vater wird Augen machen, wenn er sie mit nach Hause bringt.“

      Die Bemerkung berührte Friedrich unangenehm. Nachdem er Friederike in der Frankfurter Paulskirche begegnet war, da hatte er wenig später den väterlichen Hof besucht und seinem Vater von ihr berichtet.

      „Schuster, bleib bei deinem Leisten“, hatte der erwidert. „Ein bürgerliches Eheweib passt nicht auf unseren Hof.“

      Damit war für seinen Vater der Fall erledigt gewesen und Friederikes Eltern mochten wohl ebenso reagiert haben. Friedrich dachte an die Nähe ihres Körpers und blickte hinaus auf die Straße. Jene Straße, die vom Taunus ins Hinterland führte. Nach Weilburg hinauf oder nach Marburg hinüber. Die Straße war inzwischen an einigen Stellen gepflastert, denn sie wurde viel befahren. Schon die Römer hatten sie angeblich benutzt, aber Friedrich, der ja immerhin lesen und schreiben konnte, hatte das von sich gewesen. Er beharrte darauf, dass die Römer die Straße dann auch vollständig gepflastert hätten. Hans wusste das nicht zu beurteilen. Er wusste nur, dass die Straße hier zwischen saftigen Hügeln entlang führte, die an ausgedehnte Wälder grenzten. Und dass sie sich hier ein langes Stück zwischen den Hügeln entlang wand, gut einsichtbar von der Stelle, an der die drei Brüder Baumgart lagen. Und er wusste auch, dass sie von hier kommen würden. Die königlichen Bundestruppen. Die Feinde.

      Friedrich schnäuzte sich und wischte die Nase am Ärmel seiner Jacke ab. Man sah seinem Ärmel an, dass er dies oft tat und auch jene Leute, die man zu den Soldaten nahm, taten das gewöhnlich. Daher hatten die Soldaten auch so viele Knöpfe an den Ärmeln, damit es ordentlich wehtat, wenn man sich dort schnäuzte. „Seit zwei Jahren geht das nun schon und nichts ist gewonnen. Wir hätten uns dem Lenz anschließen sollen.“

      Vor rund zwei Jahren hatte es begonnen. 1848. Im Badischen, wo eine Volksversammlung, im Gasthaus „Salmen“ in Offenburg, demokratische Forderungen an die Badische Regierung formuliert hatte. Nichts unverschämtes, ganz gewiss nicht. Ein wenig mehr persönliche Freiheit. Und die Presse sollte nicht nur die Meinung von Adel und Klerus widerspiegeln. Sie sollte dem Volke halt aufs Maul schauen dürfen. Auch die Forderungen nach Gewissens- und Lehrfreiheit, gerechte Besteuerung und Abbau der Adelsprivilegien waren doch nicht zu viel gewesen. Das Leben war noch immer hart, auch wenn der große Krieg gegen den Bonaparte schon lange vorüber war. Es stand dem Volke doch zu, dass es ihm ein wenig besser erginge. Damals, als die Revolution von Frankreich herüber gekommen war, da hatten die meisten Leute doch den Herzögen, Fürsten und Königen getreulich zur Seite gestanden. Weil es sich doch einfach nicht gehörte, einem König einfach den Kopf herunter zu schlagen, wie die Jakobiner das getan hatten.

      Die Brüder Baumgart kannten das Meiste nur vom Hörensagen. Aber sie kannten die Schriften, welche die Demokratie einforderten. Nur ein wenig Demokratie. Doch der Adel sprach von Hetzschriften. Dabei hatten doch viele mitgemacht. Von einem deutschen Parlament hatte man gar gesprochen. Vielleicht waren die Herrschenden auch verschreckt worden, als dann im Februar 1848 die zweite Revolution in Paris ausgebrochen war. Jetzt war Frankreich eine Republik und schon der Name besaß einen magischen Klang. Den von Freiheit und demokratischen Bürgerrechten. Obschon die Franzosen auch einen neuen Bonaparte hatten. War schon ein merkwürdiges Ding, eine Republik des Volkes mit einem Monarchen an der Spitze.

