Название | Die Midgard-Saga - Jötunheim |
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Автор произведения | Alexandra Bauer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738052015 |
Wal-Freya folgte ihnen schweigend und Thea versuchte, ihre Gedanken in das Hier und Jetzt zu ordnen. Sie dachte an Juli, die sie bereits außerordentlich vermisste und sie dachte an ihre Mutter, die sicher krank war vor Sorge um sie. Sicher hatte ihr Wal-Freya keinen Gefallen damit getan, ihr zu verraten, wohin sie ihre Tochter mitnahm. Frau Helmken blieb diesmal nichts anderes übrig, als tatenlos um sie zu bangen. Keine Polizei, kein Aufgebot an Suchenden würde Thea zurückbringen können und diesmal wusste ihre Mutter das.
Irgendwann deutete Wal-Freya vor sich. „Schau, Thea! Asgard!“
Thea lehnte sich nach rechts und spähte an der Walküre vorbei. Weit und groß leuchtete das Plateau des Idafelds aus den Weiten des Himmels auf. Majestätisch bildete sich die Wurzel des Weltenbaums darauf ab, die sich weit über das Gras bis hin zum Brunnen der Nornen ausdehnte. Bifröst schwang sich bunt nach Midgard hinab und verlor sich zwischen einer Ansammlung von Wolken. Hinter all dem erhob sich die goldene Götterburg mit ihren Hallen, Türmen und Wegen. In einem Panorama, das einer Metropole glich, fügten sich die einzelnen Wohnorte zu einem einzigen Gebilde zusammen, in dem nur die reetgedeckten Dächer ein paar dunkle Tupfen malten. Auf der linken Seite der Götterburg erkannte Thea im Licht der aufgehenden Sonne Folkwang mit den Hallen Sessrumnirs. Wie auf Kommando erhoben sich von einer der Terrassen drei Pferde und mit wehenden Umhängen zogen die Reiter hinab in Richtung Midgard.
Wal-Freya lenkte den Wagen die Götterburg hinauf und flog über Gladsheim, Odins Wohnort, hinweg. Dahinter, auf der anderen Seite, verlor sich eine riesige Halle in einem Geflecht aus Ästen und Blättern. Anders als die reetgedeckten Säle war diese Halle von goldenen Schilden bedeckt, die unter dem Blätterdach hervorblitzten. Schlachtenlärm kroch von irgendwoher heran und wurde lauter, je näher Wal-Freya den Wagen in Richtung der goldenen Schilde lenkte. Aus einem Kamin in der Mitte des Hallendachs qualmte ein Feuer und trieb den Geruch von gesiedetem Fleisch heran. Schon tauchten Bygul und Trjegul zwischen den Ästen ab. Thea zog unwillkürlich den Kopf ein und kniff ein Auge zu. Doch die Äste mit den gefiederten Blättern strichen den Wagen so sanft, als würden sie ihn begrüßen wollen. Thea glaubte, eine Ziege in den Ästen springen zu sehen, dann war ihre ganze Aufmerksamkeit bereits auf das Geschehen unter ihr gerichtet. Auf einem weiten Feld fochten Krieger, teils zu zweit, teils in Gruppen, gegeneinander. Sie legten brüllend Kraft in ihre Hiebe, belachten jede zugefügte Wunde und ließen es trotzdem nicht am nötigen Ernst fehlen. Die Mehrzahl von ihnen waren Wikinger, deutlich zu erkennen an ihrer Gewandung und den Helmen. Unter sie mischten sich Soldaten verschiedener Epochen. Musketiere, Landsknechte und Gardisten. Alle kämpften jedoch mit Schwert, Speer, oder Axt. Von neuzeitlichen Waffen fehlte jede Spur. Einige Krieger hatten ihr Tun unterbrochen und sich um Tyrs Wagen versammelt. Kaum setzte Wal-Freyas Gefährt neben der Halle auf, scharten sich auch um sie etliche Schaulustige. Die linke Faust zum Gruß erhoben, huldigten sie die oberste der Walküren mit einem kehligen „Ho!“. Nachdem sich Thea vorgestellt hatte, wurde auch sie auf die gleiche Weise begrüßt. Beim Gebrüll der Männer zog sie unbeabsichtigt den Kopf ein und kniff leicht die Augen zu.
„Ich denke auch immer, dass sie in Walhall eine Spur rauer sind als in Sessrumnir. Das mag daran liegen, dass wir uns in Sessrumnir nicht jeden Tag zu Tode schlagen“, sprach Wal-Freya in ihren Geist.
