Название | Die Lohensteinhexe, Teil V |
---|---|
Автор произведения | Kristian Winter (winterschlaefer) |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847615361 |
Dabei war dieses Weib, eine Wäscherin mit Namen Lydia (über einen Zunamen war nichts bekannt), trotz ihrer gerade mal 18 Jahre alles andere als harmlos. Nicht umsonst verbrachte sie drei Monate im dunklen Verlies, da sie im Verdacht stand, ihr eigenes Kind getötet zu haben – durch Ersäufen wie eine Katze, wie man sagte.
Das mochte man ihr angesichts ihrer zarten Gestalt und des unschuldigen Gesichts gar nicht zutrauen. So glich sie mit ihrem schmächtigen Körper, den tiefliegenden, dunklen Augen und dem erstaunlich ausdruckslosen Gesicht eher einem unbedarften Mädchen, als einer eiskalten Mörderin. Lediglich das markante Muttermal auf der linken Wange hatte etwas Besonderes und hob sie von der grauen Masse sonstiger Bauernweiber heraus, machte sie aber auch in den Augen der Inquisition verdächtig. Sie redete auch nicht viel. Doch was sie sagte, klang erstaunlich offen und ehrlich. Schon deshalb sagte ihm sein Gefühl, dass sie unschuldig sein musste.
Dennoch wirkte etwas an ihr befremdlich. Auch wenn sie trotz ihrer Unscheinbarkeit durchaus nicht hässlich war, ja sogar etwas Einnehmendes ausstrahlte, besonders, wenn sie lächelte, blieb das für ihn irritierend. Es lächelte nur der Mund, nicht aber die Augen, welche in einer sonderbaren Starrheit verharrten und ihrem Gesicht etwas Maskenhaftes, Unwirkliches gaben.
Vielleicht war es gerade das, was ihn trotz aller Überzeugung von der Richtigkeit seiner Entscheidung dazu brachte, sie eines Abends noch einmal nach den näheren Umständen dieses doch recht schweren Vorwurfs zu befragen.
Er stellte diese Frage übrigens gerade heraus ohne große Umschweife, vielleicht in einem etwas zu harten Ton, aber doch so, dass sie um eine Antwort nicht umhinkam. Sofort nahm sie eine überaus demütige Haltung ein, kniete vor ihm nieder und wollte seine Füße küssen.
Doch er riss sie sofort empor und schleuderte sie so entschieden gegen die Wand, dass der obere Spundbalken zitterte und sie vor Angst erstarrte. Dabei legte er ihr die Hand um die Kehle und sah ihr tief in die Augen. Und bei Gott - er hätte sie auf der Stelle erwürgt, hätte sie es gewagt, ihn jetzt noch anzulügen.
Das war aber gar nicht nötig, denn sie begriff sofort. Nach einem Moment des Schweigens, in dem sich ihr Gesicht mehrfach schmerzhaft verzog, rannen ihr schließlich Tränen über die Wangen und sie begann am ganzen Leib zu zittern.
Dann aber kam sie, zunächst noch etwas zögerlich, mit der Sprache heraus und erzählte ihm etwas, was er so nicht erwartet hätte. Zu seinem Entsetzen gab sie plötzlich alles zu und das in einer Deutlichkeit, wie sie es zu einer Verurteilung nicht besser hätte passen können.
Im ersten Moment mochte er es gar nicht glauben und hielt es für eine Überreaktion infolge seiner bedrohlichen Geste. Doch sie blieb dabei und verteidigte sogar die Anklage, die mit ihrer Bestrafung nur rechtens getan hätte.
Während sie das sagte, so voller Ruhe und Gleichmut, wurde ihm für einen Moment schwarz vor Augen. Er begann zu wanken und sackte schließlich kraftlos auf den Stuhl, wo er sich, die Haare raufend, diese schier unglaubliche Geschichte anhörte.
Ja, es sei wahr. Sie habe das Kind getötet, weil es aus einer inzestuösen Beziehung mit ihrem Vater stamme; eines, das durch Hasenscharte und Wolfsrachen furchtbar entstellt und ‚unsauber‘ gewesen wäre, weil es ihr der Teufel selbst eingepflanzt habe.
Auch wenn sie die Erinnerung mit Schmerz erfülle, so würde sie es wohl wieder tun, schon um der Schande zu entgehen. Ohne nachzudenken habe sie den kleinen Körper mehrfach gegen einen Baum geschlagen. Aber als es selbst nach dem dritten Schlag noch wimmerte, musste sie es ersäufen, um ganz sicher zu gehen. Sie sagte es tatsächlich so.
Nachdem er das gehört hatte, verlor er jede Fassung. Aber die Vorstellung, einen Mord gedeckt zu haben, brachte ihn schier um den Verstand.
