Wie das Leben so spielt.... Andrea Lieder-Hein

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Название Wie das Leben so spielt...
Автор произведения Andrea Lieder-Hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738005196



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Schiller. 67 Jahre, gesund. Noch. Ohne Medikamente. Neee, nee, bin pflichtversichert. Wird nur das Nötigste gemacht. Gerade richtig.

       Schalotte, Sie sehen prächtig aus. Kerngesund. Blutdruck 146:72, Puls 87. Das ist gut. Cholesterinwert etwas erhöht. 224mg/dl. Aber keine Sorge. Frau Schiller, machen Sie so weiter. Auch Ihr Gewicht, Schalotte, 76 kg bei 1,71m. Weiblich und gesund. Kein Diabetes in Sicht.

      Tja, DAS ist der Unterschied. Als Privater wäre ich längst tot. Übermediziniert. Oder verhungert, weil ich nur noch für die Krankenkasse blechen kann. Die Kosten explodieren im Alter. 1000 € Krankenkasse sind da keine Seltenheit. Im Jahr? Pustekuchen. Im Monat. Und? Bin ich Krösus? Nee, dann hätte ich mir einen neuen Golf gekauft. Letztes Jahr. Fahre übrigens meinen neuen gebrauchten Golf bisher unfallfrei. Ohne die vielen Medikamente. Die beduseln einen doch nur. Und dann alles rein, was geht. Oh, Frau Schiller. Jetzt haben Sie auch noch Diabetes. Aber das hat ja fast jeder. Oder Beta Blocker!!! Wenn ich das schon höre. Legt das nicht die Potenz lahm? Bei Männern?

      Apropos Männer. Einige Nachbarn sind verstorben. Der Ernst. Ernst Kirchners. Mit 93. An seinem Geburtstag. War wohl zu viel für ihn. RIP. Und die Lydia von Gegenüber. Nee, die war nicht adelig. Die wohnte da.

      Einige sind weggezogen. Die Renate. Das ist schade. Die mochte Kinder. Tja, wie das Leben so spielt. Die Besten gehen zuerst. Sterben oder ziehen weg.

      Obwohl, die Renate, die sagte ja damals, in letzter Zeit würde ich immer alberner! Ich! Ich bin nicht albern, sondern neugierig und humorvoll. Ja, das kann die Renate nicht unterscheiden.

      Wir haben ja früher mal zusammen gearbeitet. In der Klinik. Wir beide als Krankenschwestern auf der gleichen Station.

      Da hat sie sich in den Pausen immer aufgeregt, wenn mal jemand IHRE Kaffeetasse nahm. So eine Ostfriesen-Tasse mit ner Rose drauf. Sollte ganz was „besünners“ sein. Sagte sie immer. Also, wenn Sie mich fragen, ich fands kitschig. Aber so richtig kitschig. Eher wie ein englischer Bettbezug. Oder ne Gardine. Von IKEA. Für Senioren. Na ja, Geschmäcker sind eben verschieden. Gut, dass ich den von Renate nicht habe.

      Und die Therese? Die ist nun auch tot. Erst 62. Herzinfarkt. Aber die kannte ich gar nicht.

      Einige sind auch neu hinzugekommen. Ich werde berichten.

      Der perfekte Partner

      Ich trinke ja für mein Leben gerne Kaffee. So RICHTIGEN Kaffee. Wie bei der Sigrid. Deshalb gehe ich auch gerne mal ins Café. Ich krieg den nicht so hin.

      Jetzt gibt es da so ein neues Café. „Homemade by Usch“. Ganz modern. Aber der Kaffee ist gut. Muss ich wohl sagen. Deshalb ist es auch immer voll. Bei der Usch. Dann muss man eben zusammen rücken.

      Na und gestern, da saß ich einem Paar gegenüber. So um die 60 bis 70. Man weiß das ja heutzutage nicht mehr so genau. Cremes, Lifting, Botox. Ach, ich verlier meinen Faden.

      Er, der Mann vom Pärchen gegenüber, also ER hat vor sich einen Becher Kaffee und Apfeltorte mit Sahne. Sie Himbeertorte ohne Sahne und Cappuccino. Sie essen und reden. Ganz lieb. Er vor allen Dingen. Er ganz besonders.

      ****

       Sollen wir gleich noch zu dm, Liebes?

       Brauchen wir nicht.

