Название | Die Lohensteinhexe |
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Автор произведения | Kristian Winter |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738007985 |
„Das versuchst du schon die ganze Zeit“, antwortete er und reckte ihr das Kruzifix entgegen. „Doch unter diesem Zeichen hast du keine Macht mehr. Deshalb verschwindet auch geweihtes Wasser auf deinem Leib.“
Rasch trat er auf sie zu, sprenkelte ihr zum Beweis ein paar Tropfen auf den Bauch, und siehe - bereits nach wenigen Momenten waren sie zum Erstaunen der Anwesenden nicht mehr zu sehen. „Und nun versuche nicht, mich zu beirren. Das sind nur weitere Indizien deiner Schuld.“
Wieder beginnt sie zu jammern. „Das tue ich doch gar nicht! Nur weiß ich nicht, wie ich Euch von meiner Unschuld überzeugen soll! Wohin das Wasser ist, weiß ich nicht. Aber es ist so warm hier, da verfliegt es schnell. Ich glaube, dass Ihr das ebenso gut wisst wie ich.“
„Du wagst es?!“, empörte sich der Magister, verstummte jedoch gleich wieder, denn das Wasser verlor durch eine Zusatztinktur tatsächlich an Spannkraft und verflüchtigte sich leichter. Das konnte sie aber unmöglich wissen. Die Rezeptur war streng geheim und nur im engsten Kreis des Tribunals bekannt. Wenn doch, war es nur ein weiteres Zeichen ihrer Magie.
„Ich bitte euch, Dominus“, flehte sie erneut. „Verschont mich, und ich werde Euch zu willen sein wie immer ihr es wollt. Aber bitte, tut mir das nicht an! Ich habe solche Angst.“
„Schweig, du Vermaledeite! Eine solche Schamlosigkeit ist typisch für eine Verworfene wie dich! Aber dein Zauber ist hier unwirksam. Es gibt nur einen Weg zur Erlösung - die Wahrheit!“ Seine Faust donnert auf den Tisch.
„Aber ich kann doch nicht! … Das ist wider Gottes Gebot, das ihr selber predigt! Wie sollte ich da …“
„Der Mut zur Wahrheit ist immer eine schwere Bürde. Wer ihn aber nicht findet, muss zu ihm geführt werden!“, rief er und gab das Zeichen. Daraufhin drückte man ihr die ‚Pfeife‘ genannte Holzklammer in den Mund, jenes mit Schnüren um den Kopf befestigte Instrument, das die Schreie des Opfers dämpfen soll.
Schon sengte sich unter leichtem Zischen das glühende Eisen in ihre Seite. Panisch wand sie sich in den Ketten, verdrehte die Augen und versuchte, die Füße aus der Verkeilung zu befreien, woraufhin sich diese nur noch mehr verquerten. Blut rann aus den Wunden. Noch einmal bäumte sie sich auf. Dann erschlaffte sie.
Der Gestank verbrannten Fleisches lag in der Luft. Die Wärme der Fackeln und die Glut des Messingtroges schufen eine stickige Schwüle. Der Magister tupfte sich die Stirn.
Er hatte nicht zugesehen, obgleich es seine Pflicht gewesen wäre. Das war den Zeugen nicht entgangen. Ihm war heiß und unerträglich stickig, so dass er sich die Halskrause aufzog. Er wusste, dass sie sich fügen wird, spätestens nach wiederholtem Einbrennen. Er hat das schon oft erlebt. Die meisten gestehen dann, allerdings willenlos, im Zustand der Apathie, so dass es nicht unbedingt glaubhaft wirkt. Das war zwar nicht befriedigend, wurde aber rechtlich anerkannt. Manche blieben aber auch störrisch, vertrauten auf Gott, der sie längst verlassen hat.
Dann folgte als Letztes die ‚hochnotpeinliche Befragung‘, wobei sie der Henker aufs Härteste ran nahm und nicht selten den Rand des Ablebens erreichte, ohne ihn jedoch zu überschreiten. Darauf verstanden sich nur versierte Meister des Quälens. Der Heutige war einer davon.
Aber der Magister wollte ihr das ersparen. Sie war so zart, wirkte so rein, so ganz anders als die gemeinen Bauernhuren, die bei der Tortur wie die Säue quiekten. Darüber hinaus schien sie von scharfem Verstand. Ihre Antworten kamen klar und waren von bestechender Logik.
Gestern noch hatte sie die unzüchtigen Unterstellungen eines Zeugen mit einem Psalm aus der heiligen Schrift pariert und damit das ganze Tribunal verblüfft. Antwortete sie doch auf die Frage, warum sie dem Tribunal Voreingenommenheit vorwerfe, in bestem Latein: ‚Ubi libido dominatur, innocentiae leve praesidium est‘. (Wo die Begierde gebietet, hat die Unschuld schwache Schutzwehr)
Beim Himmel! So etwas war ihm noch nie untergekommen. Das jagte ihm Furcht ein.
