Weihnachtszauber in letzter Minute. Nicole Beisel

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Название Weihnachtszauber in letzter Minute
Автор произведения Nicole Beisel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738044843



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was dich betraf, obwohl du schon als Kind wunderhübsch warst. Ich bin sicher, dass du noch immer so aussiehst, vielleicht bist du aber sogar noch hübscher geworden. Er wäre so stolz auf dich gewesen.“

      Ich muss schwer schlucken. Was genau meint sie damit? War er überhaupt je stolz auf mich? Und kann man nicht auch stolz auf jemanden sein, selbst wenn man die betreffende Person nicht sehen kann? Ängstlich lese ich weiter.

      „Ich jedenfalls erlaube mir, stolz auf dich zu sein, denn ich weiß nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt. Ich bin nun 83 Jahre alt, und vor kurzem wurde bei mir eine beginnende Demenz diagnostiziert. Die Anzeige von deiner Hochzeit, die ich zufällig in der Zeitung entdeckt habe, kam daher genau zum richtigen Zeitpunkt. Ein Wink des Schicksals, wie ich es nenne, denn nur auf diese Weise wusste ich, wo du steckst und wie ich dich erreichen kann. Ich habe lange mit mir gehadert und mich gefragt, ob ich wirklich wieder Kontakt zu dir aufnehmen soll. Ich muss eine völlig Fremde für dich sein, aber glaub mir, bald werden auch mir sämtliche Menschen einfach nur fremd sein. Dann, wenn die Demenz mir all meine Erinnerungen genommen hat.“

      Eine Träne rollt mir über die Wange, aber ich wische sie nicht weg. Ich kann sie so gut verstehen, ich scheine ihr in dieser Sache sehr ähnlich zu sein, mit nur einem Unterschied: Sie weiß, dass sie sich bald nicht mehr erinnern können wird, und beinahe bin ich dankbar dafür, dass mir meine Erinnerung binnen weniger Sekunden genommen wurde. Mit Mühe lese ich die letzten Sätze.

      „Endlich wollte ich den Mut aufbringen, mich dir anzunähern. Etwas, das ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen: mutig sein. Nun bin ich es, getrieben von meiner bedrohlichen und immer näher rückenden Demenz. Dieser Brief ist ein letzter Versuch meinerseits, Kontakt zu dir aufzunehmen. Es gibt so vieles, das ich dir gerne erklären würde, aber ich weiß überhaupt nicht, ob du das alles überhaupt hören möchtest. Somit überlasse ich es dir, ob du ebenfalls ein wenig Mut aufbringst und mir antwortest, ehe es zu spät ist. Ich bin in Gedanken bei dir, und das werde ich immer sein, solange ich kann.

       In Liebe,

       Evelyn.“

      Weitere Tränen benetzen mein Gesicht. Timothy legt tröstend seine Hand auf meinen Rücken, aber ich nehme diese Geste nur unterbewusst wahr. Der Brief ist eine große Überraschung, aber im Moment weiß ich nicht, ob positiv oder negativ. Er wirft unendlich viele Fragen auf. Fragen, die ich mir vor vielen Jahren bereits gestellt habe, aber auch neue Fragen, die mich von neuem nach Antworten suchen lassen. Kann ich diese Antworten finden?

      „Timothy, was soll ich tun? Was soll ich nur tun?“ Noch bevor ich in Hoffnungslosigkeit versinken kann, weiß ich, dass Timothy mir die richtige Antwort liefern wird.

      Evelyn

      Das Ende des Wartens

      Täglich warte ich auf eine mögliche Rückmeldung meiner Enkelin. Es hat mich unheimlich viel Mut gekostet, mich überhaupt bei ihr zu melden. Eine Zeitungsannonce, in der zu ihrer Hochzeit mit einem angesehenen Anwalt gratuliert wurde, hat mir den letzten Ruck versetzt und meinen guten Willen geweckt, denn so hatte ich nun endlich eine Kontaktadresse, an die ich mich wenden konnte. Annie, meine Nachbarin, die regelmäßig nach mir schaut und mir mit Kleinigkeiten behilflich ist, hat mich ebenfalls sanft dazu gedrängt, diesen Schritt zu wagen und den Kontakt zu Elizabeth zu suchen. Sie trägt mir täglich die Post herein und bringt mir frisches Brot, obwohl sie mit ihren Kindern selbst genug um die Ohren hat. Ich habe jahrelang mit dem Gedanken gespielt, Elizabeth aufzusuchen, aber irgendetwas hat mich immer wieder davon abgehalten. Vielleicht war es Angst, vielleicht aber auch mein schlechtes Gewissen ihr gegenüber. Und mit jedem neuen Tag schwand meine Hoffnung, sie zu finden mehr und mehr. Bis Annie mich kürzlich auf die Annonce in der Zeitung aufmerksam machte.

