Dramatischer Tod. Günther Tabery

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Название Dramatischer Tod
Автор произведения Günther Tabery
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738086218



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Martin, Veronika und Leni, dass bei der Premierenfeier zuerst ein kleiner offizieller Teil stattfinden würde, bei dem der 1. Vorsitzende der Theatervereins Die Muschel eine kleine Ansprache hielt. Danach würde er das Wort an den Regisseur geben, der an jeden Darsteller ein paar persönliche Worte richten und kleine Präsente verteilen würde. Nach dem gemeinsamen Essen würde dann der lockere Teil beginnen, bei dem man zusammen sitzt und redet, trinkt und auch tanzt. Das hörte sich gut an, befand Martin.

      Margot kam unterdessen ins Foyer und verkündete, dass alles für die Feier gerichtet sei. Alle, die zusammenstanden folgten ihr und jeder suchte sich einen Platz an einem der Tische. Der 1. Vorsitzende des Vereins erhob sich und hielt eine überschwängliche Rede über die Leistung des gesamten Teams, wie gut so eine erfolgreiche Produktion dem Theater tun würde und wünschte allen Beteiligten viel Kraft und Erfolg für die kommenden sechs Aufführungen.

      Danach war der Regisseur an der Reihe. Er rief nacheinander alle Schauspieler zu sich und sagte zu jedem etwas Persönliches, was zeigte, wie nah und verbunden sich alle waren. Als Premierengeschenk verteilte er kleine Spieluhren, die die Melodie einer Polka spielten, angelehnt an die `Varsouviana´, eine Polka, die immer dann im Stück im Hintergrund zu hören war, wenn Blanche ihre traurigen Momente hatte.

      Der Regisseur verkündete, dass nun das Buffet eröffnet war und die Feier beginnen könne. Das Essen war reichhaltig mit vielen Salaten, Frikadellen, Antipasti und Broten. Auch zum Nachtisch gab es eine Auswahl an Cremes, Obstsalaten und Puddings. Martin und Veronika saßen mit Leni und Gerald zusammen.

      „Jetzt erzähl mal was über die Gruppe, Gerald. Die scheinen alle sehr nett zu sein oder?“, wollte Martin wissen.

      „Ja, das sind sie. Allen voran unsere Kimberly, die Blanche gespielt hat. Sie ist total zurückhaltend und nett. Ein Schatz. Sie ist ein „Muschelkind“ und spielt schon von Kindesbeinen an. Ihre Eltern waren Gründungsmitglieder des Theaters. Ihre Darstellungen sind immer phantastisch. Dann sitzen dort drüben Katharina und Udo. Sie spielten das Paar Stella und Stanley. Die beiden sind verheiratet und haben zwei Kinder. Sie sind auch sehr angenehm und dem Verein eng verbunden. Immer wenn Not am Mann ist oder wenn Leute gebraucht werden, um etwas zu helfen, dann sind sie an erster Stelle da.“ Seine Blicke schweiften weiter. „Dann sind da noch Frederick und Manuela, sie sind auch ein Paar. An dem Tisch dort drüben sitzt Erik, der ist ein bisschen seltsam. Ein Eigenbrötler und nie richtig zufrieden mit dem, was er macht. Ja und zum Schluss gibt es noch Armin, aber über ihn kann ich noch nicht so viel sagen. Es ist das erste Stück, das er in der Muschel mitspielt. Er ist eher zurückhaltend.“

      Martin hörte genau zu und nickte ab und an. Er konnte sich aber nicht genau merken, wer nun wer war oder wer mit wem zusammen war. „Und der Regisseur?“

      „Olaf? Ja der ist toll. Er hat ein gutes Händchen mit uns allen bewiesen und ich finde die Inszenierung richtig gelungen. Er hat schon oft Regie geführt und ich würde sagen, er ist ein Halbprofi. Ich habe zwar wenige Vergleichsmöglichkeiten, aber er ist der beste Regisseur, mit dem ich bisher gearbeitet habe.“

      Martin nickte. Er bewunderte Gerald, der vollkommen aufzugehen schien in diesem Theaterverein.

      Nach und nach beendeten die Gäste ihr Essen. Die Musik wurde immer lauter und lud zum Tanzen ein. Je später der Abend war, desto ausgelassener wurde die Stimmung. Die Leute erhoben sich von ihren Plätzen, liefen herum, unterhielten sich und tanzten. Auch Martin und Veronika konnten sich nicht auf den Plätzen halten und tanzten ausgelassen mit. Nach und nach lichteten sich die Gäste. Nur das Ensemble hielt Stellung. Gegen ein Uhr nachts fiel Martin auf, wie Katharina besorgt von einem zum anderen ging. Er hörte: „Habt ihr Udo gesehen? Ich möchte gerne nach Hause gehen, aber ich kann ihn nirgends finden.“ Doch niemand schien ihn gesehen zu haben. Sie kam auch zu Martin und Veronika: „Habt ihr meinen Mann gesehen? Wir müssen unbedingt nach Hause gehen. Unser Babysitter kann ja nicht die ganze Nacht bei uns bleiben.“

