Mord im ersten Leben. Dirk Lützelberger

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Название Mord im ersten Leben
Автор произведения Dirk Lützelberger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752993837



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Schritte von Phil und senkte ihre Stimme.

      »Er ist immer noch sehr in sich selbst gekehrt und redet kaum ein Wort mit mir. Mit meiner Mutter scheint er prima klar zu kommen. Als wir sie vorhin abgeholt hatten, war er wie ausgewechselt. Ich hoffe nur, dass er sich mir bald wieder anvertraut.«

      Stefan überlegte kurz, ob er ihr offen entgegnen sollte, dass ihr Sohn auch in der Vergangenheit mehr mit seinem Vater unternahm als mit ihr. Bis zur Normalität würde es ein langer Weg werden. Er entschied sich dagegen und versuchte Gwen eher Mut zu machen. »Ich bin mir sicher, dass Du mit etwas Geduld und Deiner bezaubernden Art bald eine Brücke zu ihm schlagen wirst.«

      Gwen schluckte schwer, als sie seine liebevollen Worte vernahm. Dann aber sagte sie sich, dass Stefan ein Kollege war und ihr Mann vor gerade einmal einer Woche verstarb. Sie musste sich zusammenreißen und nicht gleich dem Nächstbesten in die Arme fallen. Sie würde das alleine hinbekommen.

      »Auf der Rückfahrt könnt ihr ja noch zu McDonalds gehen, oder?«, schlug Stefan vor. »Das lieben doch alle Kinder!«

      »Das ist eine hervorragende Idee, zumal ich für heute Abend noch gar nichts zu essen vorbereitet habe.«

      »Dann sehen wir uns morgen wieder im LKA? Ich freue mich auf Dich! Halt die Ohren steif. Du schaffst das schon!«

      »Ja, mache ich. Ich freue mich auch schon. Tschüss!«

      Die letzten Worte hauchte Gwen geradezu ins Telefon, fast unfähig weitere Abschiedsworte zu finden, und legte auf.

      Sie drehte sich wieder zu Phil und ihrer Mutter um und bemerkte dabei zu spät, dass ihr Sohn dem Ende des Telefonates zugehört hatte. Enttäuschung und Eifersucht lag in seiner Stimme, als er murmelte: »Du bist gar nicht gerne mit uns zusammen und freust Dich schon wieder mehr auf die Arbeit, als die Zeit hier mit mir zu verbringen.« Dann wandte er sich ab und ging schnurstracks in Richtung Seepferdchen.

      Die nächsten Stunden grübelte Gwen vor sich hin und trottete ihrem Sohn und ihrer Mutter in einigem Abstand hinterher. Phil hatte in der Vergangenheit schon immer viel mehr mit seinem Vater, als mit ihr unternommen. Sollte dies etwa das Problem sein, welchem sich Gwen nun gegenübersah? Warum hatte sie es nur soweit kommen lassen? Die beiden Männer hatten einfach mehr gemeinsame Interessen, solche ›Männerdinge‹, sinnierte Gwen. Aber trotzdem hätte sie sich mehr mit einbringen müssen. Vielleicht hätte sie auch mehr Vorschläge für gemeinsame Unternehmungen oder Kinobesuche machen sollen. Aber stattdessen war sie mehr in ihrer Arbeit vertieft gewesen und war oft spät nach Hause gekommen. Es war kaum noch Zeit, um Abendbrot zu machen und ihr Sohn musste dann schon wieder ins Bett. Am Wochenende hatte sie viel im Haushalt zu tun und wenn sie einmal eine Stunde oder auch zwei für sich selber hatte, liebte sie es zu lesen oder auch einmal nichts zu tun. So vergingen die Jahre in immer dem gleichen Trott und sie bemerkte nicht einmal, wie die Bindung zwischen Vater und Sohn immer stärker wurde. Und auf einmal ist alles anders, beendete Gwen ihre Gedanken und schaute auf die Uhr. Sie ging wieder schneller und schloss zu Phil und Beth auf.

      »Wir müssen so langsam wieder an die Heimfahrt denken. Habt ihr Hunger? Wollen wir vielleicht noch bei McDonalds in Eutin einen Stopp einlegen?«

      Gwen beobachtete Phil genau und ihr fiel ein Stein vom Herzen als er lächelnd erwiderte: »Ich habe Hunger auf einen Cheeseburger!«

      »Das ist doch prima! Und Du Mutti? Hast Du auch Hunger auf einen BigMac oder so?«

      »Du kennst mich doch Gwen, ich mache mir nichts aus dem Burgerzeug, aber ich komme gerne mit. Es gibt doch mittlerweile auch leckere Salate, oder?«

      »Aber klar!«, erwiderte Gwen rasch. Sie war froh, dass die Idee ihres Kollegen so guten Anklang gefunden hatte.

