Die Falle. Emanuel Müller

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Название Die Falle
Автор произведения Emanuel Müller
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738036053



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Vorortes, durch den sie gerade fuhren. Als Phelan langsamer wurde, sah er eine kleine Frau mit einem Wanderrucksack am Straßenrand stehen. Sie hatte dunkle, kurze Haare und trug teuer aussehende Wanderkleidung, als wäre sie geradewegs einem Jack-Wolfskin-Katalog entsprungen. Ein knallgelbes Tuch zierte ihren Hals und sie hatte sich eine schwarze Sonnenbrille frech in die Haare geschoben. Gelassen blickte sie dem VW-Bus entgegen.

      »Deine Frau?«, wollte Daniel wissen. Seiner Meinung nach musste jemand mit einem ähnlichen Kleidungsstil wie Phelan einfach mit ihm zusammenleben.

      »Ich bin unverheiratet.« Phelan brachte den Wagen direkt vor der Frau zum Stillstand, die daraufhin den Rucksack anhob, als wäre er nur mit Watte ausgepolstert, und ihn zur Heckklappe schleppte.

      »Ach so. Dann ist es deine ...?«

      »Meine Assistentin.«

      Daniel wandte sich nach hinten, um zu beobachten, wie sie den Rucksack mit Leichtigkeit einlud und wieder nach vorne kam. »Verstehe ...«, brummte er. Die Beifahrertür wurde aufgerissen und sie sah grinsend herein. »Rutschen Sie mal!«, rief sie fröhlich. Daniel rückte auf den mittleren Sitz und die Frau schwang sich ins Auto, so dass Daniel jetzt zwischen ihr und Phelan saß. Kaum hatte sie die Tür geschlossen, fuhr Phelan mit quietschenden Reifen an und wendete den Wagen, um zur Autobahn zurückzukommen.

      »Ich bin Bea«, sagte die Frau und streckte ihm die Hand hin.

      »Ähm, Daniel. Ich wusste gar nicht, dass Sie mitkommen.«

      »Macht nix!«

      Phelan sah auf die Uhr. »Wir werden am frühen Nachmittag in Wernigerode sein. Dann haben wir genug Zeit, das Sanatorium zu finden.«

      »Wernigerode?«

      »Ja, dort in der Nähe beginnt die alte Zufahrtsstraße, die einst zum Sanatorium führte. Freilich für das Auto nicht mehr passierbar, aber zu Fuß die kürzeste Strecke.«

      »Eine Zufahrtsstraße?«

      »Wenn Sie alles wiederholen, was er sagt, brauchen wir noch eine Weile«, bemerkte Bea.

      »Äh ... Sorry.« Daniel bedachte sie mit einem irritierten Seitenblick und wandte sich dann wieder an Phelan, der sichtlich schmunzelte. »Und was machen wir dort? Reingehen und Aubuchon rausholen?«

      »Oh, er wird nicht da sein.«

      »Warum nicht?«

      »Weil das nicht klug von ihm wäre«, warf Phelans Assistentin wieder ein. Die Antwort fand Daniel ganz schön dürftig, er verzichtete aber auf weitere Nachfrage. Stattdessen fragte er: »Wenn er nicht dort ist, was machen wir dann da?«

      »Wir suchen natürlich nach Hinterlassenschaften. Denk dran: Unser Auftrag ist es, Waldemar Brandes zu finden, nicht Dr. Aubuchon!«

      »Stimmt ... Wobei Aubuchon zu finden wäre auch nützlich, oder?«

      »Ohne Zweifel«, stimmte Phelan zu.

      Bea berührte die Narbe an Daniels Arm, der ihn schnellstens wegzog. »He, lassen Sie das!«

      »Was haben Sie denn da gemacht?« Neugierig grinste sie ihn an.

      »Kleiner Unfall mit Aubuchons Schoßhündchen!«, giftete er zurück.

      »Hey, nicht gleich beleidigt sein!«

      »Jetzt hört auf, euch zu streiten«, tadelte Phelan.

      Bea zwinkerte Daniel zu und zog ein iPad aus ihrer Umhängetasche. Daniel schielte zur Seite, um zu erkennen, was sie darauf machte, doch sie zog es demonstrativ weg und hielt es so, dass er nichts sehen konnte. Seufzend starrte er auf die Straße.

      Maria zückte ihr Handy. Eine neue Nachricht.

      Dr. Braden ist jetzt am Brocken angekommen. Er wird deinen Mann sicher finden.

      Sie überlegte kurz und tippte dann: Danke. Ich glaube, dieser Dr. Braden war wirklich eine gute Empfehlung. Danke nochmals dafür.

