Название | Die Tote unter dem Schlehendorn |
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Автор произведения | Dieter Landgraf |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738048759 |
„Das stimmt … als wir das letzte Mal telefonierten, sprach sie von einem tollen Job, den sie in Aussicht habe … den Namen des Ortes habe ich mir leider nicht gemerkt.“
„Ich glaube nicht, dass sie als studierte Betriebswirtin in Akazienaue so etwas finden könnte.“
„Sicher nicht … aber es war auf alle Fälle ein mir unbekannter Städtename.“
„Wenn es dich beruhigt … ich rufe gleich einmal Frank Ringhof an.“
Er greift zum Telefonhörer und nach den üblichen Befindlichkeitsfragen sagt er: „Als ich dich mit Anke das erste Mal besuchte, hast du den Namen einer Frau Nicolai erwähnt … ist ihr Vorname eventuell Cornelia?“
„Muss ich nachschauen“, und öffnet auf seinem Laptop die Kundenkartei, „ja, das ist ihr Vorname … möchtest du noch mehr wissen … denke aber dabei an meine ärztliche Schweigepflicht … daran bin ich auch dir gegenüber gebunden.“
„Warte einmal einen ganz kleinen Moment“, antwortet Andreas und teilt Anke die Neuigkeit mit.
„Frage ihn doch bitte nach dem Geburtstag … den habe ich noch im Kopf.“
Welch ein Zufall - es ist ihre beste Freundin aus der Schul- und Studienzeit.
„Gib mir doch einmal die Telefonnummer … mit Vorwahl“, bittet Andreas seinen Freund, notiert sich die Zahlen und reicht den Zettel zu Anke hinüber.
„Das ist doch unsere neue Vorwahl … hier in Akazienaue“, sagt Anke ganz erstaunt.
Voll innerer Spannung nimmt sie das Telefon und tippt die Zahlen ein.
„Anke Falk … spreche ich mit Cornelia Nicolai?“
Schon an der Stimme erkennt diese ihre alte Schul- und Studienfreundin und sagt:
„Mensch … ich bin ja ganz aus dem Häuschen … Anke … bist du es wirklich“, und mit Blick auf das Display spricht sie weiter, „du rufst von hier aus an … nun sage einmal, wo bist du denn … und was machst du denn in Akazienaue?“
Anke macht eine kleine Kunstpause, um die Überraschung richtig spannend zu machen. Dann erwidert sie: „Ich glaube … wir sind Nachbarn … seit acht Tagen.“
„Ist ja kaum zu glauben … das ist das Beste, was ich in den letzten Jahren zu Ohren bekommen habe.“
„Wann können wir uns denn sehen … ich kann es kaum erwarten.“
„Am Wochenende feiern wir Einzug … wäre großartig, wenn du kommen könntest.“
„Na klar … da bin ich dabei … wir haben uns sicher viel zu erzählen.“
Für die Einzugsfeier hat sich Andreas extra eine Design Feuerschale mit Edelstahlrahmen von Armin Wenzel, dem Inhaber des Hotels „Haus am Akaziensee“, ausgeliehen. Diese verbreitet an diesem recht kühlen Dezembertag eine behagliche Wärme auf der Terrasse ihres Hauses. Auf Anraten von Frank Ringhof sind auch die unmittelbaren Nachbarn eingeladen. Macht immer einen guten Eindruck, wenn du als promovierter Mediziner nicht abgehoben erscheinst - sind dazu seine Bemerkungen. Auch Andreas und Anke finden die Idee nicht schlecht. So haben sie ungezwungen eine Gelegenheit, die Nachbarschaft kennenzulernen. Der Abend verläuft mit angenehmen Gesprächen ausgenommen heiter und fröhlich. Das ist natürlich auch auf das spezielle Partygetränk „„Schlehenzauber““ zurückzuführen, welches Cornelia Nicolai zur Feier beigesteuert hat. Beide langjährigen Freundinnen sind glücklich über diese wundersame Fügung des Schicksals. Wie zu früheren Zeiten sehen sie sich wieder sehr oft. Seit dem letzten Zusammentreffen haben sie eine Menge erlebt - und wem vertraut man sich mehr an, als seiner besten Freundin. Vor allem Anke ist darüber überglücklich. Somit ist sie nun nicht mehr so ganz allein in der für sie noch fremden Umgebung. Auch Andreas ist in seiner neuen Position sprichwörtlich richtig aufgeblüht. Voller Stolz zeigt er Anke seine neue Wirkungsstätte und führt sie durch das Klinikum. Auf der großen Wegweisertafel am Eingang steht in großen Buchstaben: Dr. Andreas Falk - Stationsarzt Kardiologie.