Jetzt trat er vor sie hin und entfernte die Klammer, obwohl die ersten 15 Minuten noch nicht vorüber waren. Dann goss er ihr einen Zuber mit kaltem Wasser über den Leib, woraufhin sie zusammenzuckte. Ihr irrer Blick wanderte ziellos umher und blieb schließlich an ihm hängen.
„Confiteor!“ schrie er, was nichts anderes als ‚Bekenne‘ heißt, malte das Kreuz in die Luft und versprach, sie zu erlösen.
Sie murmelte etwas Unverständliches, so dass der Büttel herantreten und sich zu ihr herab neigen musste. Doch kaum kam er ihr näher, rotzte sie ihn an, und er wich erschrocken zurück.
Der Magister war irritiert und wusste nicht zu reagieren. Sofort setzte der Büttel die Tortur fort, noch bevor er das Zeichen dazu bekommen hatte. Mit aller Kraft drehte er die schwere Kurbel, bis ihr Leib gestrafft in einer absurden Schwebe verharrte. Speichel rann aus ihren Mundwinkeln. Ihre Schreie hatten nichts Menschliches mehr. Die Anwesenden zeigten keine Regung. Der Magister, starr vor Schreck, griff sich ans Herz.
Wieder flehte sie um Gnade, dabei immer wieder ihre Unschuld beteuernd, worauf ihr Vater zusammensank. Doch der Magister wusste längst mehr. Sie würde gestehen, spätestens, wenn ein erstes Knacken Wirkung zeigt, wenn die Sehnen bersten und der Schmerz sie in den Wahnsinn treibt. Noch ein Ruck und noch ein Ruck. Der Büttel zerrte mit aller Kraft an der Kurbel.
Verdammt! Wann gibt sie endlich auf! Kein Mensch kann so etwas ertragen.
Noch war sie störrisch wie ein Ziegenbock. Dann aber überstreckte sie den Kopf in den Nacken, drang ein gellender Schrei aus ihrer Kehle, und sie begann hastig zu nicken.
Endlich!
Sie schien gebrochen. Eine Spur der Erleichterung huschte über des Magisters Gesicht und er ordnete sofortiges Innehalten an. Aber er wusste auch, dass manche nur neue Kraft tankten, um danach nur noch störrischer zu werden. Schon deshalb durfte er jetzt nicht nachlassen.
„Rede, Weib! Willst du gestehen, dann will ich dich erhören“, setzte er sogleich nach, in der Hoffnung auf ihre Vernunft.
Sie nickte.
„Dann ist deine Seele noch nicht verloren.“ Sofort lockerte er ihre Ketten, wischte ihr den Speichel vom Kinn und stabilisiert ihre Lage. Um sie besser zu verstehen, kniete er neben ihr nieder, umfasste ihre Hand und wickelte zum Zeichen seines Vertrauens das Velum genannte Schultertuch des Priesters darum. Das verdutzte die Anwesenden.
Sie zitterte noch immer. Die erlittenen Qualen lähmten ihre Zunge. Er kannte das. Es war jene Schockstarre, die den Körper in einen Dämmerzustand versetzt. Erst ganz allmählich wurde sie ruhiger, ihr Atem gleichmäßiger, und ihre Sinne kehrten zurück.
„Sei ohne Furcht, mein Kind. Es ist vorüber. Wir leiden mir dir … Und nun rede. Sage mir alles, was dich bedrückt, und ich werde es verstehen.“ Fast fühlte er sich versucht, ihr tröstend übers Gesicht zu streichen, wusste es aber zu unterdrücken.
Sie holte tief Luft, schloss die Augen und seufzte: „Macht das nie wieder, hört Ihr? Falls doch, werdet Ihr ebenso enden wie ich. Das ist mein Fluch über Euch.“
Diese Bemerkung verwirrte ihn. Sie konnte nur Folge ihres Durcheinanders sein.
„Es ist schon gut. Wenn du jetzt die Wahrheit sagst, wirst du nicht länger leiden. Ich verspreche es.“
„Schwört es, bei allem, was euch heilig ist!“
„Ich schwöre es.“
Nachdem er diesen Eid geleistet hat, schien ihr Widerstand gebrochen. Kaum zu Atem gekommen, gestand sie und das so schnell, dass es der Schreiber kaum protokollieren konnte.
So gab sie zu, verhext zu sein und zaubern zu können, mit dem Teufel gebuhlt zu haben und dessen Schandmal an sich zu tragen. Sie sei auch schon auf einem Besen geritten und habe im Kreis der Dämonen einen ganzen Krug gegorener Jauche gesoffen; ein Schwein wäre ihr Bruder, und geboren wäre sie in einer Neumondnacht unter einer abgestorbenen Weide, in welcher Raben nisten.
Die Züge des Magisters verfinsterten sich. Noch niemals wurde er so infam gedemütigt.