Fisch oder stirb. Rudi Kost

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Название Fisch oder stirb
Автор произведения Rudi Kost
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748595441



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Also musste ich mir keine Sorgen machen, Madame war sicher erst beim Aufwärmen. Ich wartete noch eine Weile und machte dann kehrt. Die beiden Straßenkämpfer waren nicht mehr zu sehen. Ich ging zum Auto zurück.

      Kurz nach zehn Uhr verließ der Sportler das Haus wieder, mit einem dümmlichen Grinsen auf dem Gesicht und ziemlich erhitzt. Hatte der Trainer etwa selber mitgemacht? Meine Turnlehrer in der Schule standen immer nur daneben und motzten herum. Nun ja, hier war die Bezahlung garantiert besser.

      Oder hatte Madame etwa ein Verhältnis mit ihrem Trainer? Das wäre das Oberklischee. Etwas mehr Klasse traute ich ihr doch zu.

      Und jetzt? Musste Madame sich duschen und aufbrezeln, und das konnte dauern.

      Es dauerte noch länger. Detektiv spielen war blöd, entschied ich. Und wenn, sollte man es wenigstens zu einer freundlicheren Jahreszeit machen. Die Frühjahrskälte kroch mir langsam die langen Unterhosen hoch. Meine Thermoskanne Tee war fast leer, und ich musste dringend pinkeln, aber alle erreichbaren Bäume standen hinter Gartenzäunen.

      Es gibt nichts Langweiligeres, als in einem Auto zu hocken und auf etwas zu warten, wovon man nicht einmal weiß, was es sein wird. Wenn du nicht gerade damit beschäftigt bist, krampfhaft die Augen aufzuhalten, kommen unweigerlich die Gedanken.

      Was tat ich eigentlich hier?

      Ich war ein klein wenig sauer. Den Scheck hatte sie schon vorbereitet gehabt, einschließlich Unterschrift, sie hatte genau gewusst, dass sie mich rumkriegen würde. Und das ärgerte mich. Sie hatte an meine niederen Instinkte appelliert. Offenbar hatte ich welche.

      Eigentlich ärgerte ich mich vor allem über mich selbst. War ich so leicht zu durchschauen?

      Irgend etwas stimmte hier nicht. Diese Show mit dem sexy Blondchen war kalkuliert, dessen war ich mir sicher, aber etwas zu dick aufgetragen. Was womöglich auch beabsichtigt war. Hätte nur noch gefehlt, dass sie die »Basic Instinct«-Nummer abzog. Obwohl das seinen Reiz auch verloren hatte, seitdem sich jedes halbwegs prominente Dummchen beim Aussteigen aus dem Auto untern Rock fotografieren ließ.

      Es gab ungefähr dreiundsechzig Gründe, die dagegen sprachen, mich mit diesem Fall zu betrauen (sofern es überhaupt ein solcher war). Und nur einen Grund dafür: Weil ich ein gut aussehender, intelligente Mann im besten Alter war.

      Die Frau war nicht echt gewesen, sie hatte mir nur eine schöne Fassade gezeigt. Jetzt wollte ich wissen, was dahintersteckte. Ihr Visier hochklappen. Vielleicht hatte es auch nur mit meinen eigenen Erinnerungen zu tun.

      Was wollte Frau Eulert wirklich?

      Vorerst schwang um sechs Minuten nach elf Uhr, wie ich akribisch notierte, das Garagentor auf, und heraus kam ein knallroter, hochglanzpolierter Z3 mit Madame am Steuer.

      Natürlich stand ich in der falschen Richtung. Als sie an mir vorbeifuhr, rutschte ich in meinem Sitz nach unten, soweit das in diesem Hühnerkäfig überhaupt ging, und wendete dann schnell, damit ich den Anschluss halten konnte.

      Es ging hinab ins Neckartal. Jetzt kam der schwierigere Teil. Für mich war Esslingen unbekannte Ödnis, und wenn ich sie aus den Augen verlor, hatte ich keine Chance. Andererseits durfte ich nicht an ihrer Stoßstange kleben, um sie nicht auf mich aufmerksam zu machen. Lass dich zurückfallen, lautete die Regel aus dem Handbuch für Privatdetektive, bring zwei, drei Autos zwischen euch, notfalls kannst du sie überholen, um wieder näher heranzukommen.

      Das Handbuch musste aus der Frühzeit des Automobilverkehrs stammen oder auf einem breiten amerikanischen Highway ausgedacht worden sein, ganz bestimmt nicht bei dichtem innerstädtischen Verkehr auf einer Fahrspur.

      Ich hatte Glück. Die Fügungen des Straßenverkehrs brachten, bis ich einbiegen konnte, die geforderten zwei Autos zwischen uns, ich kam mit ihr über alle Ampeln, wenn auch einmal ganz knapp erst bei Dunkelgelb, und als sie in ein Parkhaus fuhr, fand auch ich ein Plätzchen, weit genug entfernt, dass sie nicht über mich stolperte, nah genug, damit ich ihr auf den Fersen bleiben konnte.

