Die Verbannten von Neukaledonien. E.R. Greulich

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Название Die Verbannten von Neukaledonien
Автор произведения E.R. Greulich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738010695



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des Gouverneurs abhängig, erfuhren wir später. Ich gedachte keine fünf Jahre zu warten und war gewillt, mich früher und ohne Erlaubnis zu verabschieden. Das hatte ich Manon und mir geschworen, und ich gedachte nicht, den Schwur zu brechen.

      Die Nahrung wurde jeden Morgen ausgegeben: 250 Gramm ranziger Speck, 750 Gramm Zwieback, 100 Gramm gedörrte Bohnen und 16 Gramm Kaffee. Zur Abwechslung gab es manchmal für den ranzigen Speck intensiv riechendes Pökelfleisch, für den eisenharten Zwieback butterweiches schimmliges Brot. Die Bohnen besaßen auch nach drei Tagen des Weichens in Wasser noch ihre felsenfeste Konsistenz, wir kamen schließlich darauf, sie zwischen zwei Steinen zu zermahlen. Da wir nicht einen Span Holz geliefert bekamen, gab es bald rings um das Lager auch nicht die Spur von Brennmaterial. So befanden wir uns in zivilisatorischer Hinsicht auf dem Lebensniveau der Papuas, wir aßen das meiste Essbare roh.

      Der Wassermangel gehörte zu den schlimmsten Übeln. Da war kein Bach, nicht die kleinste Quelle. Ohne das Meer ringsum und die Regenzeit wäre Ducos eine Wüstenei gewesen - es gab ohnehin noch zahlreiche Einöden, weiter oben, mit nacktem Fels und unfruchtbarem Sand. Das Trinkwasser brachte man in Fässern auf Booten von Nouméa, es war selbst für die Wachsoldaten und Verwaltungsbeamten teurer als französischer Landwein. Doch wer möchte sich, nicht ab und zu einmal waschen, von der Kleiderreinigung zu schweigen. Später, in der Regenzeit, legten wir primitive Auffangbecken an und lebten einige Tage in Saus und Braus, wuschen uns morgens und abends, doch in der darauffolgenden Hitze wurde das köstliche Himmelsnass schnell faulig.

      In dem bald mehrere tausend Insassen zählenden Verbannungslager befanden sich Männer der nützlichsten Berufe. Es gab Maurer, Zimmerleute, Schmiede, Schreiner, Drechsler, Steinsetzer, Klempner, Schlosser, nicht zu vergessen Mechaniker, Buchdrucker, Goldschmiede und Graveure. In Ducos befand sich eine Auswahl französischer Arbeiterintelligenz, der Idealfall für eine Kolonie. Und wir waren von fast krankhafter Sehnsucht nach Arbeit geplagt. Darum nahmen alle außer den, Kranken und Invaliden die anfangs gebotene Arbeit an: Straßen- und Wegebau, Erdarbeit an Gräben und Wällen für einen Franc je Tag. Das war etwas mehr als die Hälfte dessen, was die eingeborenen Plantagenarbeiter auf der Insel bekamen. Wir hätten auch für fünf Centimes gearbeitet, denn dieser Hundelohn war die einzige Möglichkeit, sich einige Selbstverständlichkeiten des zivilisierten Europa zu verschaffen, wie Seife, Tabak, ein Fläschchen Wein oder Rum sowie zusätzliche Nahrungsmittel. Der Wohlstand währte nur einige Monate, dann wurden vom zuständigen Marineministerium die Zahlungen für sämtliche begonnenen Arbeiten gestrichen. Das graue Elend von Neukaledonien begann, an der Verurteilung zum Nichtstun litten die Deportierten mehr als unter dem Fortfall der Entlohnung.

      Ein Lichtblick in dieser Misere waren die Frauen von Ducos. Achtzehn Kommunardinnen, von Boulevardgazetten und honorigen Zeitungen als "Petroleusen" diffamiert, waren wie wir verurteilt worden zur Deportation nach einem festen Platz. Meist waren sie als Samariterinnen in Lazaretten tätig gewesen. Das betrachtete man als Angriff auf die Regierung. Viele Monate verbrachten sie im Zentralgefängnis von Auberive, und schließlich erfuhren sie, dass man sie nach einer Niederlassung freigelassener Galeerensträflinge deportieren wollte. Sie drohten, sich zu töten, sollte dieser Gerichtsbeschluss nicht geändert werden. Der energische Protest hatte Erfolg, und so landeten sie auf Ducos. Seitdem wohnen sie in einer separaten Baracke. Wenn man weiß, dass zu ihnen Frauen gehören wie Louise Michel und Natalie Lemel, dann wird man glauben, dass es bei den achtzehn Kommunardinnen vorbildlich zugeht in Bezug auf Disziplin, Lauterkeit und Zuversicht. Stets haben sie ein ermutigendes Lächeln und gute Worte bereit, ihr Beispiel beeinflusst die Stimmung im Lager positiv, Seitdem die Frauen da sind, ist meine Sehnsucht nach Manon wahrlich nicht kleiner geworden. Wie würde es sein, wäre sie hier? Stände mir die Entscheidung darüber zu, sie herzuholen, was würde ich tun? Kann man einer verwöhnten Frau wie Manon dieses Leben zumuten? Fast alle Kameraden mit Ehefrauen oder Freundinnen in der Heimat verneinen das. Kaum einer, der nicht betont, eine Frau müsse unter derartigen Umständen krank werden, früh altern, und bei solchem Dasein verdorre langsam auch die Liebe. Ich musste den Männern recht geben, meine Hochachtung vor den achtzehn Tapferen wuchs, und wenn ich an eine kränkliche, zu früh gealterte Manon dachte, schämte ich mich meines Egoismus, der sie gern hier gehabt hätte. Es gab nur die Flucht, um bald wieder mit ihr vereint zu sein. Ich musste es als Trost nehmen, dass fast alle Deportierten der Meinung waren, sie könnten ihren Frauen dieses Leben nicht zumuten. Die Thiers-Regierung war nicht der Meinung. Ständig bemüht, dem französischen Volk zu beweisen, wie die Deportierten mit Wohltaten überschüttet wurden, hatte man noch Schäbigeres ausgeheckt als die Komödie mit den Gnadengesuchen. Obwohl sie es nicht beantragt hatten, erhielt eine Anzahl Deportierter die Mitteilung, ihre Familie sei auf dem Weg zu ihnen. Bestürzt und ratlos verlangten sie von der Gefangenenverwaltung, Genaueres zu erfahren, doch die schwieg sich aus.

