SPIONE, KUNDSCHAFTER DES FRIEDENS UND AGENTEN. Gerd Frank

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Название SPIONE, KUNDSCHAFTER DES FRIEDENS UND AGENTEN
Автор произведения Gerd Frank
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783752922950



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gehabt habe. Der Major besorgte persönlich in seinem Büro eine Pistole sowie ein Päckchen Gift für Redl; daraufhin zog sich die Delegation zurück, um dem Enttarnten eine Möglichkeit zu geben, "seinem Leben ein rasches Ende zu bereiten".(8) In den frühen Morgenstunden des darauffolgenden Tages fand man Alfred Redl, der sich durch einen Schuss in den Mund getötet hatte und teilte dies dem Generalstab mit. Conrad informierte danach den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand durch ein Telegramm, dass Redl sich "aus bisher unbekannter Ursache" selbst erschossen habe. Ähnliche Informationen gingen an den Kaiser selbst sowie an die Presse.

      Der Vertuschungsversuch scheiterte jedoch. Denn als eine Kommission nach Prag geschickt wurde, um dort Redls Unterkunft sorgfältig zu untersuchen und etwaige Spuren zu sichern, wobei unter anderem auch ekelerregende Bilder gefunden wurden, die an den homosexuellen Beziehungen Redls keinen Zweifel ließen, bekam dies unter anderem auch Egon Erwisch Kisch, der berühmte Lokalreporter der deutschsprachigen Prager Zeitung 'Bohemia' , mit. Es fanden sich außerdem photographierte Geheimmaterialien, Deckadressen, Spionageaufträge und Geldanweisungen. Aus den Zeitungen hatte Kisch schon vom Tode Redls erfahren; schnell konnte er nun eruieren, dass der Vorfall im Hintergrund auch mit Spionage und Homosexualität zu tun gehabt haben musste und so veröffentlichte er in der 'Bohemia' folgende Meldung auf der Titelseite:

       "Von hoher Stelle werden wir um Widerlegung der speziell in Militärkreisen aufgetauchten Gerüchte ersucht, dass der Generalstabschef des Prager Korps, Oberst Alfred Redl, der vorgestern in Wien Selbstmord verübte, einen Verrat militärischer Geheimnisse begangen und für Russland Spionage getrieben habe." (9)

      Diese Meldung platzte wie eine Bombe; auch Kaiser und Thronfolger erfuhren nun von Redls Verrat und in der Folge bemühte man sich intensiv um Schadensbegrenzung. So teilte das Kriegsministerium nach ein paar Tagen mit, dass Redl sich das Leben genommen habe, "als man im Begriffe war, ihn wegen homosexueller Verfehlungen und Geheimnisverrat an fremde Mächte zu überführen“ (10), verschwieg aber schamhaft die Tatsache, dass man Redl zum Selbstmord gedrängt und gleichzeitig eine lückenlose Aufklärung des fatalen Falles verhindert hatte...

      Im Hinblick auf die politische Lage in Europa war der Skandal um Redl tatsächlich von Brisanz: Das Säbelrasseln zwischen Österreich-Ungarn und Russland verschärfte sich ja immer mehr, weil beide Mächte ihren Einfluß auf den Balkan ausbauen wollten. Als sich Österreich-Ungarn 1908 Bosnien und die Herzegowina einverleibte, standen alle Zeichen bereits auf Krieg. Die Spionageaffäre belastete daher die ohnehin gespannten Beziehungen von neuem.

      In einer geheimen Aktion wurde Alfred Redl auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Grab ohne Grabstein beigesetzt (Gruppe 79, Reihe 27, Nummer 38); das Grab wurde später von aufgebrachten Bürgern geschändet. Als der Skandal einigermaßen abgeflaut war, stellte man einen Grabstein auf, der jedoch 1944 von den Nationalsozialisten wieder entfernt wurde. Heute ist das Grab offiziell aufgelassen und neu belegt.(11)

      Das österreichische Abwehramt stellte bei der abschließenden Bearbeitung lediglich fest, dass Redls Konto bei der Neuen Wiener Sparkasse seit Anfang 1907 auffallend hohe Einlagen verzeichnet hatte: von 1905 bis 1913 waren insgesamt 116700 Kronen eingezahlt worden.

      Die militärischen Auswirkungen dieses Spionagefalles waren enorm, denn Redl hatte Österreich durch seinen Verrat der Aufmarschplanung gegen Russland riesigen Schaden zugefügt. Vor allem warf man ihm vor, dass die schweren Rückschläge, welche die Wiener Strategen in den ersten Kriegsmonaten auf den östlichen Kriegsschauplätzen hinnehmen mussten, nur wegen der verratenen Kriegspläne möglich geworden seien. Und nach dem Ende der Monarchie wurde Redl sogar für deren Untergang verantwortlich gemacht.

