Название | Dschungeltanz |
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Автор произведения | Aurel Levy |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738046649 |
Manchmal weiß ich es selbst nicht. Mir fällt einfach was ein und ich mache es, ohne lange darüber nachzudenken. Mochte es auch völlig blödsinnig sein. So wie ein Kind garantiert in die Regenpfütze hüpft.
Trotz Dunkelheit war ich mir sicher, wo das Bett stand und in welcher Position ich mich dazu befand. Außerdem konnte ich mich an Benny orientieren. Der schnarchte.
Wie gesagt, ein spontaner Einfall. Es gab keine Frau, es war zappenduster, ich sprang einfach. Fast ohne Anlauf. Gleich würde ich flach auf dem Bett aufdotzen. Ich hatte wie ein Skispringer artig die Flossen angelegt. Dann kam die Meldung meines Körpers: Chef, bist du sicher, dass da ein Bett steht? Sollte die Matratze nicht schon längst da sein? Sicherheitshalber zog ich die Beine an. Was soll ich sagen? Meine Knie rotierten in den Boden. Meine Handflächen erreichten wenig später den Bettvorleger. Ich krachte mit meinem gesamten Oberkörper drauf. Ein Schrei ließ sich nicht unterdrücken. Allerdings gedämpft, weil ich mit Mund und Nase im feuchten Hochflorteppich steckte. Benny schreckte hoch und riss bei der panischen Suche nach dem Lichtschalter die Nachttischlampe herunter.
Als ich ein paar Minuten später mit schmerzenden Knochen auf dem Bett lag, wurde mir klar, dass ich trotz einer unglücklichen Verkettung von Fehlern ganz schön Dusel gehabt hatte. Schuld war Benny. Er hatte sich während meines Badbesuchs auf meine Bettseite gerollt und hatte dort weitergepennt. Jener Benny drehte sich nach kurzer Bestandsaufnahme auf die Seite und sagte im Wegdämmern: »Boah, Alter, du bist sowas von unberechenbar! Vor dir hab ich manchmal richtig Schiss!«
Ich stand an der Reling der Fähre und sah die Stadt an mir vorüberziehen. Manche Reiseführer bringen ihre Begeisterung für eine Stadt mit Worten zum Ausdruck wie: »Dakar – schwarze Perle am Tor zum Atlantik« oder »Dakar – Paris des Südens« oder »Dakar – viriles Kleinod zwischen gestern und heute«. Ich sah auf die niedrigen Hütten und siebziger Jahre-Betonklötze und wettete, dass sich hier niemand solche blumigen Vergleiche ausdachte. Meine Knie schmerzten mehr als in der Nacht und ich war froh, dass Kai den Inselausflug vorgeschlagen hatte.
Die Ile de Gorée liegt in der Bucht von Dakar. Wir wollten uns das alte Gefängnis ansehen und die Ruhe der Insel genießen. Erschien mir machbar, trotz meiner geschundenen Knochen.
Seitdem ich als Kind einen Spielfilm über einen lebenslang eingesperrten Gefangenen auf Alcatraz gesehen hatte, üben Gefängnis-Inseln auf mich eine ganz besondere, düstere Faszination aus. Eine karge, von allen guten Geistern verlassene Insel macht ein lebenslänglich noch trostloser.
Somit war ich etwas enttäuscht, als wir uns nach zwanzigminütiger Überfahrt dem Hafen von Gorée näherten. Gorée sah aus wie eine stinknormale Touri-Insel mit pittoresken Häusern, Kirchen und Cafés. Sogar Bougainvilleas mit ihrer üppigen Blütenpracht gab es. Überhaupt wirkte sie nicht wie die Teufelsinsel aus Papillon, von der es kein Entrinnen gab. Ich fragte mich, ob ich nicht vielleicht doch besser einen Pooltag eingelegt hätte. Dann wäre ich wenigstens mit den Vorbereitungen zu meinem Medizinertest weitergekommen. So aber hatschte ich hinter den anderen die schmale Gangway hinunter. Meine Kniescheiben schmerzten bei jedem Schritt. Die gute Nachricht: Wir waren auf dem Weg zur Fähre an einem Markt vorbeigekommen. Und so hatte ich es geschafft, meine hinten offenen Gartenschlappen aus Gummi, die ich seit der Tauwurmsuche trug, gegen ein Paar nigelnagelneuer Adidas-Turnschuhe einzutauschen. Quietschgrün, aber saubequem. Balsam für meine gepeinigten Knochen.
Kai steuerte direkt auf den Hafenkiosk zu. Großartige Idee, hatte ich doch immer noch den Geschmack der Fischsalsa auf der Zunge.
»Weiß eigentlich jemand, wie wir zu dem ollen Gefängnis kommen?«, fragte Benny in die Runde.
Kai nickte, während er die eiskalten Colaflaschen verteilte. »Ich habs mir auf der Karte angeschaut. Die Insel ist nicht groß. Das Sklavenhaus muss irgendwo dort hinten liegen.«
»Augenblick, ich frag mal.« Daisy trat zu einem der metallenen Bistrotische, an dem ein gepflegt wirkender, älterer Herr Zeitung las. Er trug einen hellen Leinenanzug und ein graues Franzosenkäppi. Auf dem Tisch lagen eine Pfeife und ein bordeauxrotes Herrentäschchen.
