Dämonentreue. Dagny Kraas

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Название Dämonentreue
Автор произведения Dagny Kraas
Жанр Языкознание
Серия Dämonentreue
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752921366



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es ihm schon ein wenig besser.

      Er drehte sich um und bückte sich nach seinem Hemd, das achtlos zusammengeknüllt auf dem Boden lag. Er wollte es eben anziehen, als sein Blick auf die Vorderseite fiel: Der Stoff war dunkel von Blut.

      Stirnrunzelnd ließ er sich auf den Stuhl sinken und betrachtete das Hemd. Es waren verschmierte, verwischte Blutspuren, als hätte jemand damit etwas aufgewischt. Er beugte sich vor und schnupperte vorsichtig daran. Eiskalter Schrecken durchfuhr ihn: Es war eindeutig von Béo. Was, in aller Götter Namen, war…

      In diesem Moment hörte er sie mit den Decken rascheln. Er drehte sich um und erstarrte in der Bewegung, als sein Blick auf sie fiel. Ihre linke Wange war eine einzige Schürfwunde, ihre Arme und Hände waren mit unzähligen Kratzern und Schnitten übersät, und ihr Nachthemd bestand eigentlich nur noch aus Fetzen.

      Béo erwiderte seinen Blick ohne ein Wort, und das erste Mal, seit er sie kannte, gab ihm ihr Gesichtsausdruck Rätsel auf. Doch dann stieg sie aus dem Bett, nahm ihm das Hemd aus der Hand und schüttelte den Kopf.

      »Beruhige dich, es ist nichts geschehen«, sagte sie achselzuckend. »Ich war nur dumm genug, einen betrunkenen T‘han T‘hau auffangen zu wollen. Ist mir nicht gut bekommen, wie du siehst. Auf der anderen Seite bin ich selbst daran Schuld. Ich hätte dich nicht stoßen sollen.«

      Er dachte einen Augenblick über ihre Worte nach. Dann atmete er hörbar auf.

      »Und ich hatte schon befürchtet…«

      Sie lachte leise, trat zu ihm und setzte sich ungefragt auf seinen Schoß.

      »Weißt du was, Cridan«, sagte sie, »selbst betrunken hast du noch zu viel Anstand im Leib, um deine Überlegenheit auszunutzen oder ein Versprechen zu vergessen. Und obwohl du voll warst wie ein Eimer, habe ich dich so gern, dass ich dir sogar mit zerschnittenen Händen die Stiefel ausgezogen habe. Wenn das keine wahre Freundschaft ist, weiß ich es auch nicht.«

      Er lächelte etwas hilflos – und genau so fühlte er sich auch.

      »Es wäre auch bitter, wenn wir miteinander im Bett gewesen wären und ich mich nicht daran erinnern könnte«, bemerkte er.

      »Werd‘ bloß nicht frech«, gab sie zurück. »Sonst vergesse ich nachher doch noch, dass ich dich mag.«

      Bevor er etwas erwidern konnte, stand sie auf, warf ihm das Hemd zu und griff nach ihren eigenen Sachen.

      »Ich würde vorschlagen, du borgst dir etwas zum Anziehen von Tiko. Es sei denn, du willst ohne Hemd gehen.«

      Er lachte. »Würde dir das gefallen?«

      Sie hob eine Braue und sah ihn mit gerunzelter Stirn an.

      »Ich sagte, du sollst nicht frech werden! Du weißt genau, wie gut du aussiehst, aber Eitelkeit steht dir nicht. Los, geh schon und frag Tiko nach einem neuen Hemd!«

      Cridan gehorchte mit einem breiten Grinsen.

      Tiko zog erstaunt die Brauen hoch, als er ihn um ein Hemd bat.

      »Nicht, dass ich dir nicht etwas leihen wollte«, brummte er, »aber es wird dir vermutlich zu klein sein. Davon abgesehen – wofür brauchst du ein Hemd? Gestern Abend hattest du doch eines an. Ich gehe zumindest stark davon aus! Erinnern kann ich mich nämlich nicht mehr.«

      Cridan drückte ihm wortlos sein Hemd in die Hand. Tiko musterte die Blutspuren darauf, dann hob er den Kopf und sah ihn an.

      »Will ich wissen, was passiert ist?«

      Cridan zuckte die Achseln.

      »Laut ihrer Aussage überhaupt nichts«, gab er zur Antwort. »Außer dass sie wohl versucht hat, mir beim Ausziehen zu helfen und mich auffangen wollte, als ich das Gleichgewicht verloren habe.«

      Tiko spitzte die Lippen, schwieg jedoch und holte aus einer Truhe ein Hemd hervor, das er ihm zu warf.