      Der Geheimdienst bemühte sich nach Kräften, die Affäre in der Öffentlichkeit zu verharmlosen, was allerdings nur bedingt gelang. Geschichtswissenschaftler gehen davon aus, dass der Geheimnisverrat Redls zu den verheerenden Niederlagen Österreich-Ungarns während der ersten Monate des Ersten Weltkrieges zumindest beigetragen hat; Andere waren der Ansicht, Redl habe überhaupt keine bedeutende Rolle gespielt, sondern sei lediglich als eine Art Sündenbock für Niederlagen nützlich gewesen.(12)

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      (1) Moritz, Verena/Leidinger, Hannes. „Oberst Redl. Der Spionagefall. Der Skandal. Die Fakten.“ Salzburg/Wien 2012.

      (2) Vgl. Markus, Georg. „Der Fall Redl.“ Wien 1984 (S. 33-35).

      (3) Moritz, Verena/Leidinger, Hannes. a.a.O. --- Pethö, Albert. „Agenten für den Doppeladler. Österreich-Ungarns geheimer Dienst im Weltkrieg.“ Graz 1998 (S. 231 ff).

      (4) Vgl. Pethö, Albert: „Der Fall Redl“. In: Krieger, Wolfgang (Hrsg.): „Geheimdienste in der Weltgeschichte. Spionage und verdeckte Aktionen von der Antike bis zur Gegenwart.“ München 2003 (S. 138-150). Der Ulanenleutnant Stefan Horinka soll sein letzter Liebhaber gewesen sein.

      (5) Entspricht nach heutigem Wert etwa 35000 Euro.

      (6) Janusz Piekalkiewicz: „Weltgeschichte der Spionage.“ Wien 2002 (S. 258 ff).

      (7) Moritz/Leidinger, a.a.O. (S. 110)

      (8) Pethö, a.a.O. (S. 229)

      (9) Markus, a.a.O. (S. 233) und Pethö, a.a.O. (S. 142). --- Außerdem: Schmieding, Walther (Hrsg). Egon Erwin Kisch. „Nichts ist erregender als die Wahrheit.“ Reportagen aus vier Jahrzehnten. Köln 1979 (Bd. 2, S. 79).

      (10) Moritz/Leidinger, a.a.O. --- Opitz, Manuel. „Alfred Redl. Der Jahrhundertspion

      mit Vorliebe für Sexorgien.“ In: „WELT“ – Digital vom 16.4.2013.

      (11) Gruber, Clemens M.: „Berühmte Gräber in Wien. Von der Kapuzinergruft bis zum Zentralfriedhof.“ Wien 2002 (S. 60).

      (12) Knightley, Philipp: „Die Geschichte der Spionage im 20. Jahrhundert.“ Bern 1989.

      DER AMATEURSPION (CARL HANS LODY)

      Gustav Carl Gottlieb Hans Lody wurde am 20. Januar 1877 geboren (1) und am 6. November 1914 in London als erster deutscher Spion des Ersten Weltkrieges hingerichtet. Sein Vater war verbeamteter Jurist und in den Städten Oderberg und Nordhausen jeweils einmal Bürgermeister (2). Weil die Eltern früh verstarben, wuchs der Junge zunächst bei Pflegeeltern in Leipzig auf, ab 1887 kam er in ein Waisenhaus nach Halle.

      Lody begann mit 14 Jahren eine Lehre in einer Kolonialwarenhandlung, brach sie jedoch ab und heuerte dann in Hamburg als Schiffsjunge auf dem Segelschiff ‚Sirius‘ an. Er wurde zum Matrosen befördert, übernahm schließlich sogar Offiziersaufgaben und ließ sich dann ganz formell zum Seemann an der Navigationsschule in Geestemünde ausbilden. Diese Schule absolvierte er am 27. Juni 1900 mit der Prüfung zum Steuermann.

      Anschließend trat er als Einjährig-Freiwilliger in die Kaiserliche Marine ein. Nach der Beendigung seines Militärdienstes fuhr er als Erster und Zweiter Offizier auf deutschen Handelsschiffen zwischen Italien und den USA durch die Welt. Weil er die Navigationsschule noch ein zweites Mal absolvierte, erhielt er im Jahr 1904 das Kapitänspatent, worauf er in den folgenden Jahren (bis 1909) als Zweiter und Dritter Offizier auf verschiedenen Dampfern der HAPAG-Linie fuhr. Bedauerlicherweise musste er in dieser Zeit feststellen, dass seine Sehkraft immer mehr nachließ. Kurzentschlossen verdingte er sich als Reiseleiter für ein amerikanisches Reisebüro. Dabei lernte er perfekt Englisch, das er allerdings mit leichtem amerikanischem Akzent sprach.

      Im Grunde war er eine gescheiterte Existenz, denn er hatte um diese Zeit bereits mehrere Berufswechsel hinter sich. Frisch von einer Amerikanerin geschieden, war er auf der Suche nach beruflichen Perspektiven. Fritz Prieger, ein Bekannter aus Marinetagen und inzwischen Direktor des Marinegeheimdienstes, schlug ihm vor, sich als Freiwilliger anwerben zu lassen, um sich dann 'mit Flottenbewegungen möglicher Kriegsgegner zu beschäftigen'. (3)

      Lody sprach zunächst als 'Charles A. Inglis' beim amerikanischen Konsulat