      „Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle Klassen der Gesellschaft, ohne Unterschied der Geburt und des Standes“. So hatte es in der Petition der Bürgerversammlung in Mannheim geheißen. Ein Vorparlament aus Mitgliedern der deutschen Ständeversammlung trat in Frankfurt am Main zusammen. Es bereitete die Wahl einer verfassunggebenden Nationalversammlung vor.

      Karl nahm seinen Zweispitz ab, wischte sich Schweiß von der Stirn. Geistesabwesend betrachtete er die verblichene Kokarde an seinem Hut. Die Kopfbedeckung war französisch und stammte noch aus der Zeit des großen Krieges, in dem die Allianz gegen den Kaiser gekämpft hatte. Den Kaiser. Aber es war keine französische Kokarde. Es war das verblasste schwarz-rot-gold der Freiheit.

      Friedrich sah auf den Hut, den sein Bruder Karl so liebte. Freiheit. Wie gut hatte das damals noch geklungen. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Die Vereinigung der Stände. Als sie davon gehört hatten, da hatte es sie nicht mehr auf dem Hof gehalten. Sie waren nach Frankfurt gegangen, hatten die Hoffnungen der Nationalversammlung erlebt. Hatten vor der Paulskirche gestanden und versucht zu verstehen, was sie Deputierten dort von sich gaben. Friedrich konnte sich noch gut erinnern, wie geschockt sie gewesen waren, als sie erkennen mussten, welche Uneinigkeit die Abgeordneten beherrschte.

      Dabei hatte es um die gemeinsame Sache doch gar nicht gut gestanden.

      Friedrich Hecker und Gustav Struve riefen von Konstanz aus zum bewaffneten Widerstand gegen die Herrschenden auf.

      Der Hecker führte sogar einen Zug Freischärler, von Konstanz über Donaueschingen, ins Rheintal. Er marschierte auf Karlsruhe, aber bei Kandern stellte sich ihm das Militär entgegen. Heckers Männer wurden heftig zerschlagen.

      Der Struve verkündete in Lörrach die „Deutsche Republik“ und organisierte einen anderen Feischärlerzug, der in Staufen von badischem Militär mit Blut beendet wurde.

      Da war es im badischen vorbei gewesen mit der Revolution.

      Friedrich blickte die Straße entlang. Dorthin, wo sie zwischen den Hügeln verschwand, und kniff die Augen zusammen. „Da kommt was.“

      Karl setzte den Zweispitz auf und rückte ihn gerade. „Meinst du, sie sind es?“

      Friedrich blickte zu Hans. „Schau, wer das sein mag. Du hast die besseren Augen.“

      Ihr Hauptmann, der Gottfried Wenzel, der hatte sogar ein richtiges Fernglas. Doch Hauptmann und Fernglas waren in Wiesbaden und warteten, was die Brüder wohl melden würden.

      Hans zuckte die Achseln. „Die Postkutsche.“

      Karl wirkte enttäuscht. „Bist du sicher?“

      Der Jüngste sah ihn beleidigt an. „Was glaubst du wohl? Ich kann den Postillon erkennen und die gelbe Farbe.“

      „Deine Augen möchte ich haben“, seufzte Karl. „Gott, ich wünschte mir sie kämen endlich.“

      Friedrich griff hinter sich in seinen Schnappsack. Der ehemals weiße Leinenbeutel hatte inzwischen eine undefinierbare Form und Farbe angenommen. Zu viele Nahrungsmittel, verschiedenster Art und unterschiedlichster Verdaulichkeit, waren darin schon aufbewahrt worden. Er fand das Stück französischer Knoblauchwurst, welches Friederike ihm zugesteckt hatte und zog sie heraus.

      „Die brauchen uns nicht zu sehen, die werden uns schon riechen können“, knurrte Karl, als der scharfe Geruch wahrnehmbar wurde. „Gib wenigstens ein Stück ab.“

      Es