      Nachdem die Frauen und Kinder, marode von der monatelangen Seereise, aus dem Handelsschiff "Fenelon" ausgeschifft waren, erfuhren wir des Rätsels Lösung. Die Zentralverwaltung des Marineministeriums in Paris hatte an die tausend Frauen von Deportierten vorgeladen. Ein Beamter hatte ihnen ein bezauberndes Bild von Glück und Wohlstand in Neukaledonien vorgezaubert. Natürlich würde man sie mit einem modernen Dampfschiff befördern, und gleich nach ihrer Ankunft bekämen sie Wohnung nebst einem Stück Land zugeteilt sowie ein kleines Kapital an Werkzeugen, Haustieren und Sämereien. Eine Übersiedlung sei der beste Weg, die Lage des verurteilten Gatten zu verbessern. Fünfundsiebzig Frauen erlagen den Sirenenklängen, bei den anderen hatte sich das Misstrauen nur vertieft, und sie weigerten sich, einen entsprechenden Antrag zu unterschreiben.

      Die unglücklichen Frauen, die aus Sehnsucht und in bester Absicht zugestimmt hatten, wurden in Le Havre auf der "Fenelon" mit, einem Transport Prostituierter zusammengepfercht, die, um eine angedrohte Verurteilung in Frankreich abzuwenden, zugestimmt hatten, freigelassene Galeerensträflinge einer Strafkolonie zu heiraten. Den Preis für diese Ungeheuerlichkeit, ausgedacht für die Mildtätigkeitspropaganda des Ministerpräsidenten Thiers, mussten völlig schuldlose Geschöpfe bezahlen. Als die "Fenelon" auf der Reede von Nouméa Anker warf, fehlten neun Kinder. Sie waren an den Zuständen während der fünfmonatigen Schiffsreise gestorben. Die Zusage von Wohnung, Land, Werkzeugen und Haustieren wurde von den Beamten der Verwaltung als Phantasterei der Frauen abgetan. Auf eine Petition der Betroffenen an den Statthalter, einen standesstolzen adligen Gouverneur, erwiderte dieser, er habe niemandem etwas versprochen, also schulde er auch keinem etwas, nicht einmal ein Rückreisebillett, falls die enttäuschten Damen beabsichtigten, ins Heimatland zurückzukehren.

      Man behandelte die Frauen auf Ducos wie Sträflinge. Gerade die fleißigsten wollten dem Elend tatkräftig begegnen, indem sie versuchten, in Nouméa irgendeine Arbeit zu finden, als Bürogehilfin, Köchin, Dienstbotin oder auf Gehöften und Plantagen rings um die Hauptstadt. Dies stand ihnen als unbestraften Bürgerinnen Frankreichs frei, es gab kein Gesetz, das es untersagt hätte. Dennoch wurde es ihnen schwer gemacht. Für jeden Besuch Nouméas wurde eine schriftliche Eingabe verlangt, auf die hin dann ein Passierschein bewilligt - oder auch abgelehnt wurde. Ohne einen solchen Schein setzte niemand die Frauen über, weder die Kaufleute und Händler, die mit ihren Booten Ducos versorgten, noch die Matrosen der Wachboote und Marineschaluppen. Wie aber sollten die Frauen eine Arbeitsstelle bekommen, wenn ihr tägliches Erscheinen derart in Frage gestellt war.

      Welch ein Glück, dass Manon keine verehelichte Grousset ist, ging es mir des Öfteren durch den Sinn. Ganz sicher hätte sie, wie die meisten vorgeladenen Ehefrauen den Schwindel durchschaut, dennoch bin ich mir nicht sicher, ob ihre Sehnsucht nicht größer als jeder Vorbehalt gewesen wäre und sie sich den fünfundsiebzig Frauen angeschlossen hätte.

      VIERTES KAPITEL

      Tausend gegen zwei

      Bootsmann Gaston Brissac hatte sich mit dem Boot schnell vom Kai entfernt, doch je näher er der "Plymouth" kam, desto langsamer wriggte er. Weniger wütend als sorgenvoll, dachte er, was mache ich mit Kenton? Käpt'n Darnbridge wird den Stänker drei Tage bei Wasser und Brot einsperren, und Kentons Rachsucht macht mir das Leben schwer.

      Kenton gab Lebenszeichen von sich. Er richtete sich auf und schüttelte den Kopf, als hätte er Wasser in den Ohren. Brissac kam eine Idee. "Der Käpt'n wird wissen wollen, weshalb