Völlig kopflos sprang er auf, lief vor ihr auf und ab, indes sie ihm stumm nachschaute. Mal blieb er stehen, fasste sich an den Kopf, nahm seine Wanderung dann aber wieder auf.
„Großer Gott, was habe ich getan?“, rief er aus. Und was ging ihm jetzt nicht alles durch den Kopf. Am liebsten hätte er ihr die Misericodia in den Hals gerammt. Wie brachte sie es nur fertig, ihn auch noch so emotionslos anzusehen? Hatte sie denn kein Gewissen?
Aber wie sollte sie. Ein solcher Auswurf verdiente keine Achtung. Er sollte sie auf der Stelle hinauswerfen. Dann aber, inmitten seiner Wut, erwachte in ihm eine große Angst, und er beschwor sie in einem Anflug von Raserei, mit niemandem darüber zu reden.
Doch als er sie dabei packte und unter der Frage, ob sie ihn verstanden habe, vor Angst und Entsetzen zu schütteln begann, begriff er zugleich die Unsinnigkeit dieser Forderung und stieß sie angewidert fort. Sie könne tun, was sie wolle, von ihm habe sie keinen Schutz mehr zu erwarten.
Das Mädchen aber, das in diesem Moment seinen Zustand erkannte, wagte es noch, ihm zaghaft die Hand auf die Schulter zu legen.
„Grämt Euch nicht, edler Dominus. Ihr seid frei von aller Schuld. Ich allein habe gesündigt und muss es vor Gott verantworten.“
„Woher willst du das wissen?“, fuhr er sie daraufhin an und schlug ihre Hand fort. „Woher, verdammt nochmal, soll eine gottverdammte Mörderin wie du wissen, ob ich frei von aller Sünde bin? … Wäre ich es, hätte ich dich bestimmt nicht gerettet!“
In einem Anflug der Raserei erhob er seine Faust und streckte sie mit einem einzigen Schlag zu Boden. Kurz darauf erschrak er und wich entsetzt zurück.
Was hatte er getan? Hatte er sie tatsächlich geschlagen? Zweifellos muss es so gewesen sein, denn sie lag plötzlich vor ihm. Damit nicht genug – der Hieb muss sie so unglücklich getroffen haben, dass sie rücklings gegen den Tisch gefallen und danach mit der Stirn aufgeschlagen war. Die Folge war eine Platzwunde über ihrem linken Auge, aus der dunkles Blut sickerte.
Als er sie plötzlich so reglos vor sich liegen sah, so geschunden und verletzt, kniete er erschrocken neben ihr nieder, bettete ihren Kopf auf seinen Schoß und wischte das Blut von ihrer Wange. Er verfluchte seine Impulsivität, die er in letzte Zeit nicht mehr steuern konnte.
„Verzeih mir“, wimmerte er. „Ich war nicht Herr meiner Sinne.“
„Es ist schon gut, Dominus“, erwiderte sie. „Schlagt mich, wann Ihr wollt. Es wird mir ein Segen sein, denn ich habe es verdient.“
„Du solltest so nicht reden. Selbst ein Sünder verdient Vergebung.“
„Aber nicht jemand wie ich.“
„Du bist ungerecht zu dir selbst. Nur deshalb frisst dich deine Verbitterung auf.“
Sie sah ihn daraufhin verwundert an. „Dann vergebt Ihr mir?“
Er brachte jetzt kein Wort mehr heraus. Von tiefem Mitgefühl übermannt, umschlang er sie und presste sie an sich, als wollte er seine Grobheit dadurch ungeschehen machen.
Aber als habe sie nur darauf gewartet, begann auch sie ihn sogleich zu umschlingen, schmiegte sich an seine Wange und übersäte ihn mit Küssen. Wieder und wieder berührten ihn ihre Lippen, bis sie schließlich den Weg zu den seinen fanden und mit ihnen verschmolzen.
Von einem eigenartigen Gefühl zwischen Schmerz und Wollust umnebelt, spürt er gar nicht, wie das von ihrer Stirn rinnende Blut seine Lippen benetzte, während sie ihn mit verzehrenden Küssen auf sich zog. Derart unter ihm liegend, raffte sie alsbald ihren Rock herauf, umschlag seinen Unterleib mit ihren sehnigen Beinen und bedeutete ihm ihre Willfährigkeit.
Obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte, durchfuhr ihn plötzlich eine jähe Wollust, ein Empfinden, gemischt aus lustvollem Kitzel und Sündenbewusstsein wie es ein frommer Mensch empfinden muss, der die Angst vor der Hölle spürt.
Doch das Tosen in seinem Blut samt der darin empor steigenden Glut, verdrängte jede Furcht. Wieder war es der Hauch des wilden Tieres, der ihn mit jener brennenden Süße umfing, dem etwas