       Aber du wolltest doch da noch was gucken.

       Muss nicht heute sein.

       Du brauchst auf mich keine Rücksicht zu nehmen. Ich komme gerne mit. Wenn es dir nur gefällt, gefällt es mir auch.

       Lass ruhig, Hermann. Wir können auch morgen...

       Nein, Liebes, wir machen das. Und morgen gehen wir ganz schön essen. Beim Italiener?

       Ich hab noch Rouladen im Kühlschrank.

       Die frierst du ein. Wenn das Wetter mitspielt, dann gehen wir zu Fuß dahin. Zu Antonio.

       Aber..

       Lass man, Liebes, ich weiß doch, wie du den Italiener liebst. Oh, du hast da was.

      (Hermann nahm seine Serviette und fummelte seiner Begleitung an der Bluse rum. Wischte, drückte. Dann war da ein Fleck. Vorher nicht.)

       So, nun ist es weg. Da war ein Krümel von deiner Torte. Passiert schon mal. Aber ist jetzt weg.

       Danke, Hermann.

       Den Fleck sieht man auch kaum.

       ****

      Gruuuselig, sag ich nur. Gruselig. Ich bin dann gegangen. Da leb ich doch lieber alleine. Ohne meinen Rudi. Der ist ja vor drei Jahren einfach so... beim Zigaretten holen. Kennt man ja. Bei Männern. Aber besser so als mit Hermann bei Usch.

      Notruf 112

      Sigrid Weber wohnt seit Februar hier in der Straße. Ist ne Sackgasse. Und dann stehen die Autos immer so unmöglich, dass ich kaum wenden kann. Mit meinem Golf.

      Sigrid und ich, wir waren uns gleich sympathisch. Und sie ist die Jüngste in der ganzen Straße. 39. Nesthäkchen. Glauben Sie’s oder nicht, sie kocht den besten Kaffee. Die Sigrid. Kaffee kochen kann sie, wirklich. Die Sigrid. So lecker.

      Neulich war ich bei ihr eingeladen. Selbst gebackener Kuchen. Maracuja-Torte. Ganz was Feines. Die Sigrid hat so eine Art Wintergarten. Ist eher ein Balkon mit Glas und Dach drüber. Also der Balkon über ihr. Aber sitzt man wie in einem Wintergarten. Jedenfalls fast. Schaut hinaus auf die Bäume. Herrlich, kann ich Ihnen sagen. Ganz entspannt.

      Und dann kam es zu dem Zwischenfall. Ich hatte die Situation gleich erkannt und sah nur eine Möglichkeit. Die Feuerwehr. Also greife ich zum Hörer und wähle die 112. Meldet sich da ein Mann ganz forsch und fragt

      „WIE kommen Sie zu dieser Nummer?????“

      Spinnt der? Denke ich. Die Feuerwehr? 112. Kennt jeder!

      „Die kann ich auswendig“, sag ich so dahin.

      Aber er schreit „Nein, das kann gar nicht sein. Diese Nummer ist geheim!“

      Nun musste ich aber doch mal doof gucken. Die Nummer vom Feuerwehr-Notruf geheim??? Ich frag nochmal nach. Aber er wird immer ungemütlicher.

      „Ja, genau. Diese Nummer. Sie hätten die 112 anrufen müssen!“

      Da habe ich ihn aber erst einmal aufgeklärt, dass ich genau das getan hatte. Aber er blieb dabei. Störrisch, wie Männer nun mal sind.

      „Nein, das haben Sie nicht. Sonst wär ich ja gar nicht dran. Ich bin nämlich heute gar nicht im Dienst“, schimpfte er.

      Ich hab ja schon viel erlebt. Auch mit Männern. Aber so ein frecher Kerl. Bei der Feuerwehr. Oder hatte ich mich verwählt? Nein, ein Blick auf das Display sagte mir, ich hatte Recht. Klalltüte, der. Ich sagte ihm ganz klipp und klar und unmissverständlich „Aber wir haben einen NOTFALL!“

      Fragt der mich doch glatt

      „Warum rufen Sie dann nicht die 112 an?

      Da hab ich ihm aber das mit dem Display um die Ohren geknallt. Jawohl. Und dann hatte er doch noch ein Erbarmen mit mir. Er fragte, was ich denn nun für einen Notfall zu melden hätte.