Dramatischer Tod. Günther Tabery

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Название Dramatischer Tod
Автор произведения Günther Tabery
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738086218



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dass vorerst alle am Abend beteiligten Personen im Theater warten und sich für Verhöre bereithalten sollten. Katharina stütze sich auf Martin. Veronika ging voran. Als sie in den Theaterraum eintraten, sahen sie, wie die Gruppe zusammen saß, teilweise gefasst, teilweise mit Tränen in den Augen. Gerald kam auf Martin zu: „Wie konnte das nur geschehen? Es ist unfassbar! Wer konnte Udo so etwas Grausames angetan haben? Die arme Katharina.“

      „Das weiß ich nicht, Gerald. Die Polizei wird es hoffentlich herausfinden. Lass mich erstmal einen Schluck Wasser trinken.“ Er nahm sich einen Becher und goss sich ein. Dann fragte er in die Runde: „Sind denn alle hier versammelt oder fehlt noch jemand?“

      Olaf sah sich um: „Es sind einige bereits gegangen. Das hier war der harte Kern.“

      Martin schaute in die Runde. Es waren fast alle Schauspieler hier geblieben außer Margot, die das Buffet angerichtet hatte und Kimberly, die Blanche spielte. Angehörige und Freunde der Schauspieler waren ebenso frühzeitig gegangen. Nur noch er, Veronika und Leni waren mit den Schauspielern hier geblieben. Mit Veronika und mir sind es elf Personen, die also zu später Stunde noch anwesend waren, dachte Martin. Laut fragte er: „Wer hat Udo als letztes noch lebend gesehen?“

      Die Gruppe sah sich an.

      Armin antwortete: „Ich habe ihn draußen mit Gerald auf dem Hof rauchen sehen. Das mag vielleicht so gegen 23 Uhr gewesen sein.“

      „Stimmt, das kann ich bezeugen. Das habe ich auch gesehen“, bestätigte Erik.

      „Und später? Hat ihn noch jemand anderes gesehen?“

      Alle blickten sich an, doch niemand sagte etwas.

      „Also niemand?“, fragte Martin.

      „Es ist schwierig genau zu sagen, wo jemand war, denn alle tanzten durcheinander und tranken und unterhielten sich. Also, ich kann nicht mit Sicherheit sagen, wen ich wo gesehen habe“, wandte Frederick ein.

      Die anderen nickten zustimmend. Ja, das ist wohl wahr, dachte Martin. In dem Trubel konnte man wirklich nicht genau sagen, wer sich wo aufgehalten hatte. Er setzte sich nun zu Gerald, Leni und Veronika an den Tisch und verstummte. Die Tür ging auf und zwei Polizisten betraten den Raum. Nach einer angemessen dezenten Begrüßung, baten sie förmlich alle Anwesenden nacheinander zu einer Befragung ins Foyer 2 zu kommen. Jeder musste seine Personalien angeben und ausführlich aus eigener Sichtweise beschreiben, was am Abend und in der Nacht geschah.

      Als Martin ins Foyer eintrat, hatte er ein ungutes Gefühl. Er konnte nach seinem Dafürhalten nichts Nennenswertes bei der Befragung beisteuern. Er kannte niemanden näher außer Gerald. Auch war ihm nichts weiter aufgefallen. Er konnte es sich nicht erklären, wie der Mord stattgefunden haben könnte. Als der Polizist ihn fragte, ob er jemanden mit Udo zusammen gesehen hatte, versuchte er sich den Abend bildlich noch einmal vorzustellen. Ja, es hatten mehrere Leute mit Udo gesprochen. Auch war Udo zwischendurch aus dem Theaterraum verschwunden. Aber er tauchte immer wieder auf. Es war ein Kommen und Gehen. Auf die Frage, welche Stimmung herrschte, konnte Martin nicht eindeutig antworten. Es war im Grunde eine ausgelassene Stimmung, jedoch konnte er sich auch daran erinnern, einige ernstere Gespräche beobachtet und ernstere Gesichter gesehen zu haben. Freundlich bedankte sich der Polizeibeamte.

      Nachdem alle ihre Aussage gemacht hatten, verabschiedeten sich die Polizisten mit der Bitte, sich für eventuelle Verhöre bereit zu halten. Außerdem durfte niemand die Stadt verlassen. In einem Leichenwagen wurde der Leichnam Udos abtransportiert.

      Als die Polizei gegen vier Uhr morgens die Muschel verließ, waren nur noch Martin, Gerald und Olaf zurückgeblieben. Die Übrigen waren schon nach Hause gegangen.

      „Wir müssen die weiteren Vorstellungen absagen“, sagte Gerald matt.

