Weihnachtszauber in letzter Minute. Nicole Beisel

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Название Weihnachtszauber in letzter Minute
Автор произведения Nicole Beisel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738044843



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sodass mich nach den Flitterwochen doch noch einige Nachrichten erwarteten. Auch sonst könnte ich mir nicht vorstellen, wer erst jetzt von unserer Hochzeit erfahren haben sollte.

      Nun gut, die ganze Grübelei bringt ja doch nichts. Ich mache pünktlich Feierabend und freue mich auf das angekündigte Essen, das Liz zubereiten wollte. Sie kocht noch immer regelmäßig, sofern es die Zeit nach Feierabend erlaubt, auch wenn wir uns noch hin und wieder Fast-Food genehmigen, was jedoch tatsächlich nur noch selten vorkommt. Leicht nervös betrete ich die Küche und drücke ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund. Das Essen ist bereits fertig und muss nur noch serviert werden, was daran liegt, dass Liz montags eine halbe Stunde früher Feierabend machen kann als ich, sofern ich nicht in irgendeiner Gerichtsverhandlung feststecke.

      „Hallo, Schatz! Setz dich. Wie war dein Tag?“ Ich folge ihrer Anweisung und genieße die Wärme in der Küche. Der Wind ist noch immer eisig und verleitet mich immer öfter zu einer heißen Tasse Tee, die ich mir nach dem Essen genehmigen werde.

      „Ganz gut. Ich muss dir nachher etwas zeigen. Wie wäre es mit einem Tee nach dem Essen?“ Liz stimmt zu und möchte natürlich sofort wissen, was ich ihr verheimliche, aber ich bleibe stur.

      „Ich will mir das in Ruhe mit dir anschauen. Lass uns erst zu Ende essen. Wie war es bei der Bank?“ Liz verdreht die Augen.

      „Es war die Hölle. Du glaubst nicht, was heute los war. Ich weiß nicht, was plötzlich in die Leute gefahren ist, aber ich hatte selten so viele Kontoeröffnungen wie heute. Außerdem haben viele Kunden eine größere Menge Geld abgehoben, wie immer zum Monatsende. Ich schätze, die Winterurlaube werden gerade geplant.“ Dabei fällt mir etwas ein.

      „Oh, Jeff und Rachel werden Weihnachten wohl in Schottland verbringen. Hat sie dir schon davon erzählt?“ Liz schüttelt den Kopf, während sie ihren Teller leert.

      „Nein, aber ich habe sie auch seit ein paar Tagen nicht mehr gesprochen. Sie scheint sehr beschäftigt zu sein“, erwidert sie mit einem schelmischen Lächeln, ehe sie aufsteht und das schmutzige Geschirr wegräumt. Ich erhebe mich ebenfalls und stelle eine Kanne Tee auf. Elizabeth nimmt mich fest in den Arm.

      „Na, was willst du mir denn zeigen?“ Ich nehme den Tee und den Zucker, Liz die Tassen und die Milch. Gemeinsam setzen wir uns aufs Sofa, wo mein Aktenkoffer bereits auf mich wartet. Ich nehme den Brief heraus und stelle den Koffer auf den Boden.

      „Was ist das?“ Wir nippen an unserem Tee, dann setze ich zur Erklärung an.

      „Das kam heute mit der Post, direkt in meine Kanzlei. Ein Brief aus Kilkenny. Ich hatte gehofft, du wüsstest, was oder wer dahintersteckt.“ Fragend schaue ich sie an. Liz betrachtet sich den Umschlag näher und ist sichtlich verwundert über die zerbrechlich wirkende Handschrift.

      „Aus Kilkenny? Aber da kenne ich doch kaum noch jemanden.“

      „Schau mal auf die Rückseite. Sagt dir der Name irgendwas?“ Liz tut wie ihr geheißen und erstarrt. Wie in Trance liest sie den Namen des Absenders laut vor.

      „Evelyn Wright.“ Ungläubig schüttelt sie den Kopf, und sofort ahne ich Schlimmes.

      „Kennst du sie?“ Liz schluckt. Sie überlegt, kramt in ihren tiefsten Gedanken und Erinnerungen, wie sie es schon so oft getan hat in den letzten Jahren. Ich sehe es an ihrem Blick. Auch diesmal scheint sie zumindest einen kleinen Erfolg zu haben.

      „Ich schätze, schon. Lass ihn uns aufmachen.“ Damit meint sie eigentlich mich, denn ihre eigenen Hände zittern zu sehr, als dass sie diesen Brief öffnen könnten, ohne ihn dabei zu zerstören.

      Elizabeth

      Mut zum ersten Schritt

      Selbstverständlich kenne ich diesen Namen. Er weckt diverse Gefühle in mir. Wut, Hass, Sehnsucht, Liebe. Vor allem aber Enttäuschung.