      »Nimm das hier. Ist das größte, was ich habe. Du solltest zumindest hineinpassen.«

      Cridan zog es an. Es war etwas eng über der Brust, aber besser als nichts.

      Beim Frühstück starrte Gironna fassungslos auf Béos Hände und fragte: »Was habt ihr denn gemacht?«

      Béo schnitt eine Grimasse.

      »Ich war so blöd, einem betrunkenen Dämon beim Entkleiden helfen zu wollen. Keine besonders gute Idee. Vor allem nicht, wenn man ihn auffangen will.«

      Gironna lachte hell auf.

      »Das stimmt! Ich kann mich noch gut an meinen ersten Versuch damit erinnern! Sieh mal«, sie hob die Hand und zeigte eine Reihe feiner, weißer Narben auf ihren Fingern, »die hier erinnern mich daran, betrunkene Dämonen besser sich selbst zu überlassen. Sie schaffen es schon irgendwann ins Bett, und im Zweifelsfall schlafen sie eben in ihren Stiefeln!«

      Es war eine angenehm entspannte Atmosphäre in Tikos und Gironnas Haus. Cridan hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt, nippte an der mit Honig gesüßten Milch, die Gironna ihm gebracht hatte, und beobachtete Tiko, der seiner Gefährtin dabei half, die Reste ihres Frühstücks abzuräumen.

      Es war ein ungewohntes Bild, einen T‘han T‘hau wie Tiko damit beschäftigt zu sehen, Geschirr zu spülen, aber die Selbstverständlichkeit, mit der sich der geschuppte Krieger in der Küche bewegte, und die liebevollen Blicke und Berührungen, die er dabei mit Gironna austauschte, ließen es ganz und gar richtig erscheinen.

      Sie sind füreinander geschaffen, dachte Cridan und lächelte still in sich hinein. Es tut gut, sie zusammen zu sehen. Schuppen oder nicht – wir sind eben doch alle nur Menschen, die nach Nähe, Sicherheit und Liebe suchen. Und diese beiden haben sich gefunden, die Abenteurerin vom Kontinent und Skatarhaks Sohn. Eine seltsame Kombination, und doch… Sie mussten einander finden.

      In diesem Augenblick sah Béo zu ihm hinüber. Ihre Blicke begegneten sich, ruhten einen Moment ineinander, und dann erwiderte sie sein Lächeln mit einem Gesichtsausdruck, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie seine Gedanken erraten hatte.

      »All das ist zu einem großen Teil dein Verdienst«, sagte sie leise. »Dass wir hier sitzen können, dass sie zusammen leben können – es ist dir zu verdanken. Und du fragst, womit du Mar‘Tians Dankbarkeit verdient hast?«

      Wenig später brachen sie auf. Die meisten der fünfzig T‘han T‘hau waren schon abmarschbereit und warteten nur auf sie, die restlichen stießen im Laufe des Tages hinzu und komplettierten ihren Tross.

      Da die wenigsten zu Pferd unterwegs waren und sie sich somit der Geschwindigkeit der wandernden T‘han T‘hau anpassen mussten, erreichten sie L‘hunival erst am Abend des letzten Tages, den Mar‘Tian ihnen zugestanden hatte.

      Die Verletzungen an Béos Armen und Händen waren schon recht gut verheilt, dennoch entdeckte Mar‘Tian sie sofort. Er packte ihre Rechte und drehte sie herum, so dass er die verschorften Schnitte in ihrer Handfläche sehen konnte.

      Er sagte nichts, doch der Blick, mit dem er Cridan bedachte, sprach Bände.

      »Es war meine Schuld«, sagte Béo hastig. »Bestrafe ihn nicht. Ich wollte ihn auffangen und habe nicht aufgepasst.«

      »Auffangen?« Eine steile Falte bildete sich auf Mar‘Tians Stirn.

      »Auffangen«, bestätigte Cridan knapp. »Tiko und ich haben ein bisschen zu viel getrunken; anders wäre es nicht dazu gekommen.«

      »Wie viel?« fragte Mar‘Tian schroff.

      Cridan erwiderte seinen Blick ungerührt.

      »Genug«, entgegnete er dann.

      »Gib dir keine Mühe«, bemerkte Béo. »Er kann sich nicht mehr daran erinnern.«

      Mar‘Tians verärgerter Gesichtsausdruck veränderte sich kein bisschen. Besänftigend legte sie ihm die Hand auf den Arm.

      »Lass es gut sein«, sagte sie. »Du selbst hast mir einmal gesagt, dass man sich bei solchen