      »Und Phil, auf dem Weg dahin, kannst Du Dir schon mal überlegen, was Dir der Weihnachtsmann Schönes bringen könnte. Es ist schließlich nur noch einen Monat bis zum 24. Dezember und die Zeit wird rasend schnell vergehen.«

      Der Halt bei McDonalds befriedigte alle Wünsche. Phil bekam seinen Cheeseburger, Beth hatte ihren Salat und Gwen genehmigte sich einen Wrap. Gesättigt und träge setzten sie sich wieder ins Auto und Gwen startete den Motor. Es dauerte keine zehn Minuten, bis Phil auf der Rücksitzbank eingeschlafen war. Das gleichmäßige Vibrieren des Motors und der monotone Klang ließen Phil immer schnell einschlafen. Das wusste Gwen noch aus den Tagen, als sie Phil im Kinderwagen herumgefahren hatte. Manchmal, wenn er nicht einschlafen wollte, war dies die einzige Möglichkeit, ihn doch noch zum Schlafen zu bewegen. Der Kinderwagen war Vergangenheit und heute übernahm jegliches motorisierte Fahrzeug diese Aufgabe. Bus, Bahn, Auto oder Flugzeug waren alle gleich gut, wenn es darum ging, Phil müde zu machen. Gwen schaute lächelnd in den Rückspiegel und sah, wie der Kopf ihres Sohnes unkontrolliert von einer Seite auf die andere nickte. Ein untrügliches Zeichen von tiefem Schlaf.

      Gegen 18:30 Uhr setzte Gwen ihre Mutter an deren Wohnung ab. Sie umarmten sich herzlich. »Wir sehen uns«, gab sie Beth mit auf den Weg und drückte ihr zum Abschied noch einen Kuss auf die Wange.

      Zu Hause angekommen, bog Gwen vorsichtig in die Einfahrt ihres Hauses ein. Der Kies knirschte unter den Reifen und Phil regte sich auf der Rückbank. Er schlug die Augen auf und bemerkte, dass er fast den gesamten Heimweg verschlafen hatte.

      »Wo ist Oma? Du hättest mich wecken sollen! Ich wollte mich doch verabschieden!«

      Kaum kam der Wagen zum Stehen, öffnete Phil die Tür und sprang heraus. Gwen hatte Mühe schnell hinterher zu kommen und die Haustüre aufzuschließen. Ohne ein weiteres Wort quetschte sich Phil durch die sich öffnende Tür, streifte die Schuhe von den Füßen und verschwand nach oben in sein Zimmer.

      Gwen atmete tief ein und wieder aus.

      Nachdem Gwen sich selber umgezogen und etwas akklimatisiert hatte, klopfte sie behutsam an die Zimmertür ihres Sohnes und trat ein. Phil war schon wieder am Computer und spielte.

      »Hey, mein Großer, hat Dir der Tag gefallen?«

      »Hmmhm – war ganz okay«, gab sich Phil wortkarg.

      Gwen wagte einen weiteren Versuch. »So etwas müssen wir unbedingt bald mal wieder machen. Ich bin gerne mit Dir unterwegs. Das war toll!«

      »Hmmhm, wenn Du das sagst.«

      Oje, das würde anstrengend werden, dachte Gwen, und entgegnete: »Ja, sage ich!« Sie wollte überzeugender klingen, was ihr in dem Moment aber leider nicht gelang. »Ich finde das toll, wenn wir etwas zusammen unternehmen.«

      Nach einer Pause gab Phil zu: »Ich auch Mama.« Phil wirkte, als wenn er mit sich ringen würde, kam dann aber doch auf den Punkt. »Du warst nie diejenige, die sich um unsere gemeinsame Freizeit gekümmert hatte. Das hatte immer Papa gemacht.«

      So deutlich wollte Gwen das auch nicht zu hören bekommen, aber sie entschied, nicht gleich zu antworten, sondern ihn weiterreden zu lassen.

      »Ich brauche jemanden, der sich Zeit für mich nimmt, mit mir etwas unternimmt, und für mich da ist.« Pause. Gerade wollte Gwen antworten, als Phil wieder das Wort ergriff. Diesmal langsamer sprechend und mit einem Kloß im Hals. »Da Papa nun nicht mehr da ist, weiß ich nicht, wie es weitergehen soll.« Phil standen die Tränen in den Augen, aber er schluckte sein Leid herunter. Indianer kennen schließlich keinen Schmerz und Jungs heulen nicht! Das ist nur was für Mädchen, hatte ihm sein Vater eingebläut.

      Gwen nahm Phil in den Arm und tröstete ihn. »Ich bin bei Dir und ich bin für Dich da – und Oma auch. Es gibt jetzt nur noch uns drei und wir werden zusammenhalten. Ich habe Dir heute im Sea Life schon gesagt, dass zurzeit im LKA weniger zu tun ist und ich früher Feierabend machen werde, als in der Vergangenheit. Ich habe euch beide zu sehr vernachlässigt und mich zu viel um meinen Job und meine Karriere gekümmert, aber jetzt kommst Du zuerst, mein Schatz!« Mit diesen Worten schloss Gwen ihren Sohn noch fester in die Arme.

      »Versprochen?«

      »Versprochen! So und nun darfst Du noch etwas spielen und dann geht’s ins Bett.«

      Dies ließ sich Phil nicht zweimal sagen. Nachdem seine Mutter das Zimmer verlassen hatte, startete er eine