Anke Falk schaut versonnen aus dem Fenster hinaus auf den naheliegenden See. War es das, was sie wollte oder hat sie wieder einmal nur den Wünschen ihres Ehemanns entsprochen? Schließlich ging es ja immer nach ihn - aber das sind keine tiefgreifenden Überlegungen, dafür liebt sie Andreas zu sehr und er auch sie, davon ist sie zutiefst überzeugt. Auch den Schulweg für Yvonne und Tobias hatte sie sich viel schwieriger vorgestellt. Beide fahren morgens mit den anderen Kindern gemeinsam im Schulbus in die Stadt und sind am späten Nachmittag wieder wohlbehalten zu Hause. Beide haben den Schul- und Ortswechsel recht gut verkraftet. In den ersten Tagen, nachdem sie erfahren hatten, dass eine Veränderung bevorsteht, sind schon ein paar Tränchen geflossen. Doch nach kurzer Zeit sind neue Freundinnen und Freunde gefunden - bei Kindern geht das eben schnell. Mit dem schönen Häuschen am Ortsrand hin zum See hatten sie eine Menge Glück. Das stand seit einem halben Jahr zum Verkauf und sie waren die ersten Interessenten. Die Bank gewährte ihnen einen günstigen Kredit und die monatlichen Raten sind erträglich. Schließlich hat Andreas mit der Position eines Stationsarztes auch erheblich höhere monatliche Bezüge als bisher. Und das Mehr an Freizeit darf bei solchen Überlegungen auch nicht vergessen werden.
Das Haus entspricht ganz ihren Vorstellungen. Mit ihrer Einrichtungs- und Gestaltungskunst ist ein wirklich tolles Heim entstanden. Voller Glück denkt sie gerne an die zärtlichen Stunden vorm Einschlafen - die es bedeutend häufiger gibt, als vormals in der Großstadt. Nur mit einer Arbeitsstelle entsprechend ihrem Universitätsabschluss sieht es für sie nicht so günstig aus. Gerne hätte sie im Rechtswesen gearbeitet. Dafür gibt es zurzeit leider keine Möglichkeit. Eine Zwischenlösung hat sie trotzdem gefunden. Im Autohaus in Ballenhainischen führt sie die Buchhaltung. Die Teilzeitbeschäftigung kommt ihr entgegen. Damit hat sie genügend Zeit für ihre Kinder und die Gestaltung des Gartens. Richtig glücklich ist sie, wenn sie am Wochenende mit dem kleinen Kajütboot unterwegs sind. Es ist nicht das Allerneueste, aber dafür war es preislich erschwinglich. Sie liebt die Stunden auf dem Wasser - wenn die Wellen leise an die Bordwand plätschern und das Schaukeln des Bootes sie sanft in den Schlaf wiegt.
Herbst 1998
Sie fröstelt. Durch das offene Fenster weht eine frische Briese Seeluft in ihr Zimmer, welches sich in der zweiten Etage eines Vierfamilienhauses in Akazienaue befindet. Eigentlich ist die Wohnung mit drei Zimmern, einer großen Küche und einem Bad mit eingebauter Duschkabine zu groß für sie als alleinstehende Frau. Mit der Übernahme der Position als Assistentin der Geschäftsführung der Brennerei Schlehenfeuer La Distillerie hat sie sich für diese Wohnung entschieden. Ausschlaggebend dafür war vor allem der faszinierende Blick auf den Akaziensee und die sonnendurchflutete Lage fast aller Räume. Die Nächte im September sind doch schon recht kühl. Da hilft auch die dünne Bettdecke nicht, die sie sich bis unters Kinn hochzieht. Sollte einmal die dickere Steppdecke aus dem Bettkasten nehmen - überlegt sie. Doch das ist im Moment nicht wichtig. Cornelia Nicolai hat heute eine entscheidende Besprechung auf ihrem Terminplan stehen. Es gilt den Beweis anzutreten, dass sie zu Recht für die Führungsposition unter den zahlreichen Bewerbern ausgewählt wurde. Der jetzige Direktor der Brennerei wird in wenigen Monaten in den verdienten Ruhestand verabschiedet. Dann wird sie dessen Position einnehmen. Immerhin hat sie sich als einzige Frau gegen fünf männliche Konkurrenten durchgesetzt. Diese Entscheidung will sie heute bestätigen.
Ihre Gedanken wandern zurück in die Zeit, als sie die neue Arbeitsstelle angetreten hat. Die erste Durchsicht der Bücher führte zu keinem guten Ergebnis. Die Sorte Schlehenlikör verzeichnete einen sinkenden Absatz - und dieser Likör war die sogenannte Hausmarke der Brennerei. Das wollte sie unbedingt ändern. Die erste Umstellung betrafen die Importe der Schlehenfrüchte. Nach dem Auslaufen der alten Verträge bezieht die Brennerei heute die Früchte aus Nordafrika. Auf diesem Markt erzielt Cornelia Nicolai die günstigsten Einkaufspreise. Mit einer neuen Likörmarke soll der Umsatz wieder belebt werden. Die Aromabeigaben werden bis auf die Mengenzugaben in der herkömmlichen Weise beibehalten. Beim Alkohol als Grundsubstanz