      Olaf nickte. „Ja, ich kümmere mich gleich morgen darum.“

      „Vielleicht sollten wir auch einen gemeinsamen Gottesdienst feiern, im Gedenken an Udo.“

      „Das ist eine gute Idee. Das werde ich in die Wege leiten.“ Nach einer Pause sprach Olaf weiter: „Es ist einfach nur schrecklich. Ich weiß nicht, wie so etwas Furchtbares überhaupt geschehen konnte.“ Er stand auf, nahm sein Jackett und verabschiedete sich. Gerald und Martin entschieden sich, auch Schluss zu machen. Gemeinsam schlossen sie das Theater ab.

      Als Martin gegen fünf Uhr in seinem Bett lag, dachte er über das Geschehene nach. Er konnte es sich nicht vorstellen, aber logisch betrachtet gab es nur eine Erklärung. Der Mörder musste jemand gewesen sein, der am späten Abend noch anwesend war. Jemand, der in Verbindung mit Udo gestanden hatte. Und irgendwer müsste etwas gesehen haben, befand er. Da war er sich ganz sicher. Morgen würde er sich noch einmal mit Gerald treffen und vielleicht würde er etwas unternehmen.

      Martin betätigte den Klingelknopf. Nach ein paar Minuten öffnete Gerald verschlafen die Tür. Er schaute verdutzt, als er Martin zu so früher Stunde sah. Mit einem derart schnellen Wiedersehen hatte er nicht gerechnet. Nach einer zurückhaltenden Begrüßung führte er Martin ins Wohnzimmer. Er bot ihm einen Platz und eine Tasse Kaffee an. Es dauerte nicht lange, bis der Kaffee aufgebrüht war und sich beide auf der Couch gegenüber saßen.

      „Wieso bist du so früh schon wach? Es ist erst neun Uhr! Ich würde am liebsten im Bett liegen bleiben und nie mehr aufstehen“, befand Gerald. „Und alles vergessen, was gestern geschah!“ Ihm wurde etwas übel.

      „Ich konnte nicht schlafen. Ich bin total aufgeregt. Mir gingen die Geschehnisse von gestern nicht aus dem Kopf.“ Er stand auf und ging ziellos im Zimmer umher. „Ich habe lange darüber nachgedacht. Es klingt absurd, aber es kann einfach nicht anders sein.“ Er machte eine Pause und schaute Gerald an: „Der Mörder muss jemand sein, der gestern an der Feier teilgenommen hat. Jemand, der nach 23 Uhr noch in der Muschel war. Ich glaube nicht, dass ein Fremder Udo aufgespürt und in der Garage erstochen hat.“

      Gerald blickte Martin ungläubig an. „Wieso denn nicht? Man kann außen um das Gebäude herum auf die Terrasse gehen. Jeder hätte kommen und Udo erstechen können!“

      „Ja, das könnte schon sein, aber mein Gefühl sagt mir, dass es anders ist. Denn warum sollte ein Fremder ausgerechnet an der Premierenfeier sein Opfer aufsuchen? An einer Feier, bei der so viele Menschen anwesend waren? Das wäre doch viel zu unsicher und er oder sie musste Gefahr laufen, gesehen zu werden. Nein, ich glaube nicht daran. Wenn ich der Mörder wäre und wollte Udo umbringen, dann würde ich mir einen Moment aussuchen, an dem ich mit dem Opfer alleine wäre.“

      „Der Mörder könnte aber auch versuchen es jemand anderem anzuhängen. Weißt du, was ich meine? Er könnte ihn gerade deswegen bei der Premierenfeier getötet haben, weil eben viele Leute anwesend waren.“

      Martin zögerte kurz. Das wäre auch eine Möglichkeit. Trotzdem mochte er daran nicht glauben. „Stimmt, so könnte es gewesen sein. Dennoch glaube ich nicht, dass es so war. Ich denke, der Mörder war einer von denen, die gestern Abend im Theater mitgefeiert haben.“

      Gerald stockte: „Das hieße, dass deiner Einschätzung nach einer aus dem Ensemble der Täter ist?“

      Unsicher antwortete Martin: „Ja, es könnte so sein.“

      Gerald schüttelte den Kopf: „Also nein, das kann nicht sein! Wieso sollte jemand von uns das Risiko eingegangen sein? Wir sahen Udo doch jeden Tag bei den Proben. Und nach den Proben waren wir auch oft unterwegs.“

      „Ich weiß es nicht. Es muss gestern Abend etwas passiert sein, was den Mörder zu der Tat gezwungen hat. Irgendjemand tat oder sagte etwas und der Mörder musste spontan reagieren. So stelle ich es mir vor.“ Er stützte nachdenklich seinen Kopf auf die Hände. „Und weißt du, auch die Wahl der Tatwaffe spricht für meine Theorie. Der Mörder muss im Affekt nach etwas Passendem gesucht haben. Und da sah er in der Garage den Schraubenzieher liegen, nahm ihn und stach zu. Ja, ich glaube der Mord war nicht geplant, sondern spontan im Affekt ausgeführt.“

      Gerald musterte ihn lange. Die Situation war für ihn fremd und surrealistisch. Beide saßen auf der Couch und sprachen über den Mord, wie zwei Kriminalkommissare oder zwei Privatdetektive. Er wusste