„Auf jeden Fall sind sie lauter“, antwortete Thea gequält. Mit Staunen beobachtete sie Tom, der, kaum abgestiegen, bereits zwei Schwerter durch die Luft wirbelte und mit zustimmenden Lauten und Gesten Bewunderer fand. Im nächsten Augenblick schob sich ein breitschultriger Wikinger heran. Er sprach etwas zu Tom, nickte ihm zu und setzte seinen Helm auf. Tom hob die Arme und legte je ein Schwert auf seine Schulter. Schon hob der Wikinger seine Waffe und ließ sie auf Tom niederfahren. Dieser parierte den Schlag, lenkte die Klinge von sich weg und schwang das zweite Schwert in einer raschen Attacke in Richtung des Wikingerkopfes. Schnell reagierte der Nordmann, wehrte seinerseits den Schlag ab und führte ein paar Hiebe in Toms Richtung aus, die dieser zwar abwehren konnte, dabei aber zusehends in Bedrängnis geriet.
Wal-Freya seufzte hörbar und schüttelte den Kopf. Schnellen Schrittes näherte sie sich Tyrs Wagen und sah zu dem Kriegsgott hoch, der noch immer auf dem Fuhrwerk stand.
„Tyr?” Sie sprach seinen Namen lang und eindringlich, der offene Vorwurf schien ihn zu alarmieren.
„Sie wollten nur sehen, was der Neue kann“, verteidigte er sich.
Wal-Freya presste die Lippen zusammen. „Er wird noch genug Gelegenheit dazu finden, sein Können zu beweisen. Außerdem wird er nicht zum Abendessen von den Walküren wachgeküsst und wird nicht wieder aufstehen, wenn ihn jemand umbringt.“
„Du hast recht!“ Tyr nickte und rief Tom zu sich, ehe das Kräftemessen entschieden war.
Tom gab die Schwerter an einen Krieger zurück und kam näher. Erwartungsvoll sah er Tyr an. Der stieg nun endlich vom Wagen und begrüßte Tom mit einem leichten Schlag auf die Schulter.
„Gut gemacht, Junge!“, hob er fröhlich an.
Wal-Freya wedelte mit den Händen und scheuchte die umstehenden Krieger davon. „Geht euch wieder umbringen!“, forderte sie mit feinem Spott. „Vielleicht sind wir später noch da, dann könnt ihr mit Tom und Tyr trinken.“
Die Versammelten hoben grölend die Schwerter und mit neuer Begeisterung schlugen sie aufeinander ein. Wal-Freya lief auf das Gebäude zu und Tyr gesellte sich neben sie. Tom suchte Theas Nähe und knuffte sie übermütig auf den Arm.
„Das ist der Wahnsinn! Ich komme mir vor wie auf einem Mittelalterfest!“
Plötzlich fiel ein Kämpfender dicht neben ihnen von einem Schwertstreich getroffen vornüber und blieb leblos liegen. Tom verharrte fassungslos. Der Wikinger, der den tödlichen Schlag gesetzt hatte, riss die Arme hoch und johlte erfreut, da landete der Axthieb eines anderen in seiner Brust. Dem erstaunten Blick des Mannes auf die in ihm steckende Waffe folgte ein Lachen. Dann brach er zusammen.
„Unsere Mittelalterfeste sind aber nicht ganz so tödlich“, erwiderte Thea angewidert.
Tom stand eine leichte Blässe ins Gesicht. Den Blick fest auf die Szenerie gerichtet, war seine Stimme nur noch ein Flüstern: „Sie bringen sich … um!“
Thea klopfte ihrem Freund auf die Schulter. „Keine Sorge, sie sind längst tot! Heute Abend küssen die Walküren sie lebendig. Sie werden die ganze Nacht Met und Bier trinken, feiern und morgen schlagen sie sich von Neuem, bis nur noch einer übrig ist. Am nächsten Morgen beginnt das Spiel von vorn und so weiter und so weiter.“
„Tatsächlich?“
Thea schmunzelte leicht, wobei sie sich eingestehen musste, dass der Schauplatz auch ihr ein mulmiges Gefühl bereitete. Nur die Erinnerung an ihre alten Leben schwächte das grausige Bild der sich niederringenden Krieger. Als Njal hatte sie den Tod oft gesehen. Viele gute Männer, mit denen sie gekämpft hatte, wünschten sich damals nichts sehnlicher, als einen ruhmreichen Tod auf dem Schlachtfeld zu erleiden, damit sie von den Walküren nach Walhall getragen würden. Auch Krieger, die ihre Schwerter bei Fengur kauften, träumten von einem Leben in Walhall nach dem Schlachtentod. Für Tom, der noch nie zuvor in einem Gemetzel gekämpft hatte, musste es ein erschreckender Anblick sein.
„Das ist Walhall. Ich kann nicht ermessen, ob sich alle Krieger das Leben nach dem Tod so erträumt haben, aber die meisten meiner alten Weggefährten wünschten sich ein ganzes Leben lang nichts anderes, als einst hier zu sein.“
„Wie meinst du das?“, fragte Tom.
Es war Thea nicht mehr möglich zu antworten, denn Wal-Freya und Tyr blieben jäh stehen. Hoch und mächtig ragte ein zweiflügliges Tor vor ihnen auf. Jeder Flügel maß etwa 15 Meter in der Breite und war mindestens fünf Meter hoch. Ein riesiger, aus Holz geschnitzter Wolf, der über