Nachbarschaft mit kleinen Fehlern. Elisa Scheer

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Название Nachbarschaft mit kleinen Fehlern
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753134857



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      „Diese Verfolgung religiöser Gruppen!“

      „Wir verfolgen doch niemanden? Wir gehen doch nur davon aus, dass uns alle Bürger gerne bei der Aufklärung von Straftaten unterstützen wollen?“

      „Straftaten?“ Der Tonfall hatte dabei geradezu hysterische Höhen erreicht.

      „Straftaten kommen doch überall vor. Vielleicht können Sie uns ja behilflich sein? Sagt Ihnen der Name Manuela Schermann etwas?“

      „Schermann… Schermann…“ Er schlug die Augen zur Decke auf, als stünde dort die Antwort. Verräterische Geste, fand Anne zumindest. Und diese Augen wirkten so tot! Dieses wässrige Blaugrau… Sie rief sich zur Ordnung – niemand konnte doch etwas für eine fade Augenfarbe!

      „Schermann… nein. Und ihr Lieben?“ Er wandte sich vor allem an einen anderen Hellgrauen und einige in einer Gruppe zusammenstehende Dunkelgraue. Die schwarzgekleideten Mädchen im Hintergrund wurden ignoriert.

      Alle schüttelten gemessen den Kopf. „Schermann sagt uns nichts“, verkündete schließlich ein Dunkelgrauer.

      „Haben Sie gesagt Manuela?“, hörte man da plötzlich eine helle Stimme. Alle Grauen, egal, ob hell oder dunkel, fuhren herum.

      „Ja, Manuela Schermann, Frau…?“

      „Unsere Dienerinnen haben keine Namen, Frau Polizistin“, schnappte der Dunkelgraue.

      Anne wurde sauer. „Dann machen wir´s so richtig amtlich. Erstens heißt das nicht Frau Polizistin, sondern Frau Kriminalhauptkommissarin. Zweitens hat jeder Mensch in diesem Land einen Namen, der auch auf seinem Bundespersonalausweis steht – und kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit irgendwelchem Reichsbürgerscheiß, sonst nehmen wir Sie gleich mit. Warum Sie die weiblichen Mitglieder Ihrer – äh – Organisation als Dienerinnen bezeichnen, untersuchen wir später. Es klingt jedenfalls recht bedenklich!“

      „Reichsbürgerscheiß?“

      Anne winkte ab. „Egal. Also, die junge Frau, die gerade nach Manuela gefragt hat, heißt?“

      „Greta Scholl. Ich -“

      „Greta, du weißt, was dir in der Öffentlichkeit zukommt“, mahnte ein Dunkelgrauer.

      „Ihre Sektenregeln stehen nicht über dem Gesetz!“, schnauzte Katrin. „Also, Frau Scholl?“

      „Na, da war mal eine, aber nur kurz. Die hieß Manuela, glaube ich…“ Das klang zunehmend verzagter. „Der hat´s hier wohl nicht so gut gefallen…“

      „Wann war das denn etwa? Wissen Sie das noch?“

      Greta Scholl überlegte, von den giftigen Blicken der anderen sichtlich irritiert. „Vor zwei, drei Wochen? Genauer weiß ich das nicht mehr. Ich hab nicht mit ihr geredet. Wir sollen schweigen.“

      „Ach! Dass du dich daran noch erinnerst?“

      „Wenn Sie alle jetzt nicht mit den Einschüchterungsversuchen aufhören, nehmen wir Frau Scholl zur Befragung mit. Und Sie – und Sie am besten auch. Getrennte Befragungen natürlich.“ Anne funkelte die beiden, die Greta verwarnt hatten, an.

      „Ich habe hier das Hausrecht!“, beharrte der Hellgraue.

      „Auch wenn Sie hier den Guru geben, das Gewaltmonopol liegt beim Staat und in einem Kriminalfall dann eben bei uns. Ist das jetzt klar?“

      Verkniffenes Nicken.

      „Dann möchte ich Frau Scholl jetzt unter vier Augen befragen. Und Frau Kramer wird sich mit Herrn -? unterhalten.“ Sie wies auf den Dunkelgrauen.