      Nur Sekunden später kam die Antwort: Lovely. Immerhin kann ich damit auch eigene interests verfolgen. In den nächsten Stunden bin ich nicht zu erreichen, aber mach dir keine Sorgen. Wenn du möchtest, können wir uns im Harz treffen, dann kann ich dir die neuesten News aus erster Hand weitergeben. Mehr dazu später.

      Ohne über die nähere Bedeutung der letzten Nachricht nachzudenken, legte Maria das Handy zur Seite. Sie hatte diese geheimnisvolle Person im Internet kennengelernt, kurz, nachdem der Privatdetektiv verschwunden war. In einem Internetforum hatte sie nach Hilfe gesucht. Der Fremde hatte den Nicknamen B-Wulf getragen und ihr Dr. Phelan Braden ans Herz gelegt. Nachdem Maria im Internet einige positive Dinge über Braden gelesen hatte, hatte sie sich schließlich entschlossen, ihn aufzusuchen. Und in der Tat musste es eine gute Idee gewesen sein. Doch sie sollte sich besser nicht zu früh freuen. Peter Rost war auch so weit gekommen, jedoch vom Brocken nie wieder zurückgekehrt. Hoffentlich verschwand nicht auch Dr. Braden spurlos. Dass dieser Fremde sie jetzt auf ein Treffen einlud, war allerdings überraschend. Eigentlich hatte sie alles Dr. Braden überlassen wollen. Vielleicht sollte sie ihn anrufen und von der Kommunikation mit dem Unbekannten berichten? Aber das konnte sie später immer noch tun. Erst einmal abwarten, was er in der nächsten Nachricht schrieb.

      Der VW-Bus bremste abrupt und legte sich in eine scharfe Kurve. Daniel, der in der letzten Stunde vor sich hingedöst hatte, riss die Augen auf, als er gegen Bea geschleudert wurde. »Phelan, um Himmels willen!«

      Inmitten einer Staubwolke kam der Wagen zum Stillstand. Phelan war von der Landstraße jäh auf einen Schotterweg abgebogen, der mitten in den dichten Wald führte. Dabei hatte er das Fahrzeug anscheinend nicht abgebremst und war danach mit einer Vollbremsung zum Stehen gekommen. Daniel schaute sich erschrocken um. Der Ermittler zog gelassen die Handbremse und schaltete den Motor ab, als hätte er soeben auf einem Supermarktparkplatz eingeparkt.

      »Er hat das Einparken so auf der Geheimagentenschule gelernt«, grinste Bea, was ihr einen scharfen Blick von Phelans Seite einbrachte.

      »Geheimagentenschule?«, wollte Daniel neugierig wissen.

      »Das war ein Witz, Sie Spaßbremse!«, sagte Bea, jedoch nicht sehr überzeugend. Phelan öffnete die Fahrertür und sprang heraus. »Dahinten ist es!«

      Daniel starrte den Feldweg entlang und konnte in der Ferne ein Backsteingebäude erkennen. »Das ist schon das Sanatorium?«, fragte er verwundert.

      Bea war inzwischen auch ausgestiegen. »Natürlich nicht, doch nicht so nah an der Straße!«

      Daniel folgte den beiden und schulterte seinen Rucksack.

      »Das ist das ehemalige Verwaltungsgebäude der Anlage«, erklärte Phelan. »Die eigentliche Klinik befand sich etliche Kilometer weiter den Brocken hinauf. Hier unten ist heute ein Gasthaus untergebracht.« Nachdem er den VW-Bus sorgfältig verschlossen hatte, liefen sie los. Sie wanderten am Restaurant vorbei, welches nicht gerade vor Gästen überzuquellen schien, und tauchten im dichten Wald unter. Die Geräusche der Straße traten in den Hintergrund und wurden durch das Rauschen der Bäume und Vogelgezwitscher ersetzt.

      »Schön hier«, stellte Bea fest.

      »Mag sein. Aber wenn man einmal mitten in der Nacht bei hohem Schnee von einer Meute Wölfe quer durch den Wald gejagt wurde, kann man dem irgendwie nichts mehr abgewinnen«, entgegnete Daniel. Bea sah ihn pikiert an. Dann warf sie einen Blick auf ihr Handy. »Gar kein Empfang hier!«

      »Der dichte Wald wird das Signal abschirmen«, meinte Phelan. »Auf dem Gipfel des Brockens dürfte das anders aussehen, doch bis dorthin wollen wir ja nicht.«

      Der Weg wurde schmaler und zugewucherter, bis er lediglich noch ein dünner Trampelpfad war. Von links und rechts ragten Büsche hinein. Ab und zu mussten sie Bäume umrunden, die mitten auf dem Pfad wuchsen.

      »Da hätten wir auch gleich quer durch den Wald laufen können«, beschwerte sich Bea.

      »Der Weg ist seit Jahrzehnten unbenutzt«, erklärte Phelan. »Einst war er breit genug, dass man mit Lastwagen bis zur