      „Nein, aber wir können dir helfen ihn zu suchen. Weit wird er ja nicht sein.“ Martin und Veronika gingen die Räumlichkeiten der Muschel gemeinsam ab. Sie suchten im Foyer, dem angrenzenden Foyer 2 mit den Stühlen und den Plakaten und öffneten schließlich die Tür, auf der `Privat´ stand. Dahinter verbarg sich die Küche des Theaters. Aber auch dort war Udo nicht gewesen. Eine weiterführende Tür führte in das Stuhllager, das den Schauspielern als Aufenthaltsraum diente und in dem die ganzen Kostüme und Requisiten aufbewahrt wurden. Auch dort war Udo nicht zu finden. „Ich schau mal auf der Toilette nach“, sagte Martin und Veronika schaute vorsichtshalber auch auf der Damentoilette nach. Beide trafen sich in der Küche wieder, doch ohne Erfolg.

      Katharina öffnete eine Stahltür, die vom Stuhllager hinaus auf eine Terrasse führte. Martin und Veronika folgten ihr. Es war dunkel und sie hatten Mühe alles zu überblicken. „Udo?!“, rief Katharina. „Udo, bist du hier draußen? Wo bist du denn?“

      Da sah Martin, dass am hinteren Ende der Terrasse ein Durchgang geöffnet war. Dort brannte Licht. Vorsichtig gingen sie dort hin. „Aber das ist die Garage. Was sollte Udo denn dort in der Garage tun?“, fragte Katharina ungläubig. Als sie die Tür öffneten, stieß Katharina einen lauten, gellenden Schrei aus. „Udo!“ Udo lag zusammengekauert auf dem Boden. In der seiner Brust steckte ein Schraubenzieher. In den Mundwinkel sah man Blut. Katharina beugte sich über ihn und begann zu weinen. „Udo, Udo, bitte steh auf, bitte!“ Sie rüttelte an ihm und schrie ihn aufgelöst an. Doch er blieb regungslos. Entsetzen spiegelte sich in ihrem Gesicht wieder. Martin kniete sich neben ihn und fühlte seinen Puls. Udo war tot.

      2

      Katharina erstarrte. Die Zeit schien still zu stehen. Martin und Veronika blickten sich an. Ihnen war sofort bewusst, was zu tun war. „Schnell, ruf die Polizei!“, flüsterte Martin Veronika zu. Sogleich verschwand Veronika. Katharina saß wie versteinert neben dem Leichnam. Ihre Augen waren verschlossen und sie atmete nur flach. Martin strich ihr über den Rücken. Leise sagte er: „Es tut mir leid, Katharina.“ Dann nahm er Abstand von ihr, blieb aber in der Garage, für den Fall, dass sie Hilfe benötigte. Sie steht unter Schock, dachte er. Ihr Körper ist angespannt und zittert leicht. Martin beobachtete, wie sie langsam in sich zusammen sackte. Schnell war er zur Stelle und hielt sie in seinem Arm. Sie hatte das Bewusstsein verloren. Martin überprüfte, ob sie noch atmete. Dann legte er sie vorsichtig in die stabile Seitenlage, nahm eine Decke, die er in einem der Regale fand und deckte sie zu, damit sie nicht auskühlte. Die Sekunden vergingen nur langsam.

      Plötzlich hörte er Schritte. Er konnte die dunklen Silhouetten mehrerer Personen draußen auf der Terrasse erkennen. Dann sah er, wie Olaf, der Regisseur, einen Schritt ins Licht trat und in die Garage kam. Er starrte auf den Toten. „Also ist es wahr, was die Frau eben sagte? Es ist furchtbar!“ Er erblickte Katharina und erschrak: „Oh mein Gott, und was ist mit Katharina?“

      Gerade wollte Olaf Martin zu Hilfe kommen, da sagte dieser: „Sie ist in Ohnmacht gefallen. Sie wird bald wieder zu sich kommen. Ich kümmere mich um sie.“

      Martin hörte, wie draußen leise jemand zu weinen anfing. Dann sagte er: „Bitte, geht wieder ins Theater, es gibt hier nichts zu sehen. Die Polizei wird gleich da sein. Ich bitte euch.“

      Langsam und stumm ging die Gruppe wieder hinein. Die Musik wurde abgestellt und im Theater wurde es still. Veronika kam wieder zurück: „Die Polizei wird gleich hier sein.“

      „Gut. Wir müssen uns um Katharina kümmern.“

      Veronika strich ihr über die Wange. Dann hörten sie einen leisen Seufzer. Katharina kam wieder zu sich. Sie blickte Martin in die Augen. Schlagartig war ihr wieder bewusst, was geschehen war. Sie bat flehend „Ich muss zu meinen Kindern. Bitte, lasst mich nach Hause gehen. Ich will meine Kinder sehen, bitte!“

      Martin versuchte sie zu beruhigen und nahm sie in seinen Arm. Daraufhin fing sie zu weinen an: „Warum nur? Warum tut jemand so etwas? Was soll nur jetzt geschehen?“

      Martin und Veronika konnten die Frage nicht beantworten. Überhaupt konnten sie in dieser Situation nichts Sinnvolles sagen, was Katharina in ihrem Schmerz hätte helfen können.