      Na toll, dachte sich Katrin. Da musste sie wohl den Anne-Klon geben!

      Der Hellgraue schritt ihnen in einen engen Gang voraus und öffnete die beiden ersten Türen auf der linken Seite. „Reicht das?“

      „Naja“, machte Anne. „Muss wohl, nicht?“ Der billige Tisch und die beiden Klappstühle an der Wand wirkten wenig einladend. Dubioser Verein, fand sie und winkte Greta mit sich, die sofort die Klappstühle zum Tisch trug und sie aufstellte.

      „Müssen Sie hier die Männer bedienen?“

      Greta sah sie mit großen Augen an. „Aber so ist die kosmische Ordnung!“

      „Wer sagt das?“

      „Silverthorne natürlich. Das ist unser Gründer.“

      „Aha. Und wer noch?“

      Greta starrte sie an. „Wie meinen Sie das?“

      Anne winkte ab. Das führte vorläufig wohl nirgendwohin…

      „Sie haben Manuela Schermann hier also zumindest einmal gesehen?“ Bevor Greta antworten konnte, legte Anne einen Finger an die Lippen, erhob sich lautlos, schlich zur Tür und riss sie auf. Ein anderes Mädchen stand dicht davor. „W-wollen Sie ein Glas Wasser?“

      „Nein danke. Und drücken Sie sich nicht vor der Türe herum!“

      „Das muss ich doch?“

      „Nein, das müssen Sie nicht. Was Ihre Gurus so sagen, ist viel weniger wichtig als das, was die Polizei sagt, klar?“

      Das Mädchen ließ den Kopf hängen und schlich davon.

      „Hier geht´s ja zu!“, kommentierte Anne, nachdem sie wieder am Tisch Platz genommen hatte. „Wird hier bespitzelt?“

      „Naja, normalerweise sollen wir schweigen, da braucht man das doch nicht so sehr?“

      „Und warum sollen Sie schweigen?“

      „So können wir uns besser in uns selbst versenken und unsere Pflichten erkennen.“

      „Pflichten, aha. Rechte auch?“

      „Welche Rechte? Wir sind doch Schwarze!“

      „Ist das rassistisch oder sexistisch zu verstehen?“

      „Was? Wir tragen doch immer schwarze Gewänder!“

      „Und nur Frauen tragen Schwarz, oder?“

      „Äh – ja. Ich weiß aber nicht, ob das so sein muss. Vielleicht ist es ja Zufall, dass nur Mädchen in Schwarz und Männer in Grau hier sind.“

      „Eine ganz blöde Zwischenfrage: Was trägt eigentlich der Alleroberste, dieser Silverthorne?“

      „Oh…“ Gretas Gesicht zeigte eine Mischung aus Verträumtheit und Furcht. „Silverthorne, ja… er trägt Weiß, strahlendes Weiß…“

      Was für eine klischeehafte Farbgebung, dachte Anne.

      „Und Manuela Schermann war auch in Schwarz gekleidet?“

      „Ja, gewiss. Aber ich kannte sie kaum, sie war in einem anderen Team.“

      „Team? Könnten Sie mir da Genaueres erzählen?“

      „Naja, das ist wohl nicht so aufregend. Immer drei sind eine Gruppe, was die Arbeiten betrifft.“

      „Hier im Haus?“

      „Ja, auch. Also, putzen oder das Essen kochen oder Wäsche waschen. Aber andere Teams gehen auch raus und sprechen Leute an, ob sie nicht bei uns Selbsterfahrungskurse…“ Sie verstummte verzagt, als sie Annes grimmige Miene sah, und fuhr dann etwas munterer fort: „Oder sie singen auf dem Marktplatz und spielen auf der Sitar. Meditative Musik, wissen Sie?“

      Anne nickte resigniert. „Ja, ich kann´s mir vorstellen. Wer bekommt denn das Geld, das die Teams auf dem Markt einnehmen?“

      „Wir geben es meistens Hari. Das ist