      „Schau mal. Dieser bekannte Anwalt hat geheiratet. Seine Frau ist wirklich hübsch.“ Ich weiß noch, wie ich meine Brille aufsetzte, um mir das Bild betrachten zu können. Ohne auf den Namen der Frau zu achten wusste ich sofort, dass sie es war. Ihre Augen sind noch immer dieselben, auch wenn ihr Haar etwas heller und ihre Gesichtszüge deutlich reifer geworden sind. Kein Wunder, immerhin ist sie mittlerweile eine Frau und nicht mehr das kleine Mädchen aus meiner Erinnerung.

      „Das ist meine Enkelin Elizabeth“, sagte ich freudestrahlend zu Annie. Staunend sah sie mir in die Augen. „Das ist deine Enkelin? Wow! Wusstest du denn nichts von der Hochzeit?“

      Und so begann ich, mich meiner Nachbarin anzuvertrauen und ihr von allen guten und schlechten Erinnerungen zu erzählen.

      „Dann musst du ihr schreiben. Na los!“ Annie war Feuer und Flamme, aber ich wiegelte ab.

      „Ach, ich weiß nicht. Sie wird sich vielleicht gar nicht an mich erinnern, und selbst wenn, hat sie vielleicht keine sonderlich guten Erinnerungen an mich.“ Aber Annie ließ nicht locker, sodass ich fast acht Wochen nach der Entdeckung der Anzeige endlich einen Brief verfasst habe in der Hoffnung, dass Liz sich daraufhin melden würde. So warte ich also auf ein Zeichen, und wieder spüre ich meine Hoffnung schwinden. Umso größer ist nun jedoch der Schmerz über jeden verlorenen Tag ohne Nachricht von ihr, denn diesmal weiß ich, ich habe es versucht – und habe doch nichts erreicht.

      Doch dann, an einem Samstag, erreicht mich endlich ein Brief. Er ist tatsächlich von Liz, ihre private Adresse steht auf der Rückseite des Umschlags. Ich bin zu nervös, um ihn selbst zu lesen, weshalb ich Annie bitte, ihn mir vorzulesen.

      „Liebe Grandma,

       vielen herzlichen Dank für deine Glückwünsche. Timothy und ich haben uns sehr darüber gefreut.

       Dein Brief war eine große Überraschung für mich. Ich muss gestehen, dass ich kaum noch eine Erinnerung an dich habe, weshalb es sich für mich gerade so anfühlt, als würde ich einer fremden Person schreiben. Und doch habe ich es gewagt. Wer auch immer du bist, du hast es nicht verdient, vergeblich auf eine Antwort zu warten.

       Es tut mir leid, von deiner Krankheit zu erfahren. Wie geht es dir denn damit? Weißt du, auch ich weiß, was es bedeutet, keine Erinnerung mehr zu haben. Vor einigen Jahren wurde ich Opfer eines Gewaltverbrechens, woraufhin ich mit einer Amnesie im Krankenhaus erwachte. Es hat lange gedauert, bis mein Gedächtnis wieder vollkommen hergestellt war. Es war ein langer und schwerer Kampf. Umso dankbarer bin ich dafür, dass meine Erinnerungen nun wieder vollständig sind. Zu viele schöne Momente habe ich erlebt, als dass ich bereit wäre, für immer auf die Erinnerungen an sie zu verzichten.

       Dein Brief wirft viele Fragen in mir auf. Sie hier zu stellen würde dich womöglich überfordern, und das möchte ich keinesfalls. Vielleicht ergibt sich mal eine Gelegenheit, um die Fragen zu klären und einander etwas besser kennenzulernen. Deshalb würde ich mich über einen erneuten Brief oder auch einen Anruf von dir freuen, sofern es dich nicht überanstrengt.

       Ich bin glücklich darüber, deinen Brief erhalten zu haben. Auch wenn du mir im Moment noch wie eine Fremde erscheinst, so ist es vielleicht eine große Chance, die wir ergreifen müssen.

       Ich danke dir für deinen Mut und freue mich, von dir zu hören.

       Alles Liebe,

       Elizabeth“

      Ich seufze tief, als Annie den Brief sinken lässt und mich ansieht als wollte sie mir sagen, sie hätte es doch gewusst. Sie hatte tatsächlich recht. Es war richtig, Liz zu kontaktieren. Wie sie bereits schrieb, ist es eine Chance, die wir beide ergreifen sollten.

      Und genau das werde ich tun, ehe es zu spät ist.

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