Название | Poet auf zwei Rädern |
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Автор произведения | Lisa Schoeps |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847606857 |
„Ja, das passt uns großartig und ich mache uns dann allen ein schönes Frühstück.“
„Dann bis nächsten Dienstag.“ Verabschiedete ich mich, sichtlich erleichtert.
Das waren noch einmal zwanzig Mark mehr pro Woche und ein reichhaltiges Frühstück. Ich freute mich. Das sah für den Augenblick gar nicht schlecht aus. Wenn nichts Außergewöhnliches hinzukommen würde müsste ich mit dem zusätzlichen Einkommen über die Runden kommen. Ich war stolz auf mich, dass ich es mal wieder irgendwie hinbekommen hatte.
Kapitel 5
Das Verhältnis zu meinen Eltern war seit langem sehr gespannt, der Grund war meine Beziehung zu Michael. Mit der Zeit war zwar ein Stück Normalität eingekehrt, aber in den letzten zwei Jahren war viel Porzellan zerschlagen worden und eine gekittete Vase ist halt keine unversehrte. Mutter mochte ihn schlichtweg nicht, bei Vater war das etwas anderes, ich glaube er war vor allem eifersüchtig und besorgt um mich, aber er wünschte sich nichts mehr auf der Welt, als dass ich glücklich bin. Wir fanden oft nicht die richtigen Worte. Gespräche liefen schnell in eine Sackgasse. Meine Eltern waren beide Anfang fünfzig. Als Kind war ich sehr behütet aufgewachsen, meist von der Familie meiner Mutter umgeben. Meine Cousinen waren wie Schwestern für mich. Jetzt fühlte ich mich trotz alledem sehr einsam und allein.
Da war ein denkwürdiger Sommertag. Ich hatte schon von vornherein keine Lust zu meinen Eltern zu fahren, aber ich war meinem Vater zuliebe gekommen. Es wäre das Wochenende gewesen an dem Michael und ich geheiratet hätten. Während ich zu meinen Eltern fuhr, erinnerte ich mich ganz genau an den Sommer, in dem Michael um meine Hand angehalten hatte. Ich musste lächeln. Es war an meinem siebzehnten Geburtstag, wir hatten uns heimlich getroffen, da mich meine Mutter gezwungen hatte, die Ferien bei meiner Tante zu verbringen und ich Michael nicht sehen sollte. Auch das war eine dieser fragwürdigen Aktionen, die viel Bitterkeit geschaffen hatte. In meinem Gedanken zog die Zeit noch mal vorbei.
Wir stritten uns, ich bettelte, schmollte, zeterte, aber alles half nichts, letztendlich fuhr ich zähneknirschend zu meiner Tante. Meine Mutter wusste genau, dass ich in diesen sechs Wochen keinen Schritt unbeobachtet machen konnte. Ich würde im „Schutz der Familie“ leben. Das bedeutete in diesem Zusammenhang, dass der ganze Familienclan auf mich aufpassen würde. Mich auf Schritt und Tritt beobachten. Meine Tante holte mich am ersten Ferientag ab, ich packte widerwillig meine Sachen ins Auto. Brigitte und ich schwiegen eine ganze Weile, das Radio lief. Ich schmollte.
„Du wärst lieber zu Hause geblieben?“ sagte sie nach einiger Zeit.
„Ja“, antwortete ich patzig wahrheitsgemäß.
„Mit deinem neuen Freund. Deine Mutter hat mir von ihm erzählt.“
„Dann weißt du ja alles“.
„Ich kenne ihre Version“, antwortete sie ohne auf meinem unpassenden Ton einzugehen.
Ich mochte Brigitte, sie war mehr eine Freundin als eine Tante, in Vielem verstand sie mich viel besser als meine Mutter. Es herrschte wieder eine Zeitlang Stille, dann sagte ich mit voller Überzeugung in der Stimme, „Ich liebe ihn, er ist das Beste, das mir in meinem bisherigen Leben passiert ist.“
„Ich war so alt wie du jetzt, als ich deinen Onkel geheiratet habe, ein Jahr später hatte ich ein Kind. Ich kann dir nur raten: Lass dir Zeit. Lebe, gehe deinen Weg. Du bist ein kluges Mädchen. Binde dich nicht zu früh.“
„Oh, Mama hat ihn bei dir auch schon unmöglich gemacht.“
Mir standen vor Enttäuschung und Wut und der Tatsache, dass ich ihn sechs Wochen lang nicht sehen sollte, die Tränen in den Augen.