»Pardon Monsieur, pouvez vous ...?«
»S'il vous plâit, Mademoiselle, was kann isch für sie tun?«, antwortete der Herr in beinahe lupenreinem Deutsch und sah Daisy fragend an.
»Wir, äh ...«
»Sie möschten das Sklavengefängnis besuchen, ab isch Rescht? Venez, isch bringe Sie in.«
Daisy starrte den Mann mit dem kurz geschnittenen, silbergrauen Bart an, als ob er ihr einen Heiratsantrag gemacht hätte. Der Mann faltete seine Zeitung zusammen und erhob sich. Er war klein und untersetzt und reichte Daisy die Hand.
»Enchanté, Mademoiselle, Papiss Demba Sangaré, Professeur für neuere, afrikanische Geschischte an der Üniversität von Dakar.«
Der Professeur gab uns allen die Hand. Dann marschierte er los. »Suivrez moi, bittschön, es ist nischt sehr weit.«
Benny war der Erste, der sich von seiner Verwunderung erholt hatte und sagte: »Also los, pack ma's.«
Monsieur Sangaré mochte um die sechzig sein, war auf seinen kurzen Beinen aber erstaunlich flink unterwegs. Er war ein begabter Erzähler. Bis wir zehn Minuten später vor dem terrakottafarbenen Bau standen, hatten wir einen kurzen Abriss der Besiedelung Dakars bekommen.
»Wo haben Sie so gut Deutsch gelernt?«, stellte Daisy endlich die Frage, die ich mir verkniffen hatte, um den Redefluss des Monsieur nicht zu unterbrechen.
»Ist leider nischt so gut.« Der Professeur lächelte ein blendend weißes Zahnpasta-Lächeln. »Isch abe in Tübin-gen studiert, s'il vous plâit. Ist aber schon lan-ge er. Wenn Sie möschten, dann komme isch mit Ihnen und erzähle ein biss-schen von der Geschischte der Sklaverei. Mon grand-père war ier auf Gorée für einige Jahre Direkteur. Informationen aus die erste And. Möschten Sie?«
Ich sah zu Kai. Der zuckte mit den Schultern. Wieder war es Benny, der reagierte. Er hatte den Zeigefinger in die Öffnung der Colaflasche gesteckt und pendelte damit hin und her.
»Super. Ist immer gut, wenn man einen Local dabei hat.«
Sangaré ließ sich Geld geben und löste die Eintrittskarten. Wenig später startete unsere Tour durch das ehemalige Sklavenhaus von Gorée. Sangaré holte aus, bevor er auf die Bedeutung des Gefangenenhauses einging. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gab es ein gut organisiertes Handelsdreieck. Schiffe fuhren mit Werkzeugen und Gebrauchsgütern von Europa nach Afrika. Mit den Erlösen der Fracht bezahlte man die Menschenjäger, die ganze Negerstämme wie Tiere einfingen (den Ausdruck Negerstamm hatte Papiss gebraucht). Die Sklaven brachte man nach Amerika, wo sie in den Südstaaten Baumwolle und Zuckerrohr pflückten. Mit dem Schiffsrumpf voller Plantagenerzeugnisse kehrten die Segler nach Europa zurück und bescherten ihren Eigentümern astronomische Gewinne. Erst das Ende des amerikanischen Sezessionskriegs durch die siegreichen Nordstaatler beendete die Sklaverei. Über zwanzig Millionen afrikanische Männer, Frauen und Kinder wurden entwurzelt und in eine grausame Zukunft geschickt.
Ein Großteil über Gorée. Der Professeur führte uns durch Kellerräume und wurde nicht müde, zu beschreiben, unter welchen Bedingungen die Menschen, zusammengepfercht wie Vieh, hier ausharren mussten, bevor sie die weite und gefährliche Seereise antreten mussten.
Die Vorstellung war beklemmend. In diesen feuchten Verliesen ohne Sonnenlicht mit all den anderen dem Tod Geweihten auf das nächste Horrorszenario zu warten. Selbst Benny, der anfangs noch über eine unbefriedigende Gesamtsituation gewitzelt hatte, war kleinlaut geworden. Endlich führte uns eine Treppe wieder nach oben. Sangaré blieb vor einer rechteckigen Maueröffnung stehen. Man sah direkt auf das im Sonnenlicht funkelnde Meer. Nach dem Rundgang durch die Katakomben verströmte dieses Bild Ruhe und Frieden. Der Professeur wartete, bis alle hinaussehen konnten, dann begann er:
»Mes amis, bittschön, ier aben wir das Tor ohne Wiederkehr, entendez?« Der Professeur deutete mit dem Zeigefinger auf das Meer. »Dort draußen warteten die grands voiliers. Die Gefangenen wurden mit Ruderbooten zu die Schiffe gebracht. Um