      Ein großer Platz mit ein paar Kirchen und schönen Gebäuden: In unseren Breiten kann es sich dabei nur um den Marktplatz handeln, den man dann gern als »historisch« bezeichnet. An altem Gemäuer war ich im Moment nicht im mindesten interessiert, nur an der Frau, die über den Platz stöckelte.

      Madame war heute, soweit das zu erkennen war, nicht als Femme fatale verkleidet, sondern ganz seriös als reiche Unternehmersgattin. Und offensichtlich unterwegs zu einem Shoppingbummel. Sie studierte intensiv die Auslage eines Dessousgeschäfts, streifte kurz durch eine kleine Boutique, während ich mich vor dem Schaufenster herumtrieb wie ein wartender Ehemann, probierte anderswo drei Paar Schuhe an, ohne sich für eins zu entscheiden. Und so weiter.

      Ich hatte schon längst die Orientierung verloren in dem Gewirr der Gassen. Webergasse, Heugasse, Strohstraße, Milchstraße, Franziskanergasse: Das klang alles ganz schnuckelig und sah auch so aus. Kein Vergleich mit meiner Heimatstadt Schwäbisch Hall, klar, aber als romantische Mittelalterstadt konnte es gerade noch so durchgehen.

      Zum Schauen blieb nicht viel Zeit. Es waren wenig Leute unterwegs, und ich hatte einige Mühe, nicht als ständiger Begleiter aufzufallen und gleichwohl den Anschluss nicht zu verlieren.

      Ich hätte ihr jetzt erst einmal zu einem Kaffee geraten, denn mein dringendes Bedürfnis wuchs sich allmählich zu einem Problem aus. Ich konnte den vielen Tee ja nicht durch die Rippen schwitzen. Stattdessen ging es zurück in eine Fußgängerzone, die so fade und austauschbar war wie in jeder anderen Stadt und einen leicht schäbigen Eindruck machte. Schließlich schleifte sie mich in ein Modekaufhaus und steuerte schnurstracks auf die Dessousabteilung zu.

      Super! Zwischen knappen Slips und verführerischen BHs kann sich ein Mann alleine bestens herumtreiben, ohne aufzufallen.

      Ich drückte mich herum und versuchte, Madame im Auge zu behalten, nahm mal hier ein Stück in die Hand und dort ein anderes, begutachtete es kritisch und hängte es wieder zurück, ganz der treusorgende Ehemann, der ein Geburtstagsgeschenk für seine Frau sucht. Oder für seine anspruchsvolle Geliebte.

      Prompt kam eine Frau auf mich zu, eine matronenhafte Mittfünfzigerin. »Kann ich Ihnen helfen?«

      »Ich warte auf meine Frau«, antwortete ich und versuchte ein dümmliches Grinsen, was mir in diesem Moment nicht weiter schwerfiel.

      Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich Madame mit einem Berg Unterwäsche Richtung Umkleidekabine bewegte. Das war meine Rettung. Aus der qualvollen Erfahrung langer Jahre mit diversen Begleiterinnen wusste ich, dass es seine Zeit dauern würde, bis das alles durchprobiert und von vorn und hinten begutachtet war.

      »Sagen Sie«, wandte ich mich an die Verkäuferin, »wo sind denn hier bitte die Toiletten?«

      Sie sah erst mich an und dann meine Hände. Ihre Miene professioneller Freundlichkeit erstarrte und zerbröselte. Meine Hände hielten die Ehemanntarnung, einen hauchzarten Slip, der im wesentlichen aus Löchern bestand mit etwas Spitze drum herum. Die Frau, die so etwas trug, konnte es eigentlich gleich sein lassen.

      Die Verkäuferin riss mir das Nichts aus den Fingern, das immerhin neunundsiebzig Euro kostete, und zischte: »Im ersten Stock.« Und fügte mit Nachdruck hinzu: »In der Herrenabteilung!« Und rauschte nicht empört, entsetzt, verängstigt oder was auch immer davon, sondern stand wie ein Fels in der Brandung, bis ich mich trollte.

      Au weia! Jetzt stand ich auf dem Index der Schlüpferfetischisten. In dieser Verkleidung konnte ich mich hier nicht mehr blicken lassen. Und wie sollte ich dann Madame im Auge behalten? Mehrere Zugänge führten zu den Dessous, und selbstverständlich hatte das Haus auch mehrere Ausgänge. Eh schon egal, konnte ich wenigstens aufs Klo gehen. Erster Stock, für Herren.

      Ich hatte wiederum Glück. Ich sah sie von Weitem und konnte aufschließen, ohne nochmals unangenehm aufzufallen. Madame hatte eine große Tüte in der Hand, offenbar genug eingekauft und zog mit mir in gebührenden Abstand zurück zum Parkhaus.

      Ich fluchte. Im Handbuch für Detektive stand nichts davon, dass man immer Kleingeld dabei haben sollte, um die Parkhauskasse zu füttern. Der Automat war mit meinem Opfer verbündet und verweigerte