      Der Name war einst mein eigener. Unter diesem Namen kam ich auf die Welt, bis sich die Dinge änderten, als ich fünf Jahre alt war. Mein Dad ging, und meine Mum meinte, er solle den Namen doch gleich mitnehmen, ich würde sehr bald „Austen“ heißen. So wie der Mann, der ebenfalls bereit war, meine Mum zu heiraten und mich als sein Kind anzunehmen. Dieser Mann hat neben seinem Namen auch seine beiden Töchter mitgebracht, jene, die viele Jahre später einen Anschlag auf mich ausübten, der für meine Amnesie verantwortlich war.

      Evelyn Wright muss also eine Verwandte meines Vaters sein, und ich bin mir nicht sicher, aber ich schätze, sie ist meine Großmutter, Dad’s Mum. Jahrelang habe ich darauf gewartet, dass er zurückkommt. Wenn er schon nicht bleiben wollte, dann wenigstens, um mich mitzunehmen und mich aus den groben und unliebsamen Armen meiner Mutter zu befreien.

      Aber nichts geschah. Oder ich bekam es nur nicht mit. Meine Mutter wusste schon immer, mich im Hintergrund zu halten, weshalb ich nie wirklich am Leben meiner neuen Familie teilhaben konnte. Seit dem Weggang meines Vaters nahm ich an, dass er mich nicht mehr wollte, und dass meine Mutter nicht viel mit mir anfangen konnte, war mir ohnehin klar. Also ging ich stets irgendwie meinen eigenen Weg.

      Und nun kommt ein einfacher Brief, der mich völlig aus der Bahn wirft. Ich kann mich nicht an eine Großmutter erinnern, aber scheinbar muss ich eine gehabt haben. Vielleicht reichen meine Erinnerungen auch einfach nicht weit genug zurück, was die positiven Dinge meines Lebens betrifft, sofern man meine Großmutter als positiv bezeichnen kann, aber das werden mir die nachfolgenden Zeilen sicher zeigen.

      Timothy öffnet den Umschlag für mich. Er scheint bemerkt zu haben, dass ich aktuell Schwierigkeiten damit haben würde. Er zieht den Inhalt heraus, und zum Vorschein kommen eine Glückwunschkarte zur Hochzeit sowie ein handgeschriebener Brief, der dieselbe Schrift aufweist wie der Umschlag. Timothy liest den Inhalt der Karte laut vor.

      „Liebe Elizabeth, lieber Timothy,

       ich wünsche euch von Herzen alles Liebe und Gute

       für eure gemeinsame Zukunft.

       Möge das Glück euch stets auf die Sonnenseite

       des Lebens führen.

       Herzliche Grüße,

       Grandma Evelyn.“

      Ich atme tief durch und starre auf die Teetasse auf dem Tisch. Grandma Evelyn. Meine Grandma. Die einzige Verwandte, die mir zur Hochzeit gratuliert hat, obwohl ich noch nicht einmal behaupten kann, sie zu kennen. Tim streicht mir behutsam über den Rücken und schweigt. Ungefragt liefere ich eine kurze Erklärung ab.

      „Sie ist die Mutter meines Vaters. Er hat uns früh verlassen, ich habe seit meiner Kindheit nichts mehr von ihm gehört. An eine Großmutter kann ich mich auch nicht erinnern.“ Es gab vieles, an das ich mich lange nicht mehr erinnern konnte aufgrund meiner Amnesie. Aber zu wissen, dass es da etwas gibt, an das man sich trotz vollständiger Genesung nicht mehr erinnern kann, ist wie ein tiefer Schlag in die Magengrube.

      „Möchtest du den Brief alleine lesen? Ich nehme an, er ist nur für dich bestimmt.“ Ratlos sitze ich da und weiß, dass ich mich entscheiden muss. Ich nehme den Brief vorsichtig in die Hand, als könnte er zerbrechen wie meine Kindheitsträume von einer heilen Familie und falte ihn auseinander. Timothy macht Anstalten, aufzustehen, aber ich halte ihn sachte zurück.

      „Bitte bleib.“ Er lässt sich wieder tiefer in die Polster sinken und beobachtet mich dabei, wie ich den Brief im Stillen lese.

      „Meine liebste Elizabeth,

       es ist lange her. Viel zu lange, um ehrlich zu sein, und ich weiß, dass ich wohl niemandem die Schuld geben kann außer mir selbst. Ich habe nur noch wenige Erinnerungen an dich als kleines Mädchen, das oft traurig in der Ecke saß und ihre Puppen zu einem Tee einlud. Ich muss zugeben, ich hatte damals nicht den Mut, mich gegen deine Mutter zu stellen und mich deiner anzunehmen. Deine Mum war immer sehr egozentrisch, ich bin nie mit ihr klargekommen. Heute wünsche ich mir, ich hätte mehr Stärke gezeigt