„Deine Mama macht sich Sorgen. Sie hat sich für mich auch immer verantwortlich gefühlt.“
Brigitte war viel jünger als meine Mutter.
„Mama weiß immer alles besser.“
„Erzähl mir von ihm.“
„Er ist gefühlvoll. Wir können über alles reden, er liebt mich. Er hat die schönsten blauen Augen, die du dir vorstellen kannst. Er mag Lord Byron.“
„Wie alt ist er denn?“
„Micha ist fünfundzwanzig.“
„Ein ziemlicher Unterschied, am Rande des Lebens zählen die Jahre doppelt. Deine Eltern machen sich so ihre Gedanken darüber.“
„Über was?“ Ich wusste genau was sie meinte, wollte jedoch ihre Sicht der Dinge hören.
„Darüber, warum sich ein erwachsener junger Mann auf ein Schulmädchen einlässt.“
„Könnt ihr euch nicht vorstellen das er mich auch liebt, und Liebe nicht nach dem Alter fragt.“
„Manchmal ja, aber es ist etwas seltsam. Was hat er denn gelernt?“
„Er ist Automechaniker, zurzeit ist er bei der Bundeswehr, er ist Zeitsoldat, er hat sich für zwölf Jahre verpflichtet. Was er danach machen möchte weiß er noch nicht genau.“
„Glaubst du, dass dir das auf Dauer reicht?“
„Ich kann mit ihm auch in einer Hütte leben, es ist nicht wichtig.“
„Im Moment spricht nur dein Herz, deinen Verstand hast du abgeschaltet. Mach keine Dummheiten.“
„Ich bin kein Kind mehr.“
„Genau das meine ich. Und er auch nicht. Nimmst du die Pille?“
„Nein.“
„Schläfst du mit ihm.“
Mir war die Frage unangenehm, ich antwortete trotzdem wahrheitsgemäß, „Nicht wirklich.“
„Aber dabei wird es nicht bleiben.“
„Er drängt mich zu nichts.“
„Das spricht für ihn und sein Verantwortungsbewusstsein. Lass uns gemeinsam zum Arzt gehen. Ich kann mir vorstellen, dass du mit deiner Mutter nicht darüber sprechen willst. Es ist besser.“
„Papa hat das auch schon gesagt, ich hab einen Krankenschein dabei.“
Brigitte sah mich von der Seite an, „Dein Papa ist ein kluger Mann. Ich rufe morgen bei meinem Frauenarzt an und mache einen Termin.“
Den Rest der Fahrt schwiegen wir vor uns hin, hörten der Musik aus dem Radio zu. Vor dem Termin war mir etwas Bang, aber das sagte ich nicht.
Die nächsten Wochen verbrachte ich im Laden meiner Tante, kümmerte ich mich um das Lager, kochte und putzte und spielte das Hausmädchen. Ich hatte meiner Mutter versprochen, mich in diesen Wochen nicht mit Michael zu treffen. Sie hatte es strikt verboten. Hier auf dem Land, weit weg von allem, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und mir wurde klar, dass Michael, das Wichtigste in meinem Leben war. Ich war ganz krank vor Sehnsucht nach ihm, konnte kaum essen, nicht schlafen, dacht nur an ihn, vertraute meine Gedanken meinem Tagebuch an. Ich sparte mein Geld zum Telefonieren. In Ruhe telefonieren konnte ich nur am Münzfernsprecher, dort hörte mir keiner zu.
Diese Gespräche waren unendlich kostbar für mich, seine Stimme zu hören, den kurzen Moment der Nähe zu genießen. Wir sprachen darüber wie wir uns die Zukunft vorstellten. Wir kreierten eine heile Welt, malten uns unsere kleine Familie aus und dass wir uns gegenseitig beschützen wollten, egal was käme. Wir sprachen darüber, dass wir möglichst bald zusammenziehen wollten, über Kinder und wie sehr wir uns beide Kinder wünschten. Es war als ob sich zwei Gestrandete auf einer einsamen Insel getroffen hätten und miteinander überlebten. Dieses tiefe Gefühl von Vertrautheit war viel mehr als eine Seifenblase, es schwebte, schillerte, war ganz real. Wie